Gladbeck. . Die EU-Kommission will Kunststoff-Müll reduzieren. Die WAZ hat sich umgehört, welche Materialien in Gladbecks Geschäften verwendet werden.
Derzeit wird viel über ein Produkt gesprochen, das wohl die meisten Menschen mehr oder minder häufig zur Hand nehmen: Kunststoff. Die Mengen an Plastik-Müll in den Meeren soll nach dem Willen der Europäischen Union (EU) deutlich reduziert werden, weil er nicht abbaubar ist, Tiere und Menschen gefährdet. Eine Waffe, die die EU-Kommission in den kommenden Jahren gegen die Flut des Problemstoffs einsetzen will: ein Verbot ausgewählter Einweg-Produkte – unter anderem Plastikgeschirr und -besteck, Trinkhalme und Wattestäbchen. Die WAZ hat Stichproben gemacht: Wie halten es Gladbecker mit Kunststoffprodukten?
In der Stadtverwaltung hat Plastikmaterial seit Jahren „Hausverbot“. „Mineralwasser, Softdrinks und Säfte bestellen wir in der Regel in Glasflaschen“, sagt Sprecher David Hennig. Bei Veranstaltungen im Rathaus würden „Gläser, Tassen aus Porzellan und ganz normales Geschirr“ benutzt. Hennig stellt fest: „Plastik ist an vielen Stellen Thema; mal wird es beachtet und mal eben auch nicht.“ Die Stadtverwaltung sei seit langem bemüht, Kunststoff-Materialien zu vermeiden. Hennig nennt ein Beispiel: „In den Mensen unserer Schulen kommen nur Glas und Porzellan auf den Tisch.“ Allerdings räumt er ein: „Die Stühle dort sind aus Plastik, weil sie einfacher sauber zu halten und langlebig sind.“ In den Kindergärten hingegen „achten wir auf Holzstühle“.
Leihtassen und Geschirrmobil
Hennig erzählt: „Der Jugendrat hat beim Zimtsternfest Leihtassen statt Kunststoffbecher ausgegeben.“ Und auch das Geschirrmobil vom Kotten Nie werde geordert. Schwieriger sehe es bei Büromaterialien aus. „Vieles gibt es nur aus Plastik, oder Alternativ-Produkte, beispielsweise ein Bleistiftanspitzer aus Metall, sind deutlich teurer“, sagt der Rathaus-Sprecher.
Alternativ-Produkte sind teurer
Den Kostenfaktor führt auch Silvia Morossi vom Eiscafé „Dolomiti“ an. „Löffelchen aus Holz sind wesentlich teurer als Plastik, ebenso Becher aus Naturprodukten“, sagt sie. Die Mehrkosten auf den Eispreis aufschlagen dürfte wohl nicht funktionieren: „Das wollen die Kunden nicht zahlen.“ Noch stapeln sich also Schälchen, Trinkhalme und winzige Löffel in poppigem Rosa, Bleu und Orange hinter dem Tresen. Aber es geht auch anders: Wie wäre es mit einem Hörnchen statt Becher? Da können Freunde der kalten Kugeln die Verpackung gleich mitessen. Der Gebrauch von Plastik ist für einige Kunden so gar nicht nach ihrem Geschmack: „Etliche bringen ihre eigenen Boxen mit, die wir füllen.“ Silvia Morossi findet das gut, „weil wir uns die Becher dann sparen können. Und vielleicht können wir das den Kunden zurückgeben, indem wir das Eis ein paar Cent günstiger verkaufen.“ Der viele Müll – „das ist uns auch nicht recht!“
Kunden wollen Plastikbeutel
Doch es gibt auch Kundschaft, die auf Kunststoffbeutel für die Einkäufe besteht. Diese Erfahrung macht das Pottbäcker-Team. „Viele wollen unbedingt für einen Apfel einen Plastikbeutel“, berichtet eine Verkäuferin. Gratis ist diese Verpackung. Die braunen Spitztüten, „die traurigerweise teurer sind“, haben den Nachteil, dass nicht viel hineinpasse. Kunden, die eine eigene Stofftasche oder einen Korb dabeihaben, gebe es nicht sehr häufig.
Mit der eigenen Tasse in die Bäckerei
In der Bäckerei Döbbe nebenan stehen Naturprodukt und Kunststoff Seit’ an Seit’. Verkäuferin Laura Prätorius sagt: „Holzstäbchen zum Umrühren für den Kaffee haben wir eigentlich immer schon.“ Die Milch hingegen wird in einem Plastikkännchen gereicht. Kaffeesahne in einem Edelstahl-Kännchen sei „nicht so hygienisch“. Und ein Ersatzprodukt für die Becherdeckel beim „Coffee to go“ müssten wohl noch erfunden werden. Oder die Kundschaft nimmt die eigene Porzellantasse mit in die Bäckerei. Die Kunststoff-Aschenbecher auf den Stehtischen vor dem Laden ließen sich wohl problemlos vermeiden. Man werfe einen Blick zu Surmann: Dort nutzen Raucher die gläserne Variante.
Nur noch Papier im Angebot
Für einen Mix aus Kunststoff-Produkten und handfestem Geschirr hat sich Nevzat Sirin entschieden. In seiner Imbissbude an der Hochstraße wird vor Ort von Porzellan und mit konventionellem Besteck gegessen. Wer seinen Döner, Fritten & Co. mitnehmen möchte, bekommt Wegwerfschalen und -gabeln. „Viele Kunden lassen die Plastiktüte zum Transport weg, so weit sind wir schon“, so ein Mitarbeiter.
Hintergrund
Laut EU-Kommission häuft sich im Bereich der Europäischen Union ein Plastikmüll-Berg von rund 26 Millionen Tonnen an – Jahr für Jahr. Weniger als 30 Prozent dieser Menge kommt in die Wiederverwertung.
In der Europäischen Gemeinschaft stieg die Menge an Kunststoff-Abfällen in den Jahren 2005 bis 2015 um zwölf Prozent. Für Deutschland wurde gar ein Plus von 29 Prozent verzeichnet.
Solche Beutel sucht die Kundschaft bei Blumen Risse vergebens. „Die Firma hat beschlossen, Plastiktüten abzuschaffen“, erzählt Verkäuferin Bianca Grela. Alternativ werden Papiertüten angeboten – zehn Cent kostet die kleine Variante, 15 Cent die mittlere und 25 Cent die große. „Das wird von den Kunden sehr gut angenommen“, stellt Bianca Grela fest. Pflanzen in Tontöpfen, wie es sie vor Kunststoffzeiten einmal gab, muss man suchen. Die Verkäuferin erklärt: „Die Plastikeinsätze, die uns von den Gärtnern geliefert werden, sind viel billiger und vor allem leichter.“