Gladbeck . Die Diagnose per Videochat schafft neue Möglichkeiten. Doch Gladbecker Mediziner sehen den persönlichen Kontakt weiterhin als unverzichtbar an.

Ärzte dürfen Patienten zukünftig auch ohne persönlichen Kontakt telefonisch oder per Internet beraten. Wie kommt die Möglichkeit der Telemedizin in Gladbeck an? Wir haben Mediziner, Vertreter der Ärztekammer und des Seniorenbeirats gefragt.

Dr. Nagel (Glanet): Für die Diagnose ist der persönliche Kontakt wichtig

Für Dr. Gregor Nagel könnte Telemedizin eine Brücke zwischen ländlichem Raum und Spezialisten in Städten schlagen. „Wenn der nächste Hausarzt zehn Kilometer entfernt ist“, also in Regionen der medizinischen Unterversorgung, stelle ein digitales Angebot eine sinnvolle Ergänzung dar, so Nagel. Doch eine solche Situation sieht der Sprecher des Glanet (Gladbecker Ärztenetz) in Gladbeck nicht: „Patienten finden hier im dicht besiedelten Raum innerhalb eines Kilometers einen Hausarzt“.

Dennoch könne eine Videosprechstunde „eine partielle Ergänzung“ des medizinischen Versorgungsalltags darstellen, so der Hausarzt an der Horster Straße. Jedoch nur um „die Dringlichkeit eines Anliegens“ bewerten zu können, auch wenn man sehr auf die Beschreibung des Patienten angewiesen sei.

Datenschutzprobleme bei der Telemedizin

Dr. Nagel sieht ein Hemmnis auch in der Gewährleistung des Datenschutzes, denn personenbezogene Daten dürfen nur anonymisiert ausgetauscht werden.

Als technische Lösung hierzu sieht der Mediziner eine „End-to-end Verschlüsselung des Datenstroms“, der jedoch eine technische Ausstattung bei Patient und Arzt voraussetzt.

Kritisch bewertet er die Diagnose per digitalem Fernblick: „Ein persönlicher Arzt- und Patientenkontakt ist wichtig. Einen Bauchschmerz muss ich abtasten können“, sagt der Arzt des Hausarztzentrums Butendorf getreu der alten Medizinerweisheit „Am Telefon und durch die Hose stellt man keine Diagnose“. Deshalb plädiert der Mediziner für einen verantwortungsvollen Umgang mit den Möglichkeiten der Telemedizin.

Ärztekammer: Wer ein Rezept braucht, muss noch zum Arzt gehen

Zudem gibt es noch einige Herausforderungen zu bewältigen. Darauf weist Klaus Dercks, Pressesprecher der Ärztekammer Westfalen-Lippe hin. Auch wenn eine Behandlung per Videochat möglich ist, gelte immer noch ein Fernverschreibungsverbot, das heißt nach erfolgter digitaler Diagnose darf der Hausarzt weder Rezepte noch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen.

Im Klartext: Digitale Beratung ja, ärztliche Bescheinigungen erst nach einer persönlichen Untersuchung. Ein Gang zum Arzt sei in solchen Fällen unvermeidbar. Ein möglicher Vorteil: Telemedizin könne dazu beitragen, Wege und Wartezeiten zu verkürzen, so Dercks.

Seniorenbeirat: Für Ältere entfallen beschwerliche Wege

Diesen Vorteil sieht auch Friedhelm Horbach, Vorsitzender des Seniorenbeirats: „Dass Rentner gerne Zeit im Wartezimmer verbringen, halte ich für ein Gerücht.“ Vielmehr sehe er die Chance, „das stundenlange Warten“ zu verkürzen. Auch der „beschwerliche Weg mit dem Rollator“ könne so in Einzelfällen vermieden werden. Gerade in den Sommermonaten sei der Besuch beim Arzt eine zusätzliche Belastung.

Dem möglichen Einwand, die Bedienbarkeit eines Chatprogrammes stelle insbesondere für ältere Menschen eine Hürde dar, widerspricht Horbach: „Immer mehr Mensch jenseits der 70 zeigen die Bereitschaft, sich mit Technik auseinandersetzen zu wollen.“