Gladbeck. . Dafür hat Hannelore Eisenberg sogar extra Fledermaus-Pflege-Kurse besucht. Sind die kleinen Nacht-Jäger wieder fit, werden sie ausgewildert.

Das faszinierende Jäger in der Nacht durchs Gladbecker Stadtgebiet flattern, weiß Hannelore Eisenberg ganz genau. Ihre Leidenschaft für Fledermäuse entstand eher durch Zufall, nachdem sie auffällige Hinterlassenschaften auf dem Wohnzimmerboden entdeckte.

Über ein auf „Kipp“ stehendes Fenster waren die Besucher während ihrer Abwesenheit in die Hochhauswohnung geschlüpft, hatten ein paar Flugrunden gedreht, um dann wieder zu verschwinden.

Der Besucher war eine Zwergfledermaus

Etwas in Sorge sei sie um ihre Hamster gewesen, berichtet die Rentforterin weiter, kranke Tiere, die sie für die Hamsterhilfe NRW in Pflege betreute. „Konkret, ob die Fledermäuse Parasiten verloren haben könnten, die für Hamster gefährlich sind.“

So habe sie recherchiert und telefonisch Kontakt zu Michael Korn geknüpft, Ansprechpartner in Gladbeck von der Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz im Kreis Recklinghausen.

Beim Vor-Ort-Termin in der Hochhauswohnung an der Berliner Straße konnte der Experte sie beruhigen und mitteilen, dass der unerwartete Besucher eine Zwergfledermaus war, die im Gladbecker Stadtgebiet am häufigsten vorkommen.

Für den Menschen sind sie völlig ungefährlich

„Die für den Menschen völlig ungefährlichen Tiere finden oft unbemerkt Quartier in engen Spalten und Ritzen an Wohngebäuden, etwa unter einer Fensterbank oder einer Dachverkleidung“, weiß die 67-Jährige heute, deren Interesse damals an den kleinen Flugtieren geweckt wurde. „Ich habe nun mal ein Faible für kleine Tiere“, gesteht die resolute Fledermausfreundin, die ebenfalls von überschaubarer Körpergröße ist, mit einem Lächeln.

Nach Teilnahme an vom Naturschutzbund (Nabu) angebotenen Fledermausexkursionen, beispielsweise im Nordpark, ließ die Heilpraktikerin für Psychotherapie das Thema nicht mehr los. „Die Fledermaus ist eines der ältesten Säugetiere, das auf der Erde lebt, wobei fast alle einheimischen Arten bedroht und geschützt sind“, erzählt sie. Das älteste bislang entdeckte Fledermausfossil ist 50 Millionen Jahre alt. Die Entwicklung der Fledertiere wird im Eozän gesehen, das vor etwa 56 Millionen Jahren begann.

Hannelore Eisenberg hat Seminare zur Fledermaus-Pflege besucht

Hannelore Eisenberg ließ sich vom Nabu zur Fledermaus-Botschafterin ausbilden und besuchte Seminare zur Fledermauspflege, so dass sie mittlerweile gefragte Expertin ist, wenn es darum geht, verletzt oder krank aufgefundene Tiere aufzupäppeln. Seitdem gehören zum Inventar ihres Wohnzimmers schwarze, schalldurchlässige Flexarien-Boxen, für ihre derzeit fünf Pensionsgäste auf Zeit.

„Hier wohnen Marga und Anthony“, zeigt sie auf eine der drei Boxen. Beides daumengroße Zwergfledermäuse, die den Tag kopfüber im Dunkel hinter einer kuscheligen Decke verschlafen.

Wenn eine Fledermaus am Tag auf dem Boden sitzt, stimmt etwas nicht

Marga wurde auf einem Balkon an der Postallee gefunden, Anthony von Spaziergängern im Schlosspark Herten am Boden entdeckt. „Man kann im Prinzip immer davon ausgehen, wenn man eine Fledermaus am Tag auf dem Boden sitzend oder sogar irgendwo hängend auffindet, dass mit dem Tier etwas nicht in Ordnung ist“, so Eisenberg.

Es sei dann richtig, sich um die Fledermaus zu kümmern und sie heim zu tragen, um dann die Experten der Fledermaushilfe zu alarmieren. „Das Tier kann bis zur Abholung in einer Pappbox, die mit Zewa ausgelegt und mit einem luftdurchlässigen Tuch abgedeckt wird, aufbewahrt werden. Es mit Wasser in einem möglichst flachen Schälchen zu versorgen, ist auch wichtig.“ Desto früher die Hilfe erfolge, desto größer sei „die Überlebenschance“.

Tiere mit individuellem Charakter

Was sie immer wieder fasziniere, berichtet die Fledermausexpertin weiter, „ist, dass jedes Tier einen ganz individuellen Charakter hat“. Zum Beispiel Zwerg Anthony, der ein eher hyperaktiver Schwätzer sei. In den Abendstunden versteht sich, wenn das Leichtgewicht munter wird. Vom Geschwätz bleibt Hannelore Eisenberg indes weitgehend verschont, da die „Flaus“, wie sie die Gattung liebevoll nennt, vorwiegend auf hochfrequenten Tönen zwitschert, die der Mensch nicht hören kann.

Die regen Abendunterhaltungen lassen sich aber mit technischer Hilfe hörbar machen. Mit einem Ultraschall-Detektor, der die empfangenen Fledermaus-Frequenzen heruntermoduliert, so dass es aus dem grauen Lautsprecherkasten im Wohnzimmer kräftig klackert, knattert und zirpt.

Anthony ist ein hektischer Heißsporn

Zwergfledermaus „Prinzessin Ludwig“ logiert im Einzelzimmer, Pardon Einzelbox, da der hektische Heißsporn Anthony die sehr zurückhaltende Dame zurzeit überfordern würde. „Sie wurde in einer Halle der ehemaligen Zeche König Ludwig in Recklinghausen gefunden. Wir vermuten, dass sie nicht mehr aus dem Raum gefunden hat und aufgeschreckt gegen eine Scheibe geflogen ist, wo sie sich eine Gehirnerschütterung zugezogen hat.“

Marga sei da deutlich robuster, vom Gewicht her mit Mehlwürmern gut aufgepäppelt und auch bei den Flugstunden schon gut dabei, so dass der Pensionsgast im Nordpark frei gelassen wird. „Sobald die Witterung warm genug ist und vor allem wieder reichlich Insekten schwärmen. Von denen sich die Zwergfledermäuse ja ernähren.“ Die unglaubliche Anzahl von bis zu 4000 Mücken verputzt eines der wendigen Fliegerasse pro Nacht.

Fred und Sophia sind ganz besondere Gäste 

Deutlich größere Beute schlagen die ganz besonderen Gäste, die Hannelore Eisenberg derzeit in Obhut hat. Zwei Exemplare der größten mitteleuropäischen Fledermausart „Großes Mausohr“. Klingt gigantischer, als die maximal acht Zentimeter großen Körper der Mausohren tatsächlich sind. Wobei die Flügelspannweite bis 43 Zentimeter schon beachtlich ist, im Vergleich zu den maximal 25 Zentimetern der Zwergfledermaus. Die Großen Mausohren sind Bodenjäger, da sie bevorzugt dort krabbelnde Käfer, Spinnen und Grillen im Tiefflug erbeutet.

Fred kam aus einer Pfegestelle in Mayen nach Gladbeck

Hannelore Eisenbergs Mitbewohner Fred und Sophia logieren zusammen, denn sie seien „sehr gesellige, eher ausgeglichene Tiere“. Fred habe sie von einer rheinland-pfälzischen Pflegestelle aus Mayen in der Eifel übernommen. Sophia wurde völlig durchnässt vor einem Höhleneingang im Sauerland aufgefunden und kam nach Gladbeck, da die Tiere bekanntlich kuschelige Gesellschaft statt Singledasein bevorzugen, was auch der Genesung zuträglich sei.

Dass es der gemütliche Fred schmusig mag, weiß Hannelore Eisenberg ganz genau. Nach einem Schlückchen verdünntem Apfelsaft aus der Pipette lässt sich der Fledermann gerne den weichen Pelz streicheln. Bei dem Winzling, der voller Genuss ganz still hält, erfolgt das behutsam mit einem weichen Pinsel.

Die Auswilderung fällt Hannelore Eisenberg nie ganz leicht

Bei aller Professionalität baue sie zu jedem ihrer Gäste auf Zeit auch eine Beziehung auf, „so dass die Auswilderung mit einem lachenden und einem weinen Auge erfolgt“, gesteht Hannelore Eisenberg. Sie tröste, dass sie zum Erhalt des heimischen Wildtierschutzes etwas sinnvolles beitrage.

Und dass das auch ihre Schützlinge honorieren, meint die Fledermaus-Pflegemutter dann und wann festzustellen. Wie beim aufgepäppelten Flecki, „der nach der Freilassung zehn, zwölf Runden drehte, dann wegflog, plötzlich nochmal kehrt machte, um eine kurze Runde um meinen Kopf zu drehen, bevor er endgültig davon flog. So, als ob er dankbar noch mal schnell Tschüss sagen wollte.“