Gladbeck. Die zehn wichtigsten Fragen und Antworten zu dem demokratischen Vorgang, der bundesweit 51 Millionen Wahlberechtigten zur Stimmabgabe bittet

Sozialwahl? Was ist das? Wie den meisten Deutschen gibt sicher auch vielen Gladbeckern die Sozialwahl ein Rätsel auf. Denn obwohl sie nach der Europa- und Bundestagswahl deutschlandweit die meisten Wahlberechtigten zur Stimmabgabe bittet, besteht nur eine schemenhafte Ahnung, worum es bei der Abstimmung geht. Die Redaktion beantwortet die zehn wichtigsten Fragen und erklärt, warum es Sinn macht, sein Kreuzchen zu machen.

1 Warum wird gewählt? Die gesetzliche Sozialversicherung in Deutschland ist selbstverwaltet. Das heißt, Versicherte haben ihr eigenes Parlament mit der Vertreterversammlung bei der Deutschen Rentenversicherung sowie dem Verwaltungsrat der Ersatzkassen, die quasi die Regierung bilden. Mit der Sozialwahl wird bestimmt, wer im Parlament der Sozialversicherung sitzt und dort die wichtigen Entscheidungen in Ausschüssen trifft.

2 Wer darf wählen? Alle zahlenden Mitglieder der Sozialversicherungen, die mindesten 16 Jahre alt sind, sind wahlberechtigt. Das sind zurzeit 51 Millionen Menschen. Die Zahl setzt sich aus dem Großteil der Versicherten und Rentner der Deutschen Rentenversicherung (Bund, Saarland) sowie den Mitgliedern der Ersatzkassen (Barmer, TK, DAK, KKH und hkk) zusammen. Auch die Arbeitgeber wählen. Wer bei beiden Institutionen versichert ist, erhält zwei separate Wahlbriefe, zudem Unfallversicherte sogar drei.

3 Wann wird gewählt? Die Wähler erhalten Stimmzettel und Rücksendekuvert bis Mitte Mai. Sie können sofort nach Erhalt der Unterlagen bis zum 31. Mai wählen. Für Mitglieder der Barmer findet aufgrund der Fusion mit der BKK ein späterer Wahltermin statt. Die Unterlagen werden Anfang September zugesandt und die Wahlfrist endet hier am 4. Oktober.

4 Wer steht zur Wahl? Die Sozialwahl ist eine Listenwahl und keine Personenwahl. Ersatzkassen und Organisationen wie zum Beispiel die Gewerkschaft Verdi oder die Katholische Arbeitnehmer Bewegung (KAB) treten als Liste an. Pro Stimmzettel darf eine der aufgedruckten Listen angekreuzt werden. Im Parlament arbeiten ausschließlich ehrenamtliche Vertreter. Sie erhalten lediglich Reisekosten erstattet und Sitzungsgelder als kleine Aufwandsentschädigung. Theoretisch kann sich jeder Versicherte mit einer eigenen freien Liste zur Wahl stellen, dafür sind 2000 Unterstützerunterschriften nötig.

5 Worüber entscheidet das Parlament? Die Vertreter beschließen zum Beispiel über den Haushalt, über die Gestaltung neuer Leistungen, berufen den Vorstand und entscheiden beispielsweise auch über Fusionen. Kritisiert wird an der propagierten ehrenamtlichen Selbstverwaltung der Sozialversicherung aber, dass der Einfluss des Parlamentes tatsächlich eher gering ist, da 95 Prozent der milliardenschweren Haushaltsausgaben im Renten- und Krankenversicherungssystem gesetzlich geregelt sind. Auch über die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge entscheidet letztlich der Gesetzgeber.

6 Warum ist die Sozialwahl wichtig? Der Gesetzgeber hat die Sozialwahl als festen Bestandteil der Demokratie in Deutschland verankert. Sie ist seit 1953 bewährtes Modell des Interessensausgleiches. Denn das Sozialgesetzbuch legt fest: Die Selbstverwaltung gewährleistet die Eigenständigkeit der Sozialversicherungsträger. Nicht der Staat, sondern Versicherte, Rentner und Arbeitgeber verwalten ehrenamtlich die Sozialversicherung. Nach dem Motto: Man zahlt nicht nur Beiträge, man hat auch Einfluss darauf, wie diese Beiträge verwendet werden. Dies soll zum sozialen Frieden beitragen.

7 Welchen Nutzen hat der Versicherte? Die gewählten Vertreter in der Selbstverwaltung sind auch verantwortlich für Leistungen, die den Versicherten direkt zugutekommen. Ob Rehabilitationsleistungen oder Wahltarife, wenn es um die konkreten Interessen der Versicherten geht, entscheiden die gewählten Vertreter. Sie stellen auch sicher, dass die eingezahlten Gelder der Beitragszahler sparsam verwendet werden. Über Widerspruchsausschüsse können Versicherte auf Antrag auch Entscheidungen des Versicherungsträgers anfechten. Außerdem werden von der Selbstverwaltung bundesweit etwa 2600 Versichertenvertreter gewählt, die in den Kommunen vor Ort die Versicherten ehrenamtlich, zum Beispiel bei Fragen rund um die Rente, beraten.

8 Warum kann man noch nicht online wählen? Obwohl dies im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien vorgesehen war, hat der Bundestag bislang noch kein Gesetz zur Möglichkeit von Onlinewahlen auf den Weg gebracht. Auch die Sozialwahl 2017 bleibt so eine reine Briefwahl. Die Sozialversicherungsträger setzen sich grundsätzlich für die Einführung von Online-Wahlen ein, wobei die notwendige Datensicherheit auf jeden Fall gewährleistet sein müsste.

9 Was kostet die Sozialwahl? Neben der Produktion der Wahlunterlagen und Informationsbroschüren entstehen die Hauptkosten durch das Briefwahl-Porto. 2011 lagen die Kosten pro Wahlberechtigtem unter einem Euro. Sie summieren sich so auch für die aktuelle Wahl auf einen Betrag von mehr als 40 Millionen Euro.

10 Wann und wie wird das Wahlergebnis festgestellt? Nach dem Wahlende am 31. Mai werden die Stimmen ausgezählt und das Wahlergebnis ermittelt, dabei wird nach dem Verhältniswahlrecht (d’Hondtsches Höchstzahlverfahren) vorgegangen. Für die Listen gilt eine Hürde von fünf Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen, um berücksichtigt zu werden. Spätestens zwei Wochen nach Ende der Wahl sind alle Stimmen ausgezählt.

Versichertenberater für Ratsuchende im Ehrenamt

Wenn ich nicht immer wieder in den Gesprächen erfahren würden, wie die sozialversicherten Menschen mit ihren Fragen allein gelassen werden, würde ich dieses Ehrenamt wohl nicht mehr machen“, sagt Uwe Zulauf. Der Butendorfer ist einer der bundesweit 2600 vom Selbstverwaltungsparlament gewählten Versichertenberater.

Er selbst hat sein Mandat als Listenvertreter der Deutschen Rentenversicherung Bund erhalten, „wobei meine kostenfreie Beratung von allen Sozialversicherten und Rentnern in Anspruch genommen werden kann“, unterstreicht der 50-Jährige. Seit mehr als 20 Jahren schon ist Zulauf im ehrenamtlichen Einsatz. Er ist einer von insgesamt sechs Versichertenberatern in Gladbeck. „Ich habe mich in der Selbstverwaltung und als Berater engagiert“, sagt Zulauf, „weil ich einerseits Interesse an der Sozialpolitik habe und andererseits Menschen helfen möchte, mit der komplizierten Thematik im Rentenrecht klarzukommen“.

„Ich verstehe die ganze Fachsprache nicht“

Der Butendorfer weiß, wovon er spricht, denn er ist als Geschäftsführer der DAK in Bochum und dem Ennepe-Ruhr-Kreis tätig. Viele Gladbecker, die Rat suchten, kämen mit Antragsformularen und oft der gleichen Aussage zu ihm, „diese ganze Fachsprache, ich verstehe das alles nicht“. Zulauf wird dann quasi zum Übersetzer des Papierkrams und hilft beim Ausfüllen der Anträge, zum Beispiel für Leistungen zur Rehabilitation in Verbindung mit Krankengeld.

Ihn erstaune immer wieder, sagt Zulauf, „dass viele Versicherte gar nicht wissen, dass es die kostenlosen und vor allem auch rechtsverbindlichen Auskünfte des Versichertenberaters gibt“.

Immer wieder anrührende Momente

Wenn die Menschen dann zu ihm fänden, komme es immer wieder „auch zu anrührenden Momenten“, sagt Zulauf, die ihn bestärkten „das Richtige zu tun“. Etwa, wenn die betagte Witwe ebenso wie die plötzlich alleinerziehende Mutter von vier minderjährigen Kindern nach dem Tod ihres Mannes völlig unsicher, wie es mit ihrer Existenzsicherung nun weiter gehe, vor ihm sitze. „Und dann ganz erleichtert ist, wenn ich ihr die Sorge mit dem Antrag zur Witwenrente und möglicherweis weiteren Beihilfen nehmen konnte“.

Uwe Zulauf appelliert, das Recht zur Sozialwahl wahrzunehmen. „Denn der Großteil der Menschen ist gesetzlich versichert und unterliegt dem Versicherungszwang – aber man kann dabei immerhin mitbestimmen, mit der Sozialwahl!“

Alle Versichertenberater in Gladbeck:

  • Kontakt zu Uwe Zulauf: Lukasstr. 10a, Tel. 276390.
  • Weitere Versichertenberater: Bernhard Brokamp Gartenstr. 6, Tel. 681393;
  • Michael Wegner, Eggebrechtstr. 12c, Tel. 989345 ;
  • György Angel, Emscherstr. 2c, Tel. 39572;
  • Joachim Praetsch, Vehrenbergstr. 69, Tel. 374905
  • Manfred Gornik, Mathiasstraße 90, Tel. 4010981 (alle Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn See)