Gladbeck. Gladbecks Amtsgerichtsdirektor Bernd Wedig zieht eine positive Bilanz 2017. Erstmals wurden „Schnellverfahren“ gegen Kleinkriminelle durchgeführt

Das Amtsgericht Gladbeck hat im vergangenen Jahr 2017 entschieden weniger Fälle zu verhandeln gehabt. In allen Bereichen gab es ein deutliches Minus, bilanziert Amtsgerichtsdirektor Bernd Wedig, der die Entwicklung als Beleg dafür sieht, dass es in Gladbeck in Sachen Kriminalität im Vergleich noch moderat zugehe. Allerdings: Das Amtsgericht machte 2017 erstmals Gebrauch von „Schnellverfahren“ – und das gleich sieben Mal.

In allen Fällen ging es bei diesen „besonders beschleunigten Verfahren“ um Ladendiebstähle. Vor Gericht standen Kleinkriminelle aus Osteuropa ohne festen Wohnsitz in Deutschland. In enger Zusammenarbeit mit Polizei und Staatsanwaltschaft kam es so zu rechtskräftigen Verurteilungen. Wedig: „Entweder waren die Angeklagten geständig oder konnten durch Zeugenaussagen überführt werden.“ Der Amtsgerichtsdirektor wertet diese Verfahren als abschreckend, da die Verurteilungen ins Bundeszentralregister kommen und so Mehrfachtäter auffallen. „Sie können, wenn sie erneut auffällig werden, zu höheren Strafen verurteilt werden – bis hin zur Haft“, so Wedig im WAZ-Gespräch. Für ihn sei dieses Vorgehen ein „gutes Zeichen des Rechtsstaates“, sich im Kampf gegen Kleinkriminalität durchzusetzen.

Die Zahl der Strafverfahren sank um 18 Prozent

Was die Schwerkriminalität anbelangt, sieht der Amtsgerichtsdirektor sie in Gladbeck auf einem nicht so hohen Niveau wie in anderen Revierstädten. Auch der Rückgang an Strafverfahren um 18 Prozent auf 779 Fälle im letzten Jahr weise darauf hin. „Die Polizei macht einen guten Job, und die Zusammenarbeit mit Staatsanwaltschaft und uns funktioniert hervorragend“, lobt der Behördenchef. Das Minus bei den Zivilverfahren (Rückgang von fast zehn Prozent) wertet Wedig als Ausdruck der guten wirtschaftlichen Entwicklung. „Wenn’s den Leuten gut geht, zählen wir weniger Verfahren.“ Allerdings gibt es womöglich auch einen formalen Grund, warum die Zahl der Zivilstrafverfahren sinkt: Seit 25 Jahren liegt die Grenze des Streitwerts, bis zu der beim Amtsgericht verhandelt wird, bei 5000 Euro. Alles darüber verhandelt das Landgericht. „Und 5000 Euro sind heute nicht mehr soviel.“

Auch die Familienrichter freuten sich über weniger Fälle (minus zwölf Prozent). „Das Jugendamt leistet gute Arbeit, so dass es zu weniger Prozessen kommt.“ Es gab weniger Unterhaltsverfahren, aber mehr Fälle ums Sorge- und Umgangsrecht. Die Zahl der Ordnungswidrigkeitsverfahren sank glatt um mehr als die Hälfte – laut Wedig Folge des Abbaus eines Blitzers an der B 224 und eines Abstandsmessers an der A 2.

Aufregender Zwischenfall im Gerichtsgebäude

Acht Richter urteilen am Amtsgericht Gladbeck

51 Mitarbeiter umfasst das Team des Amtsgerichts derzeit, darunter acht Richter (wobei eine Richterstelle eine „Dreiviertel-Stelle“ ist). Die Richterbelastung sank 2017 von 121 auf 113 Prozent.

In den Ruhestand ging der langjährige Amtsrichter Berthold Paus. Er war über 35 Jahre am Amtsgericht Gladbeck tätig. Seine Richterstelle wurde sofort wieder besetzt.

Insgesamt spricht der Behördenleiter von einem ruhigen Jahr, das den Richtern mehr Luft verschafft habe, in einer „immer komplizierter werdenden Rechtswelt“ mit größerer Intensität die Fälle anzugehen.

2017 gab es aber auch einen aufregenden Zwischenfall: Die Polizei erwischte einen etwa 20-jährigen Gladbecker auf frischer Tat, als er (bewaffnet mit einer Mistgabel) in die Villa des angeklagten Bottroper Apothekers in Kirchhellein einbrechen wollte. Als er vor Richter Wedig zwecks Erlasses eines Haftbefehls stand, versuchte er die Flucht aus dem „Vorführraum“: Der Täter schnappte sich vom Schreibtisch einen Büro-Locher, warf ihn ins Fenster und wollte rausspringen. Polizisten konnten ihn daran hindern. Folge: Haftbefehl-Vorführungen finden nun im Gerichtssaal statt, wo es nebenan eine Zelle gibt.