Gladbeck. . Seit 25 Jahren berät die Wohnunglosenhilfe der Caritas Menschen in schwierigen sozialen Lagen. 25 Lebensgeschichten werden zum Jubiläum erzählt.

Wer die Tür zur Wohnungslosenhilfe der Caritas an der Humboldtstraße öffnet, hat dafür immer einen guten guten Grund. Seit 25 Jahren ist die Beratungsstelle der Caritas eine wichtige Adresse für Menschen in schwieriger sozialer Lage. Jeder und jede hat eine eigene Geschichte. So wie Christoph (Name geändert), dessen Geschichte hier erzählt wird.

Ein Leben mit der Sucht führte in die Wohnungslosigkeit

Wer Christoph (53) zuhört, der bekommt schöne Geschichten erzählt: Wie er als Jugendlicher auf dem Pausenhof einen Blumenkübel besteigt, um sich von dort oben die Frau für sein Leben auszusuchen. Er findet sie, kämpft ein halbes Jahr um ihre Aufmerksamkeit, später heiraten sie. Oder wie er als Dachdecker viel arbeitet, um einen von zwei Träumen wahr werden zu lassen – ein altes Zechenhaus kaufen oder mit einem Hilfsprojekt nach Afrika gehen und dort Schulen für Kinder bauen. Oder wie er seine Tochter jeden Morgen in den Kindergarten bringt, mit ihr Fahrrad fährt und schwimmen geht.

Doch es gibt noch eine andere Geschichte. Sie handelt von Neugier und Sehnsucht, von Einstieg, Aufstieg und Untergang. Sie ist der rote Faden in seinem Leben. „Den ersten Kontakt mit Drogen hatte ich mit 16. Haschisch, wie die meisten eben“, sagt Christoph. Er beobachtet die damalige Hippie-Szene. „Die waren immer gut drauf, haben einfach in den Tag gelebt“. Das gefiel ihm. So sehr, dass er sich mit 20 selbst die erste Spritze setzt. „Ich bin überzeugt dabeigeblieben. Ich wusste, das ist mein Ding!“ Der rote Faden in seinem Leben: das Heroin. „Glück in Pulverform“ nennt Christoph das braune Zeug. „Mir war klar, wenn ich einmal anfange, dann begleitet es mich mein Leben lang.“

Wohnungslos, Heroinkonsum, Geldprobleme, Beschaffungskriminalität, Knast

Von da an verstricken sich die Geschichten. Der junge Mann arbeitet viel, ist wenig zu Hause, konsumiert. Seine Frau erkrankt psychisch schwer. „Ich konnte sie nicht mehr alleine lassen“, sagt er. Er verliert seinen Job, taucht immer tiefer in die Sucht ein. Es folgen Scheidung und ein verpasster Anschluss an die Arbeitswelt. Die Spirale führt abwärts. Wohnungslosigkeit, starker Konsum, Geldprobleme, Beschaffungskriminalität, Knast. Alles im steten Wechsel. Zechenhaus oder Afrika? In weiter Ferne.

Insgesamt acht Jahre verbringt der heute 53-Jährige im Knast. Die ersten zwei Wochen sind stets durch Entzug geprägt. Rückenschmerzen, Erbrechen, Durchfall, Schüttelfrost – nach einer Woche geht es langsam aufwärts, die Strafzeit wird zur Erholung für den Körper. Seine erste Anlaufstelle nach der Entlassung: Apotheke. Dann Dealer. Dann die nächste Toilette. Dann der Schuss. Willkommen zurück, roter Faden.

Eine Wohnung wurde ihm vermittelt, er zahlte weder Miete noch Strom

1999 führen die Wege Christophs zum ersten Mal zur Wohnungslosenhilfe der Caritas, damals noch in der Johannesstraße. Seitdem ist die Beratungsstelle und Tagesstätte zu einer festen Anlaufstelle für ihn geworden. „Früher war es anders hier, da waren vor allem die Durchreisenden, die Tippelbrüder, hier. Der Alkohol spielte eine viel größere Rolle.“ Heute kommt Christoph zum Frühstücken und Zeitung lesen, vielleicht noch ein Mittagessen und bei Bedarf Unterstützung. Dann geht er Radfahren oder Schwimmen. Eine Wohnung hat er nicht. „Ich schlafe bei einer Freundin, bei Kollegen oder auf der Straße.“

Vor einigen Jahren wurde ihm eine Wohnung vermittelt. „Da habe ich Mist gebaut, Miete und Strom nicht gezahlt.“ Er musste wieder ausziehen. Christoph ist und bleibt wohnungslos.

Satt und sauber - das reicht schon lange nicht mehr 

„Die Obdachlosen, die in unsere Einrichtung kommen, sollen sich hinterher wieder mehr als Mensch fühlen – sauber und satt.“ Mit diesem Zitat des damaligen Caritas-Geschäftsführers Josef Hartz startete im Jahr 1992 das Angebot der Wohnungslosenhilfe in Gladbeck. Aus heutiger Sicht müssen Annette Frerick und Frank Bücher darüber in Erinnerung schmunzeln. Seit der ersten Stunde sind sie die Gesichter dieser Anlaufstelle bei der Caritas, doch in 25 Jahren hat sich viel getan. „Sauber und satt, das reicht heute nicht mehr“, wissen sie. „Heute ist das Thema Wohnungslosigkeit nahezu aus dem Blick verschwunden. Es herrschen andere Themen vor“, so Annette Frerick. Auch die Klienten hätten sich verändert. „Das äußere Erscheinungsbild mit dreckigen Klamotten sieht man heute nur noch ganz selten.“

Vor 25 Jahren sei es tatsächlich darum gegangen, die Betroffenen mit ausreichend Essen und Kleidung auszustatten und ihnen eine Möglichkeit zum Wäsche waschen und Duschen zu bieten. Aus der Tagesstätte und niederschwelligen Anlaufstelle entwickelte sich eine Beratungsstelle. „Am Anfang dauerte es, bis sie verstanden hatten, dass man ihnen auch beratend helfen kann“, sagt Annette Frerick.

Annette Frerick und Frank Bücher sind Ansprechpartner für fast alles

Heute sind sie und Frank Bücher Ansprechpartner für fast alles. Sie unterstützen bei der Wohnraumsuche, bei Anträgen im Job Center, bei Problemen mit anderen Ämtern, bei der Suche nach einem Therapieplatz und vielem mehr. Was sich nicht verändert hat: „Die Bedeutung der Suchtthematik bei unseren Klienten“, so Annette Frerick. Nur die Drogen selbst hätten sich im Laufe der Jahre gewandelt.

Ausstellung mit Geschichten der Klienten und ein Buch zum Jubiläum

25 Jahre Wohnungslosenhilfe sind 25 Jahre voller Geschichten und Ereignisse. Um das Jubiläum entsprechend zu würdigen, entsteht derzeit eine Ausstellung mit 25 Geschichten aus 25 Jahren, die zunächst in den Räumen der Wohnungslosenhilfe zu sehen sein wird. Parallel dazu entsteht ein Buch. Annette Frerick: Und mit unseren Klienten werden wir natürlich auf 25 Jahre zurückschauen.“