Gladbeck. Eltern an der Josefschule wünschen sich eine flexibelere Handhabung. Die Stadt verweist auf den verpflichtenden Ministerialerlass.
- Nicht nur Eltern an der Gladbecker Josefschule wünschen sich eine flexibelere Handhabung
- Die Stadt verweist auf den Ministerialerlass, der die Nachmittagsbetreuung der Schulpflicht gleichstellt
- Eine Elterninitiative hat eine Petition gestartet, die noch bis zum 14. Februar unterzeichnet werden kann
Mehr Flexibilität im Umgang mit dem Besuch der Offenen Ganztagsschule wünschen sich Eltern der Josefschule in Rentfort. „Es kann doch nicht sein, dass unsere Kinder strikt an fünf Tagen bis mindestens 15 Uhr die Offene Ganztagsschule besuchen müssen. Ein flexibler Tag pro Woche, wo die Kinder mal eher von der Nachmittagsbetreuung abgeholt werden, sollte den Familien ermöglicht werden“, sagt Daniela Borgwerth. Der Unmut betreffe nicht nur ihre Grundschule, sondern sei auch bei Eltern an der Pestalozzi- oder Wilhelmschule ein Thema, so die Rentforterin.
Bis vor den Sommerferien sei der OGS-Besuch vom Träger, der Awo, auch sehr elternfreundlich gehandhabt worden, erzählt Thomas Borgwerth weiter, „genau so, wie man uns auch bei der Anmeldung erzählt hat, dass der OGS-Besuch an mindestens drei Tagen pro Woche erfolgen muss“.
Einrichtungen werden kontrolliert
Ernst Cluse, Leiter des Geschäftsbereiches Schulen beim Awo-Unterbezirk Münsterland-Recklinghausen verweist auf WAZ-Anfrage auf die Vorschriften und sagt, dass größere Flexibilität nicht mehr möglich sei da die Gemeindeprüfungsanstalt im Auftrag der Landesregierung jetzt eng überprüfe, ob die Vorschriften der mit Landesmitteln finanzierten Einrichtungen eingehalten werden. So seien im Vorjahr im Kreis Recklinghausen Offene Ganztagsgrundschulen in Oer-Erkenschwick und Waltrop kontrolliert und auf Einhaltung des Ministerialerlasses hingewiesen worden, da dort angemeldete Kinder teils nur drei Tage pro Woche die OGS besuchten.
„Wahrscheinlich wurde uns darum auch zum Beginn des neuen Schuljahr mündlich mitgeteilt, dass es die Abholzeit um 14 Uhr nicht mehr gibt“, so Daniela Borgwerth. Daraufhin habe es große Irritation und im September Treffen von Elternvertretern mit Vertretern der Awo und der Stadt gegeben, wobei auf die Weisung des Ministerialerlasses hingewiesen und die Einhaltung der Fünf-Tage-Regelung bekräftig worden sei. „Wir haben daraufhin im Oktober eine anonyme Bedarfsabfrage unter den Eltern der Josefschule gestartet, mit dem Ergebnis, dass nur 38 Prozent die strikte Betreuungsregelung wünschen.“
OGS erweitert das Bildungsangebot
Schuldezernent Rainer Weichelt verweist gegenüber der WAZ darauf, dass 2003, „nach dem schlechten Abschneiden in der Bildungsstudie PISA“, das offene Ganztagsangebot mit dem Ziel eingeführt worden sei, „nicht nur das verlässliche Betreuungs- sondern auch das Bildungsangebot zu erweitern“. Entsprechend sei der Besuch der OGS „der Schulpflicht gleichgestellt“, gleichwohl aber ein freiwilliges Angebot, das Eltern für ein Jahr abschließen könnten oder nicht.
Die Fünf-Tage-Regel sei dann klar in dem Betreuungsvertrag, „den die Eltern unterzeichnen“, schriftlich festgehalten. Weichelt: „Natürlich gibt es aber die Möglichkeit, die Kinder mal begründet abzumelden.“ Um den Eltern entgegen zu kommen, habe die Stadt reagiert und wolle an der Josefschule 15 zusätzliche Plätze für das Betreuungsangebot der Verlässlichen Grundschule (8 bis 13 Uhr) einrichten.
Landespolitik ist grundsätzlich zuständig
Der Schuldezernent verweist weiter darauf, dass für eine grundsätzliche Änderung des Betreuungszeitrahmens an den Offenen Ganztagsschulen „die Landespolitik zuständig ist“. Dort hoffen die Borgwerths – wie weitere Gladbecker Eltern – auf Gehör: „Wir unterstützen die Petition der Elterninitiative `Für eine familienfreundliche Offene Ganztagsschule in NRW’, an der sich bis Mitte Februar noch weitere Eltern beteiligen können“ (siehe unten).
„Tim spielt nicht mehr mit. Er muss dienstags in der Schule bleiben.“ Mit aussagekräftigen Plakaten – wie dem Jungen, der wegen des strikt gehandhabten OGS-Besuchs bis mindestens 15 Uhr nicht mehr am Vereinssport teilnehmen kann – weist die Elterninitiative für eine familienfreundliche und flexible offene Ganztagsschule in NRW (EFFOGS) auf ihre bis 14. Februar laufende Petition via Internet hin.
Bislang 97000 Unterstützer für die Petition
Durch den jetzt strikt zu beachtenden Ministerialerlass sei eine Teilnahme an der OGS an nur ein paar Tagen in der Woche „somit nicht mehr möglich“. Betroffene Kinder könnten so „nicht an außerschulischen Aktivitäten (Vereine, Ehrenämter, Freundeskreise) teilnehmen“. Insbesondere Vereine sorgten aber „für einen wichtigen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und eine gesunde Sozialisierung der Kinder“ begründet die Elterninitiative, die so die bestehende Regelung „für familienfeindlich und nicht im Sinne des Kindeswohls“ bewertet.
Eltern und Kinder müssten die Möglichkeit haben, gemeinsame Freizeiten selbst planen und nutzen zu können. Aus diesem Grund werden die Ministerin für Schule und Weiterbildung, Sylvia Löhrmann, sowie die NRW-Landesregierung dazu aufgefordert, „die Regelung im Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 23. 12. 2010 ‘Offene Ganztagsschule im Primarbereich’ zu lockern“.
Bislang haben die via Internet (openpetition.de) veröffentlichte Petition mehr als 9700 Unterstützer unterzeichnet.
Ministerialerlass gibt den Rahmen vor
„Der Zeitrahmen offener Ganztagsschulen im Primarbereich (§ 9 Absatz 3 SchulG) erstreckt sich unter Einschluss der allgemeinen Unterrichtszeit in der Regel an allen Unterrichtstagen von spätestens 8 Uhr bis 16 Uhr, bei Bedarf auch länger, mindestens aber bis 15 Uhr.“ Diese verbindliche Regelung gibt der Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 23. Dezember 2010 „Gebundene und offene Ganztagsschulen sowie außerunterrichtliche Ganztags- und Betreuungsangebote in Primarbereich und Sekundarstufe 1“ vor.
Im Vorjahr hat das Gemeindeprüfungsamt (GPA) im Auftrag der Landesregierung im Kreis Recklinghausen begonnen, die ordnungsgemäße Durchführung des OGS-Angebotes in den Kommunen zu überprüfen. Schließlich gewährt das Land eine jährliche Pauschale von 995 Euro pro angemeldetem Kind, um die Durchführung des OGS-Angebotes finanziell zu unterstützen. Die Stadt Gladbeck hätte demnach einen Eingenanteil von ‘nur’ 435 Euro pro Kind zu leisten. Die Verwaltung überweist indes eine Kopfpauschale von 1980 Euro an die OGS-Träger in Gladbeck. Damit soll auch der in gemeinsamen Qualitätszirkeln festgelegte Bildungs- und Betreuungsstandard ermöglicht werden. Neun der zurzeit 13 Einrichtungen werden von der Awo, zwei von Elterninitiativen und der Rest vom Caritasverband betreut.
Keine Elternbeiträge für die meisten OGS-Schüler
Neben der Finanzierung über öffentliche Gelder werden für das OGS-Angebot (wie bei den Kindergärten) Elternbeiträge erhoben. Ihre Höhe richtet sich nach dem Einkommen, maximal bis zu 180 Euro pro Monat.
Mit 1002 Kindern besuchten 2016 mehr als 40 Prozent der Grundschüler eine OGS. Für mehr als die Hälfte werden keine Beiträge aufgrund zu geringen Einkommens/Geschwisterkind-Regelung gezahlt.