Gladbeck. Die Woche beginnt für die Feuerwehr-Azubis stets mit einem luftigen Ritual. Sie müssen die lange Drehleiter mehrmals hinaufsteigen.
„Immer wieder montags kommt die Erinnerung ...“, so könnten die Azubis der Gladbecker Feuerwehr frei nach einem alten Schlager singen. Denn die Woche startet für sie stets mit einer (wohl eher weniger beliebten) Aufwärmübung für Körper und Geist: dem viermaligen Hochklettern der an der Hauptwache ausgefahrenen Drehleiter – und kleinem Wissenstest durch die Abfragen des Ausbildungsleiters Dirk Adamowski in den kurzen Wartepausen am Boden.
Wissenstest in der Kletterpause
„Was sagt Ihnen der Maßstab eins zu 50 000 auf einer Landkarte?“, will er zum Beispiel in der Kletterpause von den Brandmeister-Anwärtern wissen. Und auch wenn einige erst kurz überlegen und durchschnaufen müssen, kommen letztlich alle auf die richtige Antwort: „Das bedeutet, dass ein Zentimeter auf der Landkarte in der Realität 50 000 Zentimeter oder 500 Meter sind.“ Abgefragt werde immer Wissen, „das in der Vorwoche im theoretischen Unterricht vermittelt wurde“, erklärt Adamowski. Dafür gebe es keine direkte Note, das Ergebnis werde aber für die allgemeine Bewertung des Kandidaten vermerkt. Zudem folgt (meist) ein Lob vom Ausbildungschef – und der Azubi darf zur ,Belohnung’ die nächste Tour über die Leiter klettern, die 25 Meter bis an die sechste Etage des Schlauchturmes ausgefahren ist.
Zur Feststellung der körperlichen Fitness reicht Adamowski ein Blick zur Leiter, um zu sehen, wie flott die Anwärter in ihrer Montur mitsamt Helm in die Höhe kraxeln. Schnelligkeit ist dabei aber nicht alles, dem Ausbilder kommt es darauf an, dass nicht nur zügig, sondern auch sicher, „also mit der richtigen Technik, das Ende der Leiter erreicht wird“. Bei den elf Azubis, die sich in stetigem Tempo hinauf bewegen, sieht das durchweg gut aus.
80 Leiterstufen müssen überwunden werden
„Wir machen das mit dem Passgang, das bedeutet, dass rechte Hand und rechter Fuß zugleich einen Leitertritt höher bewegt werden und dann die linke Seite folgt. Oder im Kreuzgang, was dann die diagonale Bewegung von zugleich linker Hand und rechtem Fuß, beziehungsweise rechter Hand und linkem Fuß bedeutet“, erklärt Azubi Michael Plöger (36). Die Drehleiter werde bei den Übungen auch in unterschiedlichen Winkeln, „mal flacher, mal steiler aufgestellt“, ergänzt Kollege Philip Büker (22). „Im Realeinsatz sind die Gebäude ja später auch unterschiedlich hoch, und der Abstand der Drehleiter hängt davon ab, wie dicht an den Einsatzort herangefahren werden kann.“
Apropos hoch: Wie viele Leiterstufen sie denn pro Runde in die Höhe steigen? Kurioserweise kann das keiner der Befragten beantworten, die sich wohl auf andere Dinge konzentrieren. Jörg Rauschel, der als Maschinist die Drehleiter für die Übung ausgefahren hat, zählt nach: „80 Stufen.“ Mit der neuen Drehleiter sei das Hinaufsteigen deutlich komfortabler als mit dem Vorgängermodell. „Die hat viel stärker geschwankt, heute haben wir Stabilisatoren, die die Bewegung ausgleichen.“ Der erfahrene Oberbrandmeister erzählt zudem: „In den 39 Jahren im aktiven Dienst bin ich noch nie im Einsatz die Drehleiter hinaufgestiegen.“
Kleiner Vortrag zur Frage der Woche
Im Korb der Drehleiter könnten drei Einsatzkräfte in voller Montur und mit Atemschutz schnell und ermüdungsfrei zur Einsatzstelle befördert werden, erklärt Ausbilder Adamowski. Wobei die Steigübungen freilich wichtig seien, denn bei einem Einsatz könne es ja sein, „dass viele Kräfte zügig einen höher gelegenen Einsatzort erreichen müssen. Und dann geht es hintereinander über die Leiter schneller als immer nur zu Dritt mit dem Korb“.
Nach der ,Aufwärmübung’ mit der Drehleiter geht es im Ausbildungsunterricht mit der Frage der Woche weiter. „Am Freitag wird dazu je ein Thema benannt, mit dem sich wechselweise ein Auszubildender am Wochenende beschäftigen kann, um es dann der Gruppe am Montag vorzustellen“, erklärt Adamowski. Unterhaltsame wie interessante Dinge, mit denen man sich sonst nicht beschäftige, die aber auch zum Thema Feuerwehr gehören. Etwa: Warum ist das Blaulicht blau oder der Feuerwehrwagen rot, und wo war überhaupt die erste Feuerwehr im Einsatz? Lerneffekt für die Azubis: „Sich vor der Truppe im Vortrag zu präsentieren und dabei auch klar und verständlich auszudrücken.“ Denn das werde ja später auch von einem Gruppenführer im Ernstfall erwartet. Und das nicht nur immer wieder montags, sondern an allen Einsatztagen.
Brandschutz war schon im Mittelalter Bürgerpflicht
Die im Haupttext (oben) angerissenen Fragen zu den Azubi-Vortragsthemen der Woche sollen nicht unbeantwortet bleiben:
1 Warum ist das Blaulicht blau? Das Signallicht ist seit 1933 in Deutschland bei Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr und Polizei einheitlich blau. So sollte vermieden werden, dass die Fahrzeuge zu leichten Zielen für Luftangriffe werden. Grund: Blaues Licht hat die höchste Streuung in der Atmosphäre und ist so aus großer Höhe nachts auf der Erde nur schlecht zu sehen. Im Straßenverkehr am Tage leuchten zudem andere Warnlampen in rot, grün oder orange (Ampel, Baustelle), so bleibt Blaulicht als Warnsignal unverwechselbar.
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Warum sind Feuerwehrwagen rot? Die leuchtendrote Lackierung hat eine deutliche Signalwirkung im Straßenverkehr. Dies warnt auch andere Verkehrsteilnehmer, da die Feuerwehr im Einsatzfall besondere Rechte hat, etwa über rote Ampeln zu fahren. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde diese Farbe verbindlich für die Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr in Deutschland eingeführt.
3 Seit wann gibt es die Feuerwehr? Die erste Berufsfeuerwehr in Deutschland wurde 1851 in Berlin-Mitte eingerichtet, die älteste freiwillige Feuerwehr im Bundesgebiet ist die 1811 gegründete Feuerwehr der Kreisstadt Saarlouis. Aber bereits im Mittelalter gehörte zu vielen Gemeindeverfassungen die Verpflichtung der Einwohner, sich am Brandschutz zu beteiligen. Der war aber schon in den Städten der alten Ägypter und später der Römer ein Thema. Sie hatten die ersten organisierten Feuerlöscheinheiten.
Apropos Einheit. Die demonstrieren die Gladbecker Azubis jeden Montag zum Abschluss des Leiter-Trainings. So schnell wie möglich müssen sie komplett die glatte Wand eines 2,6 Meter hohen Containers erklimmen (Foto). Das gelingt mittlerweile in einer Zeit zwischen 35 - 40 Sekunden.