Gladbeck . Der Gladbecker Autor schreibt selbst Bücher und lektoriert Werke anderer Autoren. Der umtriebige 49-Jährige will die Kunstszene bereichern.

Fast wäre Harry Michael Liedtke ein studierter Kaufmann geworden. Doch eine schwere Erkrankung brachte die Wende im Berufsleben des damals noch nicht 30-Jährigen. Seine bange Frage in dieser Krisensituation: „Das soll’s gewesen sein?“

Ein Kind der Werner-von-Siemens-Realschule, das es bis zum Betriebswirtschaftsstudium an der Fachhochschule in Gelsenkirchen geschafft hat? Nein. Für Liedtke war nach eigener Aussage klar: Das soll und kann es nicht gewesen sein.

Großes Boxer-Drama

„Ich habe mich gefragt: Was wolltest Du schon immer mal machen?“, erzählt der heute 49-Jährige. Da musste der Mike-Tyson-Fan nicht lange überlegen: „Ich wollte ein ganz großes Epos schreiben, ein Boxer-Drama.“ Mehr als 800 Seiten sind’s (bislang) geworden. „Das müsste ich etwas straffen und kürzen“, sagt Liedtke mit einem verschmitzten Grinsen.

Dieses Mammut-Werk liegt noch in der Schublade des Gladbeckers. Doch andere Erzählungen aus der Feder des 49-Jährigen sind längst veröffentlicht worden. Über Gladbecks Stadtgrenzen hinaus hat sich Harry Michael Liedtke – Markenzeichen seit zig Jahren: das Käppi – einen Namen mit seinen Büchern „Begräbnis auf dem Mond“ und „Segen oder Sünde“ gemacht. Andere Kurzgeschichten sind in Anthologien erschienen.

Er bewundert Autorengrößen wie Raymond Chandler und Karl May

In allen Figuren seiner Erzählungen stecke ein bisschen Harry Michael Liedtke, sagt der Autor. Action könne er nur „relativ wenig“ bieten. „Ich bewege mich viel in der Psyche meiner Figuren“, beschreibt der 49-Jährige seinen Stil. Das „Kopf-Kino“ möchte er beim Leser anknipsen. Der Ort seiner Handlungen könne überall, auch in Gladbeck, und nirgends sein.

„Bei uns zu Hause wurde viel gelesen“, erinnert er sich. Karl Mays Abenteuer-Romane habe er verschlungen, jetzt gerade schmökere er „Den Schatz im Silbersee“ – wieder einmal. Fan ist er von den Schriftstellern Henry Charles Bukowski, Douglas Adams und Raymond Chandler: „Sie sind meine literarischen Vorbilder!“ Er überlege beim Schreiben: „Wie hätten die drei es gemacht?“

Ein Ruhrgebietskrimi und Lesungen im Pott

Derzeit arbeite er an einem gemeinschaftlichen Ruhrgebietskrimi: „16 bis 18 Autoren schreiben daran, ich steuere ein Kapitel bei.“ Außerdem „werden einige meiner Kurzgeschichten als Hörbuch eingelesen“. Ab und an werden Erzählungen von ihm weiter in Anthologien aufgenommen.

Unterwegs auf vielen Bühnen

Gladbecker kennen Harry Michael Liedtke auch als „Eventmanager“. Er sagt: „Ein weiterer Hauptberuf ist meine Agentur Kunst, Kultur, Werbung und Gedöns“.

So bringt der Fan der Band „Sisters of Mercy“ unter anderem Künstler im Café Stilbruch und am Kotten Nie auf die Bühne, aber auch in anderen Städten wie Gelsenkirchen und Düsseldorf.

„Ich arbeite außerdem Martin Volmer bei der Gladbecker Kneipennacht zu“, berichtet Harry Michael Liedtke. Diese Veranstaltung erlebt am Freitag,18. Mai, ihre dritte Auflage.

Ansonsten nutzt er diverse Bühnen für Lesungen – im Ruhrgebiet, in Gladbeck und auch ganz woanders, mal solo, mal mit Kollegen. Durchschnittlich zweimal im Monat sei er „on stage“ zu hören.

Hauptberuflich ist Liedtke Lektor – jedoch nie für seine eigenen Werke

Doch ihm bleibe einfach wenig Zeit zum Schreiben, bedauert der Gladbecker. Immerhin liegen zwischen „Begräbnis auf dem Mond“ und „Segen oder Sünde“ fünf Jahre. Der 49-Jährige: „Ich bin hauptberuflich selbst Lektor, lektoriere aber nicht meine eigenen Texte.“ Das Wissen für diese Tätigkeit habe er sich selbst beigebracht. Er bringe Werke von Schriftstellern ganz verschiedener Genres „auf Vordermann“, kümmere sich um den „Feinschliff“.

Liedtke sinniert ein bisschen über das Bearbeiten von Textmaterial: „Wenn man als Lektor tätig ist, wird man auch Ratgeber.“ Wo tut der Erzählung ein beherztes Streichen gut? An welchen Stellen tritt „Informationsdumping“ auf? In welchen Passagen erhebt der Schriftsteller den Zeigefinger? – „Man sollte den Leser nicht belehren“, lautet eine von Liedtkes Regeln.

Verschiedene Genres

Er erzählt: „Aktuell lektoriere ich ein Manuskript einer Deutsch-Russin aus München.“ Bei einer ganzen Reihe von Gladbecker Talenten habe er sich als Mentor einbringen können, genannt seien beispielsweise Lars Albrecht und Marcus Watolla. Der eine verfasst Fantasy-Geschichten, der andere hat mit Kurztexten satirischer Art eine Fan-Gemeinde „erschrieben“. Und was macht Liedtkes „Riesen-Epos“ aus dem Boxsport? – „Ein halbes Jahr wird’s mindestens noch dauern, bis es publiziert wird . . .