Gladbeck. . Reile Hildebrandt-Junge-Wentrup geht nach 30 Jahren in Pension. Theologin engagierte sich in der Flüchtlings-, Erinnerungs- und Inklusionsarbeit.
Fast 30 Jahre prägte sie das Leben in der Christuskirchen-Gemeinde, war Stütze und Gesicht der evangelischen Kirche in Stadtmitte zugleich: Reile Hildebrandt-Junge-Wentrup, die am Wochenende nach insgesamt 40 Jahren im kirchlichen Dienst in den Ruhestand geht.
Die 65-Jährige, die aus Ostwestfalen stammt und viele Jahre gemeinsam mit ihrem Mann Uwe Hildebrandt als Pfarrer tätig war, erlebte in ihrer Zeit ab 1989 an der Christuskirche Höhe und Tiefen, musste den Schrumpfungsprozess der evangelischen Stadtkirche, Fusionen und fünf Kirchenschließungen begleiten. „Das hat mich emotional sehr berührt, war aber notwendig und nicht anders machbar“, bilanziert die scheidende Pfarrerin im Gespräch mit der WAZ. Aber bei aller Notwendigkeit der Umstrukturierung: Ihr waren immer die Menschen wichtig, wie ihre oft sehr unterschiedliche Arbeit belegt.
Theologin wollte stets Menschen eine neue Heimat bieten
„Ich wollte immer, dass Menschen, die sich nach Kirchenschließungen oftmals ganz von der Kirche abwenden, an der Christuskirche eine neue Heimat finden.“ Das gelte genauso für Flüchtlinge, Ausgestoßene und Menschen mit Behinderungen.
Schon Anfang der 90er Jahre, als es den Begriff „Inklusion“ noch gar nicht gab, forcierte die Pfarrerin die Integration behinderter Kinder in den „normalen“ Kindergarten der Gemeinde: Drei Kinder mit Behinderungen kamen zu 20 nicht behinderten Kindern. Reile Hildebrandt-Junge-Wentrup erinnert sich noch genau, wie sie unter Beschuss geriet. „Ich bin aber zutiefst davon überzeugt, dass das richtig war und ist“, sagt die dreifache Mutter, die – ganz Vorbild – ihre eigenen Kinder in dieser Gruppe anmeldete. Heute laufen sieben der elf evangelischen Kindergärten mit Inklusion.
Flüchtlingsarbeit zog sich wie ein roter Faden durch die Jahre
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Auch die Flüchtlingsarbeit zog sich wie ein roter Faden durch all ihre Jahre als Pfarrerin, die sie übrigens mit einer halben Stelle begann („das war damals eine Sensation“) und erst 2008 in eine ganze umwandelte. Menschen aus Kriegsgebieten Chancen auf ein neues Leben zu bieten — „das war immer eine Herzensangelegenheit, das fing mit dem Bosnien-Krieg in der 90ern an“, sagt die Theologin, die mit ihrem Mann in Gladbeck bleibt. Heute hat sie für diese Arbeit ein Team von 65 Ehrenamtlichen. Reile Hildebrandt-Junge-Wentrup wird auch im Ruhestand dazu gehören.
Ähnlich bedeutend ist für die Theologin, die Erinnerung an die menschenverachtende NS-Zeit und die mit ihr verbundenen vor allem jüdischen Schicksale wachzuhalten. „Dies aufzuarbeiten und präsent zu halten ist für unsere Generation Verpflichtung“, ist sich die Pfarrerin sicher. Sie ist Mitinitiatorin der „Stolperstein-Aktion“ und des Euthanasie-Denkmals in der Stadt.
Pfarrerin wird am 8. Oktober offiziell verabschiedet
Wichtig war der Pfarrerin auch immer die Arbeit mit Kindern – nicht nur in der Kirche, etwa bei Krabbelgottesdiensten und Kinderbibelwochen, sondern auch bei Freizeiten, Kindergruppen im Bonni und bei der Betreuung in vier Kindergärten. „Kindern gehört die Zukunft“, sagt die inzwischen zweifache Oma, die gern Gottesdienste in verschiedenen Formen feiert und sich, wann immer möglich, intensiv mit Texten auseinandersetzt.
Zum 30. September geht die engagierte Pfarrerin, die vor ihrer Zeit in Gladbeck neun Jahre als Krankenhausseelsorgerin arbeitete und während ihre Tätigkeit an der Christuskirche zwischen 1992 und 1999 auch stellvertretende Superintendentin war, in den Ruhestand. Am Sonntag, 8. Oktober, gibt es um 14 Uhr einen Festgottesdienst zur Verabschiedung, anschließend einen Empfang im Dietrich-Bonhoeffer-Haus.