Gladbeck. Bei der Ruhrtriennale brachte Ivo van Hove „Kleine Seelen“ auf die Bühne der Maschinenhalle Zweckel. Ein Meisterwerk des Illusionstheaters.

  • Bei der Ruhrtriennale brachte Ivo van Hove „Kleine Seelen“ auf die Bühne der Maschinenhalle Zweckel
  • Die Zuschauer erleben ein Meisterwerk des Illusionstheaters, die Bühne wird zum symbolbeladenen Haus
  • Es geht um die Suche nach dem Glück, dem Versuch, das ungelebte Leben hinter sich zu lassen

. Grün ist die Hoffnung, grün auch der riesige quadratische Teppich auf der offenen Bühne und die Pflanzen an beiden Längsseiten. Dahinter führt eine Balustrade entlang bis hinter den mit durchsichtiger Leinwand verhängten Rücken der Bühne. Kleine Hocker dienen nicht als Staffage, sondern als bewegliche Requisiten einzelner Szenen. In dem vom belgischen Regisseur Ivo van Hove im Rahmen der Ruhrtriennale in der ausverkauften Maschinenhalle Zweckel inszenierten Stück „Kleine Seelen“ wird die Bühne zu einem symbolbeladenen Haus, Schauplatz der Suche nach dem Glück, dem Versuch, das ungelebte Leben hinter sich zu lassen.

Die einzigen festen Punkt sind ein Piano und eine Geräuschmaschine, mit denen der niederländische Musiker Harry de Wit die Aufführung wie einen Stummfilm musikalisch begleitet.

Kleine Schritte aus der Erstarrung der Beziehungen

Zum dritten Mal brachte Ivo van Hove ein Stück, das auf einem Roman von Louis Couperus beruht, auf die Bühne in Zweckel. Das Melodram zeigt die Familie Van der Welcke, die in einem Haus außerhalb Den Haags lebt und deren Mitglieder in kleinen Schritten versuchen, sich aus der Erstarrung ihrer Beziehungen und ihrer stagnierenden Existenz zu befreien, um ihr eigenes Leben zu finden.

Die Vergangenheit beherrscht die Gegenwart. Einmal getroffene Entscheidungen erscheinen irreversibel. Was bleibt sind kleine Fluchten. In einem Reigen der Jahreszeiten werden vorsichtig Lösungsversuche geplant.

Neue Lieben bleiben uneingestanden

Mittelpunkt der Familie ist der junge Arzt Addy, der als einziger ein Ziel zu haben scheint. Er sieht sich als Heiler. Seine Eltern Constance und Henri haben sich längst nichts mehr zu sagen. Neue Lieben bleiben uneingestanden, längst haben sie resigniert. Addy ist der Pflegevater von Marietje und Gerdy, Töchter von Constances Bruder, der sich umbrachte. Addys Frau Mathilde wirkt mit ihrer Lebenslust fast wie ein Fremdkörper in der erstarrten Gesellschaft. Der Anderen Leben ist bestimmt von Kummer, Kraftlosigkeit und unbewältigten Verletzungen.

Erst die Ankunft von Brauws, einem Studienkollegen Henri van der Welckes, lässt Hoffnungen aufkeimen. Doch diese Hoffnung bleibt Illusion. Nur Marietje und Mathilde schaffen es, sich zu lösen. Dennoch hat eine Veränderung für alle stattgefunden; sie alle erkennen, dass in der Familie selbst eine Quelle zur Heilung liegt, wenn sie es schaffen, ihr Leben anzunehmen.

Eine offensive Symbolik

Mit ihrer offensiven Symbolik, ihrer fast anachronistisch anmutenden Ausgangssituation könnte die Inszenierung manieriert wirken, wenn nicht der offene, intelligent gestaltete Raum, die grandiose musikalische Untermalung und vor allem die schauspielerische Leistung aller Akteure jeden Gedanken an Aufgeblasenheit wegfegen würden. Das Ensemble der Toneelgroep Amsterdam macht die Aufführung zu einem Meisterwerk des Illusionstheaters.