Gladbeck. . Der Leiter des Jobcenters im Kreis, Dominik Schad, informierte über Ursachen und Maßnahmen auf der Bürgerversammlung der SPD Mitte.
Die Wirtschaft brummt, Fachkräfte werden auf dem Arbeitsmarkt teils verzweifelt gesucht – aber in Gladbeck und im Kreis Recklinghausen scheint die hohe Zahl von Langzeitarbeitslosen fest einbetoniert zu sein: 15746 Männer und Frauen im Kreis sind länger als ein Jahr, oft mehr als vier Jahre, ohne Arbeit. Die Gesamtzahl der erwerbsfähigen Hartz-IV-Bezieher ist mit 55 222 viel höher, darunter sind einige, die Leistungen bekommen, weil der Arbeitslohn nicht zum Leben reicht. Insgesamt leben 76 634 Menschen im Kreis von SGB-II-Leistungen, also Hartz IV.
„Die Zahlen sind erschreckend“, findet Volker Musiol, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Mitte, der das Arbeitslosenproblem und die Frage, was dagegen getan werden könne, zum Thema einer öffentlichen Versammlung im SPD-Büro am Goetheplatz gemacht hatte. Dominik Schad (35), Leiter des Jobcenters im Kreis, gibt an dem Abend Auskunft zu Ursachen und Hintergründen der hohen Arbeitslosigkeit und schildert, was das Jobcenter dagegen tut und gern noch mehr tun würde. Denn „hinter jeder Zahl steht ein Mensch“, sagt er.
55 Prozent der Langzeitarbeitslosen haben keine abgeschlossene Berufsausbildung
Fakt ist aber: Eine Hauptursache der hohen Arbeitslosigkeit in der Emscher-Lippe-Region sind die mangelnden Bildungsvoraussetzungen, erfuhren die rund 15 Teilnehmer der Versammlung. 30 Prozent der Langzeitarbeitslosen im Kreis haben überhaupt keinen Schulabschluss. 35 Prozent nur den Hauptschulabschluss. Und 55 Prozent der Langzeitarbeitslosen haben nie eine Berufsausbildung abgeschlossen. Wer weiß, welche Anforderungen der sich rasant verändernde Arbeitsmarkt heute selbst an gut ausgebildete Fachkräfte stellt, ahnt, wie schwierig es ist, Menschen mit geringer Qualifikation in den Arbeitsmarkt zu vermitteln. Ganz abgesehen davon, dass die lange Erwerbslosigkeit oft weitere Probleme mit sich bringt, beispielsweise Suchtprobleme. Sozialdezernent Rainer Weichelt: „Ein Grundsockel wird immer bleiben.“
43 Millionen Euro pro Jahr für Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt
Was also wird getan? 43 Millionen Euro gab das Jobcenter 2017 für eine Vielzahl von Maßnahmen aus zur Wiedereingliederung von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt, um sie sozusagen fitter zu machen. Manchmal im wörtlichen Sinne in Form von gesundheitlichen Maßnahmen. Für 2018 rechnet Schad mit ähnlich hohem Budget – noch gibt es ja keinen Bundeshaushalt.
Hoffnung setzt der Jobcenter-Leiter aber auch in die besonderen Projekte, die, wie zuletzt das Bundesprogramm zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen (ESF-LZA), Erfolg bringen. 100 Integrationen in den ersten Arbeitsmarkt waren das Ziel, 99 wurden erreicht. 350 Arbeitsplätze wurden auch mit dem Projekt „Soziale Teilhabe“ bei Verbänden wie Diakonie, Caritas und Gafög speziell für Langzeitarbeitslose mit Familie geschaffen, um so den Kreislauf der „vererbten“ Arbeitslosigkeit – Kinder kennen es nicht, dass Eltern arbeiten gehen – zu durchbrechen.
Besser als befristete Projekte wäre ein dauerhafter sozialer Arbeitsmarkt
Hinzu kommt das geplante Modellprojekt Sozialer Arbeitsmarkt, Job:Plus, mit 260 geförderten Stellen. Und wenn es etwas wird mit den vom Bund angekündigten bundesweit 150 000 Stellen für Langzeitarbeitslose, könnte der Kreis mit 1500 bis 2000 Stellen rechnen.
Job-Akademie als eigene Maßnahme
Im Sommer startet das Jobcenter mit der „Job-Akademie“ als dauerhaftes Coaching-Angebot. Ziel ist, Arbeitslose möglichst früh bei Job-Suche und Bewerbungen zu begleiten. Pro Jahr könnten 3500 teilnehmen.
35 Stellen sind dafür vorgesehen, als kommunales Jobcenter ist es möglich, dies als eigene Maßnahme zu installieren.
Das sei alles in allem nicht viel angesichts der hohen Gesamtzahl, merkt Gerda Fuhrmann-Hartmann in der Diskussion an. Schad stimmt zu und sagt, was besser wäre: „Statt befristeter Projekte brauchen wir einen dauerhaften sozialen Arbeitsmarkt.“
Der wird seit langem gefordert, 2012 gab es bereits den Vestischen Appell dazu. Allmählich, so stellt Schad fest, verlasse das Thema die Hinterzimmer und komme in der Politik an. Weitere Mitstreiter hat er im SPD-Ortsverein Mitte auf jeden Fall gewonnen.