Gladbeck. . Von den 612 Kindern, die den Schuleingangstest gemacht haben, konnten 84 kein Deutsch. Mehr als die Hälfte hat die deutsche Staatsangehörigkeit.

  • Die Mitglieder vom Schulausschuss beschäftigten sich jetzt mit dieser alarmierenden Entwicklung
  • Expertinnen vom Kreisgesundheitsamt sprechen von Kindern, die gar nicht auf Deutsch kommunizieren können
  • In keiner anderen Kommune im Kreis Recklinghausen sei das so auffällig wie in Gladbeck

Auffällig viele und immer mehr Kinder, die in Gladbeck eingeschult werden sollen, beherrschen die deutsche Sprache nicht. Alarmierende Zahlen wurden dem Schulausschuss von Vertreterinnen des Kreis-Gesundheitsamtes vorgestellt. Demnach konnten 84 Kinder bei den Schuleingangstests für die Einschulung 2016 kein Deutsch.

„Das Erschreckende ist, dass dies ein Entwicklung ist, die wir vor drei, vier Jahren so nicht hatten“, berichtete Dr. Sabine Wadenpohl. Dass Kinder die deutsche Sprache schlecht beherrschten, das habe es schon gegeben, „aber es war nie so, dass wir mit den Kindern überhaupt nicht kommunizieren können“.

„Eine Größenordnung, die schon Klassen füllt“

Die Zunahme dieser Zahlen sei seit 2014 auffällig, wo 27 Fälle notiert wurden. Ein Jahr später, 2015, waren es schon 61 Kinder und im Vorjahr dann 84. Insgesamt also 162 Kinder, „eine Größenordnung die schon Klassen füllt“. Allein die 2016er Zahl entspreche knapp drei Grundschulklassen, „in denen alle Kinder kein Deutsch sprechen können“, wurde die Gesundheitsberichterstatterin deutlicher.

Diese Entwicklung sei zwar kreisweit zu beobachten, wo 2016 im Durchschnitt sieben Prozent aller getesteten Kinder kein Deutsch sprachen, sei aber in keiner anderen Kreiskommune „so auffällig wie in Gladbeck“ (14 %). In diesen Zahlen spiegele sich zwar schon zum Teil die Zuwanderung von Familien aus Osteuropa wieder, „die Flüchtlingswelle hat da aber noch keine große Auswirkung“, so die Expertin, „das kommt noch in den nächsten Jahren auf uns zu“.

„Sie leben mit ihren Eltern seit sechs Jahren in Deutschland“

Die Fachleute erstaune zudem, so Wadenpohl weiter, dass beim Eingangstest 2016 von den Kindern, die kein Deutsch konnten, mehr als die Hälfte (44) „die deutsche Staatsangehörigkeit haben und in Deutschland geboren sind“. Was bedeute, „dass sie und ihre Eltern seit sechs Jahren in Deutschland leben“, zudem seien nahezu alle diese Kinder in einer Kita angemeldet gewesen.

Die Expertin lobte die Anstrengungen in Gladbeck in den vergangenen Jahren, um die Bildungs- und Sprachfähigkeit von Kindern zu verbessern (z. B. Rucksackprojekt), „die sich nachweislich positiv ausgewirkt haben“. So habe man soziale Risikofaktoren gesucht, die zur schlechten Beherrschung der deutschen Sprache führten.

Familien, die sich stark isolieren

Dieses höhere Risiko treffe allgemein auf Familien mit niedrigem Bildungsstand der Eltern zu. Ein zusätzlicher Risikofaktor ergebe sich, „wenn das Kind zudem aus einer anderssprachigen Familie kommt“. Die hier geborenen Kinder, die kein Deutsch können, stammten teils aus Familien, „die sich sehr stark isolieren, so dass kein Kontakt zu deutschsprachigen Familien oder Kindern besteht“.

Aufgrund ihrer Testergebnisse erstellte das Kreisgesundheitsamt einen Stadtteilplan, wo für Kinder das Risiko am größten ist, mit schlechten Deutschkenntnissen in die Schulkarriere zu starten. Demnach ist der Gladbecker Süden besonders betroffen (siehe Grafik).

Der Schulausschuss stimmte der Finanzierung eines „Sprachförderkonzeptes Süd“ zu.

Kommentar zum Thema

Es ist doch wohl so, dass alle Eltern ihren Kindern einen guten Start in die Schule wünschen. So muss es erschrecken, wenn dann offenbar einige Eltern nicht verstehen (wollen), dass die altersgerechte Kenntnis der deutschen Sprache Voraussetzung ist, damit der Schulstart möglichst problemlos gelingt.

Da gibt es offenbar die eine Gruppe der Eltern, die als Zuwanderer selbst nie lernen gelernt haben. Die selbst kaum alphabetisiert sind, nur über mangelhaftes Deutschkenntnisse verfügen und ihren Kindern so keine Hilfe sein können. Hier muss möglichst schnell und frühzeitig in die Familien gegangen, und Hilfe vermittelt werden.

Unbegreiflicher ist aber die andere Gruppe derer, deren Kinder hier geboren und mit deutscher Staatsbürgerschaft aufgewachsen sind. Eltern, die sich in Gladbecker Wohngebieten bewusst in einer Parallelgesellschaft einigeln – wo der Lebensmittelhändler, Bäcker oder Friseur die Muttersprache spricht, wo es keine Kontakte auch zu deutschen Spielgefährten gibt. Im Sinne der Kinder müssen hier auch Integrationsrat und Moscheevereine aktiv werden und beim Erwerb der deutschen Sprache mithelfen!

Sprachförderkonzept für Kinder im Stadtsüden 

Auf die Verschlechterung der deutschen Sprachkenntnisse bei Einschulungskindern, besonders im Stadtsüden (1. Lokalseite), hat das Amt für Bildung und Erziehung reagiert.

Bettina Weist, Leiterin des Amtes für Erziehung und Bildung.
Bettina Weist, Leiterin des Amtes für Erziehung und Bildung. © Michael Korte

Amtsleiterin Bettina Weist informierte im Schulausschuss, dass die alarmierenden Ergebnisse dem Gladbecker Bündnis für Familien vorgestellt worden seien. Das Plenum habe sich d.afür ausgesprochen, „dass in den nächsten drei Jahren Bündnismittel für die Sprachförderung von benachteiligten Kindern eingesetzt werden sollen“.

Sprachförderkonzept mit Arbeitsgruppe entwickelt

Unter weiterer Beteiligung des Amtes für Jugend und Familien sowie des Amtes für Integration und Sport sei daraufhin bereits das „Sprachförderkonzept Süd“ entwickelt worden. Ein Rahmenkonzept zur Förderung und Verbesserung des deutschen Spracherwerbs im Bildungsraum Brauck/Rosenhügel.

Auf Antrag der Südparkschule soll mit den Bündnismitteln eine zusätzliche pädagogische Sprachförderkraft für 30 Wochenstunden finanziert werden. Das Sprachförderkonzept soll bereits ein halbes Jahr vor der Einschulung bei den Kita-Kindern im Einzugsbereich der Südparkschule ansetzen – und dann in der Schule fortgeführt werden.

Frühzeitiger Kita-Besuch ist wichtig

Dass ein möglichst frühzeitiger und regelmäßiger Besuch einer Kita zum Gelingen des Spracherwerbs beiträgt, dazu hatten die Expertinnen des Kreisgesundheitsamtes bereits bei ihrem Vortrag im Schulausschuss hingewiesen. Dessen Mitglieder zeigten sich geschockt und alarmiert, dass trotz aller bisherigen Bemühungen viele hier aufwachsenden Kinder kein Deutsch können. „Das ist bitter und zeigt die Grenzen des Einflusses, den man auf die Familien hat“, so Volker Musiol (SPD, der, wie später auch Michael Dahmen (CDU), darum bat, das Thema in gemeinsamer Sitzung mit Jugendhilfeausschuss und Integrationsrat weiter zu erörtern. Denn klar wurde, dass ein Gesamtkonzept entwickelt werden muss, um die Eltern der gefährdeten Kinder möglichst früh mit ins Boot zu holen.

Der Schulausschuss empfahl einstimmig die Freigabe finanzieller Mittel von 88 500 Euro für das „Sprachförderkonzept Süd“.