Gladbeck. . Zum dritten Mal wirbt der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Gerdes um die Erststimmen der Wähler. Seine Devise: Zu den Leuten gehen.

  • Der SPD-Bundestagsabgeordnete will am 24.September zum dritten Mal das Direktmandat für den Wahlkreis holen
  • Eine Lehre aus dem desaströsen Landtagswahlergebnis für die SPD: Die Stammwähler nicht vernachlässigen
  • Ein Ziel: In der Region müssen Arbeitsplätze geschaffen werden. Das geht nur ohne Kirchturmdenken

„Ich bring die Wurst mit, Sie geben den Senf dazu.“ Das ist auch eine Art, mit Leuten ins Gespräch zu kommen. Michael Gerdes (57), der zum dritten Mal im Wahlkreis Bottrop-Gladbeck-Dorsten als SPD-Direktkandidat in den Bundestag gewählt werden will, hat in den vergangen Wochen schon einige Kilo Bratwurst unters Wahl-Volk gebracht und am Grill über die große Politik und die Sorgen der Menschen in Gladbeck, Bottrop oder Dorsten diskutiert. Wohl wissend: „Ein Selbstläufer ist diese Wahl nicht.“ Weder für ihn als Kandidaten in einem Wahlkreis, der für Sozialdemokraten bislang immer eine sichere Bank war, noch für die SPD, der das desaströse Ergebnis der Landtagswahl noch in den Knochen sitzt.

Was ist bei der Wahl im Mai falsch gelaufen?

Michael Gerdes: Wir haben einen reinen Personenwahlkampf gemacht und wir haben die Wähler in unseren Stammbezirken im Landtagswahlkampf vernachlässigt.

Was wollen Sie anders machen?

Wir müssen in den Problemzonen unserer Region noch mehr als zuvor präsent sein und unsere Themen platzieren. Und wir müssen zu den Leuten in unseren traditionellen Bezirken gehen, mit ihnen über ihre Sorgen reden.

Aber auch die sozialdemokratische Welt in den Stammbezirken hat sich verändert.

Ja, wir haben die Stammwähler nicht mehr. Viele Ältere sterben weg, Jüngere wählen wechselhaft. Das gilt auch für die ehemals traditionellen SPD-Hochburgen. Wir betrachten mit Sorge, dass die AfD bei der Landtagswahl auch in diesen Bezirken relativ hohe Prozentzahlen geholt hat, indem sie populistisch auf Themen wie soziale Gerechtigkeit gesetzt hat.

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Dabei war und ist die soziale Gerechtigkeit das Kernthema der SPD. Die Wähler der AfD zu ignorieren ist keine Lösung. Wir müssen mit ihnen reden, sie von unserem Programm überzeugen und zurückholen.

Damit ist die AfD Ihr Hauptgegner?

Sie ist einer der Hauptgegner. Sie macht viele Versprechungen, die sie nicht halten kann. Das ist Wahlbetrug. Hinzu kommt: Wer sich das Wahlprogramm anschaut stellt fest, dass es menschenverachtend ist. Es muss uns gelingen, die Rechten aus dem Bundestag herauszuhalten.

Bis zum Mai waren Sie im Wahlkampf für die Landtagswahl, jetzt sind sie seit Wochen für die Bundestagswahl unterwegs. Wie motivieren Sie sich?

Das Landtagswahlergebnis hat natürlich frustriert, aber es ist auch ein Ansporn. Ich bin ja vor vier Jahren angetreten, vor allem die Situation im Bereich Arbeit und Soziales für die Menschen zu verbessern. Das hat in der Großen Koalition, die ganz sicher nicht immer Spaß gemacht hat, auch teilweise funktioniert. Wir waren der Motor für viele Themen, haben es geschafft, den Mindestlohn zu etablieren. Übrigens haben die Frauen in der SPD da eine wichtige Rolle gespielt, beispielsweise haben sie den Blick auf Themen verändert in der Familienpolitik.

Es gibt noch viel zu tun: In der Rentenpolitik und zur Vermeidung von Altersarmut

Es gibt aber noch viel zu tun, z.B. müssen wir weiter an einer nachhaltigen Rentenpolitik arbeiten, Frauen aus der Teilzeitfalle holen, und für ein vernünftiges Grundeinkommen eintreten, um Altersarmut zu verhindern. Es gibt ja bereits Denkmodelle für eine Bürgerversicherung in die alle einzahlen, auch Beamte und Selbstständige.

Wenn Sie mit der Wurst zu den Leuten kommen, worüber wollen die am Grill mit Ihnen reden?

Es gibt schon Fragen zur Bundespolitik, aber vorrangig geht es um lokale Themen und um Alltagsdinge, die die Leute beschäftigen. Um Lärm, Verkehr, Sorge um die Rente. Und Sicherheit ist ein Thema – hierbei ist es wichtig, das Gefühl der Menschen zu verstehen, die sich um ihre Sicherheit sorgen, obwohl die Fakten und die Statistik belegen, dass die Kriminalitätszahlen zurückgehen. Manchmal wollen sich die Leute auch einfach ihre Sorgen von der Seele reden. Oder sie fragen im Zusammenhang mit dem Apothekerskandal in Bottrop, wieso das möglich war, welche Gesetze da nicht greifen.

Und, was sagen Sie? Ist die Bundestagswahl gelaufen?

Nein, keineswegs. Aber wir müssen kämpfen. Es ist eine große Herausforderung.

„Wir müssen uns mehr als Ruhrgebietler fühlen“

Wenn es um die Region geht, was ist da wichtig?

Der Breitbandausbau muss vorangetrieben, die Verkehrsinfrastruktur verbessert werden. Die A 52 wird ein Thema bleiben.

Gelten denn die Zusagen für den Ausbau mit Tunnel, auch falls es nach der Wahl veränderte Mehrheitsverhältnisse gibt?

Der Bund wird an den Zusagen für den Ausbau festhalten. Die Autobahn A 52 wird kommen.

Eins der zentralen Probleme in der Region ist die hohe Arbeitslosigkeit. Wie wollen Sie das angehen?

Der Arbeitsmarkt wird sich verändern, wir müssen dafür qualifizieren. Und wir müssen schnell Gewerbeflächen entwickeln, aber weg kommen vom Kirchturmdenken. Wenn es um Unternehmensansiedlungen geht, sollten die Städte zusammenarbeiten, wie es bei der IKEA-Ansiedlung an der B 224 der Fall war. Überhaupt müssen wir mehr zu Ruhrgebietlern werden.

Aber wir brauchen auch weiche Standortfaktoren, wie Kinos und Restaurants, um attraktiv für Firmenansiedlungen zu sein. Ganz wichtig ist es, jungen Fachkräften, die hier ausgebildet werden oder studieren, Anreize zu bieten, damit sie bleiben. Vorstellbar ist, dass sich in Gladbeck Institute ansiedeln, die sich aus der Hochschule Ruhr West heraus entwickeln.

>> GERDES IST GELERNTER BERGMANN

Michael Gerdes (57), verheiratet, drei Töchter, ist gelernter Bergmann/Elektrohauer. Er hat auf Prosper Haniel in Bottrop gearbeitet und war bis 2009 freigestellter Betriebsrat.

  • Im Bundestag sind die sozialen Themen sein Schwerpunkt. Bei der Wahl 2009 errang er das Direktmandat mit 42,8 Prozent der Stimmen, 2013 mit 45,8 Prozent der Erststimmen.