Gladbeck. . Brauereichef Axel Stauder lud die Gäste zur Freibierrunde und servierte selbst. Anlass ist der 150. Geburtstag der Essener Privatbrauerei.
Bei Axel läuft’s heute wieder so richtig in Gladbeck. Nee, nichts mit Füßen. Der goldgelbe Gerstensaft ist gemeint, der in der Traditionsgaststätte Surmann leicht zischend nach und nach gekonnt in die Gläser fließt. Der Axel am Zapfhahn ist dabei nicht irgendein Köbes, der Bier serviert, sondern der Schöpfer des Brauproduktes selbst. Denn mit Nachnamen heißt er Stauder und so wird er bei aller Leutseligkeit freilich auch mit Respekt von Gästen und Wirten im Haus Surmann angesprochen. „Der Herr Stauder zapft hier heute höchstpersönlich“, raunen sich Gasthausbesucher zu, die erst jetzt von der auch in der WAZ angekündigten Aktion an der Horster Straße 1 erfahren haben.
Dass der Geschäftsführer der Privatbrauerei so unaufdringlich sympathisch und hemdsärmelig hinterm Tresen steht, kommt freilich nicht von ungefähr. Die Bierexperten aus Essen begehen dieses Jahr das 150-jährige Bestehen der Brauerei – „und das wollen wir auch mit den Menschen feiern, die unser Bier mögen“, sagt er.
Bierbrauer und Fassbinder Theodor Stauder wanderte aus Unterfranken ins Ruhrgebiet ein
Die Brautradition der Familie begann 1867, indem der aus Unterfranken stammende Bierbrauergeselle und Fassbinder Theodor Stauder in das industriell aufstrebende Städtchen im Ruhrgebiet einwanderte und die Hausbrauerei Schlicker pachtete. Theodors Sohn war dann derjenige, der den Grundstein für das eigentliche Imperium legte. Er kaufte das Grundstück, verlagerte 1888 die Brauerei nach Altenessen und ließ sie in das Königlich Preußische Firmenregister eintragen: Privatbrauerei Jacob Stauder. Bis heute trägt die Bierschwemme so seinen Namen.
Die Familientradition wird seit 2005 in sechster Generation von Axel Stauder, 49 Jahre alt (Produktion, Logistik), und seinem Cousin Thomas (Vertrieb, Marketing) fortgeführt. Wobei die heutigen Firmenchefs den Firmengründer nicht nur im Nachnamen forttragen.
Lockere Plauderei am Stammtisch
So ist in der Plauderei am Stammtisch vom offenherzigen Herrn Stauder zu erfahren, dass er vollständig Axel Hans-Jacob Alfons heißt und sein Cousin Thomas Peter Jacob (auch das Jubiläumsbier zum 150. heißt übrigens Jacob). Denn der Brauerei-Erbe zapft nicht nur am Tresen seine Runden, sondern er dreht sie auch durch den Gastraum, setzt sich zu den Gästen und gibt dort welche aus, Freibier Marke Stauder.
Die Kneipentische sind bis auf den letzten Stuhl beziehungsweise Hocker am Tresen besetzt, auch der zusätzlich aufgestellte Stehtisch reicht nicht, einige Gäste stehen plaudernd im verbliebenen Freiraum, durch den sich auch die freundliche Bedienung mit vollem Pils-Tablett kämpft.
Pensionärin erzählt vom Berufsleben als Sekretärin von Dr. Claus Stauder
Kneipenleben in Reinkultur. Und der Herr Stauder kann unverhofft selbst charmante Firmengeschichte in Gladbeck wiedertreffen. An einem Tisch stößt nämlich gerade Heidi Schulte in der Freundesrunde mit Pilsken an. Die attraktive 70-Jährige erzählt, dass sie „ihr ganzes Berufsleben mit Bier verbracht hat“. Die heutige Stauder-Pensionärin schaffte nämlich einst im Sekretariat von Dr. Claus Stauder, und kennt so auch den Sohnemann. Sie sei von Stauder übernommen worden, als die Stern-Brauerei aufgekauft wurde, wo sie zuvor arbeitete.
Wie die Namen vieler Brauereien, so sind auch die Namen vieler Traditionskneipen in Gladbeck Vergangenheit, in denen einst das Bier reichlich aus dem Zapfhahn sprudelte: Wormland, Vennemann oder van Suntum. Kneipensterben, vor dem das Haus Surmann bewahrt werden konnte, das mittlerweile selbst stolze 107 Jahre Kneipenkultur repräsentiert. „Und Stauder wird hier schon seit den 1920er Jahren ausgeschenkt“, so Axel Stauder.
Haus Surmann selbst hat eine lange Tradition - Stauder wird seit den 20er Jahren hier gezapft
Viele Stammgäste sind mit der Kneipe groß geworden. „Mit Vater oder Opa ging es schon im Kinderwagen am Samstag zum Haus Surmann. Die Frauen haben dann in der Stadt eingekauft, die Männer mit Pilsken gewartet“, erzählt Manfred Kasa (56). Er erinnert sich auch gern an das Stückchen Fleisch- oder Mettwurst, das es für ihn als Köttel auf die Hand gab. Die Quängelware wurde im Haus Surmann wie alle Speisen einst durch den kleinen Speisenaufzug von der Küche oben in den Gastraum per Seilzug nach unten transportiert, was ihn besonder fasziniert habe.
Selfies: Auf ein Pilsken mit dem Promi
Nachwuchs ist auch jetzt gut im Schankraum vertreten, allerdings im pilslegalen Konsumentenalter. Selfies mit dem Promi werden geschossen und sogleich stolz via Handy in Netzwerke gepostet. Motto: „Ich auf ein Pilsken mit Herrn Stauder.“ Erklärter Stauder Fan ist auch Tobias Graeve (26), der es sich im Jubiläumsjahr zum Hobby gemacht hat, dem Firmenchef zu den Zapfaktionen nachzureisen. Die Popularität bei der Jugend erklärt der bärtige Bierfreund damit, „dass es einen Trend zurück zu guten, handgemachten familiären Produkten gibt“. Apropos handgemacht, der Herr Stauder steht schon wieder am Zapfhahn. Wie schon gesagt, bei Axel läuft’s heute so richtig.
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„Das Überleben der Traditionsgaststätte Haus Surmann wäre nicht ohne das Engagement der Wirte möglich“, zollt Brauereichef Axel Stauder auch der mehr als 100-jährigen Kneipengeschichte an der Horster Straße Respekt.
Vielen Gladbeckern unvergessen sind die Tresen-Originale, die auf Paul Surmann folgten wie Alfred Pütter oder dessen Schwiegersohn Joachim Seifert. Heutzutage hat das neue Wirtepaar Tanja Jazbec (40) und Christian Ruczienski (51) die Regie am Zapfhahn übernommen. Der Opa habe sie schon im Kinderwagen zum Frühschoppen am Wochenende mit zu Surmann genommen, erzählt die Gladbeckerin. Ehrensache, dass die Bierschwemme auch später ihre Stammkneipe wurde, so dass sie mitbekommen habe, „als neue Wirte gesucht wurden“.
Ein, zwei Wochen habe sie mit Partner Christian noch gezögert, dann entschieden: „Wir machen das“. Für sie ist die Kneipe jetzt Nebenerwerb und Hobby zugleich. „Die vielen guten Gespräche mit unseren lieben Gästen, das macht mir besonders Spaß“. Derweil der Ehemann im Hauptberuf hinterm Tresen steht, hat Wirtin Tanja aber noch einen anderen Vollzeitjob. „Allein vom Bierverkauf könnte unsere Familie nicht leben“. Die Wirtsleute schätzen ihre Stammgäste, darunter die Marinekameradschaft, die Schützen Mitte oder ein Knobelstammtisch.
Das Sieben-Minuten-Pils ist ein Mythos!
Axel Stauder räumt derweil mit einem Mythos am Zapfhahn auf: „Dass ein gepflegtes Bier mindestens sieben Minuten Zeit braucht.“ Das sei mal in der Anfangszeit so gewesen, als das Bier noch stark schäumend aus dem angestochenen Fass sprudelte. Bei gut eingestellten modernen Zapfanlagen lasse sich das Bierglas aber in einem Schwung fast schaumlos füllen. „Dann noch kurz ein paar Sekunden warten, bis es sich im Glas gesetzt hat, noch einen Schuss für eine schöne Schaumkrone darauf und fertig“ – demonstriert der studierte Bierprofi gekonnt.
Freilich habe sich das Konsumverhalten über die Jahre genau umgedreht. „Etwa 80 Prozent des Stauders wird in Flaschen konsumiert und nur noch 20 Prozent über Fassanstich in Gaststätten.“ Derweil Stauder die Kneipentradition im Umland pflege, „so dass unser Fassanteil in der Produktion doppelt so hoch ist wie bei Mitbewerbern“.