Gladbeck. . Hebammen geben Tipps für die Praxis. Für Gladbeck wären 50 Geburten pro Jahr ein guter Start. Netzwerk-Verein hilft bei Neugründungen.

  • In Essen haben sich fünf Hebammen zusammengeschlossen und ein Geburtshaus gegründet
  • Sie berichten von ihren Erfahrungen beim Schritt in die Selbstständigkeit
  • Die Gladbecker SPD lädt am Donnerstag zur Diskussion über ein Gladbecker Geburtshaus in den Bürgertreff Butendorf

„Ein Geburtshaus für Gladbeck - ist das machbar?“ – unter dieser Überschrift lädt die SPD kommenden Donnerstag zum Infoabend ein. Dass ein Geburtshaus keine schwere Geburt sein muss und durchaus machbar ist, weiß Elke Dickmann-Löffler ganz genau. Die Betriebswirtin ist Vorstand des Vereins „Netzwerk der Geburtshäuser in Deutschland“ mit Sitz in Bonn und hat schon etliche Gründerinnen beratend begleitet. Auch Hebamme Katja Stöhr, Mitgesellschafterin im Geburtshaus Essen, hat den Schritt in die Selbständigkeit nie bereut. Im Gespräch mit der Redaktion erklären die Fachfrauen wissenswerte Fakten zum Thema.

Hebamme Katja Stöhr beim Wiegen der neugeborenen Klara l
Hebamme Katja Stöhr beim Wiegen der neugeborenen Klara l © MICKE, Klaus

Elke Dickmann-Löffler rechnet vor, welche Kapazität ein kleines Geburtshaus haben sollte: „Etwa 100 Quadratmeter mit Kursraum und einem Geburtszimmer.“ Neben der monatlich zu stemmenden Miete sollte nicht vergessen werden, dass vorab einige Investitionskosten für Umbau/Renovierung, Möblierung und Ausstattung, Verbrauchsmaterialien, Kaution, Krediten und Reserven für Unvorhergesehenes eingeplant werden. Eine Summe von 20 000 Euro (zuzüglich Umbaukosten) empfiehlt die Fachfrau für das unternehmerische Baby, „die für drei Partnerinnen aber machbar ist.“

50 Geburten wären ein guter Start

Vor der Gründung eines Geburtshauses in Gladbeck „muss zur Rentabilität auch vorab realistisch bedacht werden, wie groß das Einzugsgebiet ist und wie viele Geburtshaus-Geburten pro Jahr zu erwarten sind“, sagt Vereinsvorstand Elke Dickmann-Löffler.

Laut St. Barbara-Hospital waren es bislang mehr als 500 Kinder, die pro Jahr in Gladbeck im Krankenhaus entbunden wurden. Wenn es gelänge, „davon zehn Prozent der Familien für das Geburtshaus zu gewinnen, wäre das ein guter Start“, so die Betriebswirtin. In den Geburtshäusern würden deutschlandweit im Durchschnitt je 60 Babys jährlich geboren.

Bei Komplikationen müssen die Frauen in eine Klinik

Dies sei auch in Essen der Fall, berichtet Hebamme Katja Stöhr. Mehr Frauen seien zwar für die Geburt im Geburtshaus pro Jahr vorgesehen, „man muss aber etwa 20 Prozent der Frauen immer abziehen, die aufgrund von Komplikationen wie etwa Bluthochdruck oder Schwangerschaftszucker dann doch in einer Klinik entbinden müssen.“

Denn welche Geburten mit bis zu welcher Art von Komplikation im Geburtshaus stattfinden dürfen und welche nicht, welche Qualitätsstandards einzuhalten sind, das schreibe der umfangreiche Rahmenvertrag der Krankenkassen vor. Mit dem Vorteil: „Wenn man sich an den Rahmen hält, verläuft die Abrechnung problemlos“. Der Verein zur Förderung der Idee der Geburtshäuser in Deutschland bietet Hebammen als Existenzgründerinnen eine kostenlose Erstberatung.

Zur Einrichtung im Essener Geburtshaus gehört auch eine Gebärwanne.
Zur Einrichtung im Essener Geburtshaus gehört auch eine Gebärwanne. © Geburtshaus Essen

Feste Gebührensätze für alle Hebammenleistungen

Positiv sei, dass sich in den letzten Jahrzehnten seit Gründung des ersten Geburtshauses vor gut 30 Jahren einiges verändert habe, was die Refinanzierung der Kosten erleichtere. „Für alle Hebammenleistungen gibt es feste Gebührensätze, die von der Krankenkasse direkt an das Geburtshaus beziehungsweise die Hebamme vergütet werden“, so Elke Dickmann-Löffler.

Krankenkassen übernehmen die Betriebskosten pauschal

Gleiches gelte für die Betriebskosten des Hauses mitsamt den Personalkosten, etwa für das Reinigungspersonal. „Die Krankenkassen gewähren hier eine Pauschale von 707 Euro pro begonnener Geburt im Geburtshaus.“ Nur die 24-Stunden-Rufbereitschaftspauschale der Hebammen für den Zeitraum von drei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin bis zwei Wochen danach werde privat in Rechnung gestellt.

Wie viele andere Geburtshäuser berechne das Team in Essen für die Rufbereitschaft 500 Euro, erklärt Katja Stöhr. „Viele Krankenkassen übernehmen aber anteilig die Erstattung dieser Pauschale von bis zu 250 Euro, so dass nur der Rest privat zu zahlen ist“.

Gründung einer GbR wegen des Refinanzierungsrisikos

In Essen haben sich fünf Hebammen zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammengeschlossen, um das Geburtshaus gemeinsam zu tragen. „Eine GmbH wäre für uns bezogen auf die persönliche finanzielle Haftung zwar interessanter gewesen“, so Stöhr. Man habe sich wegen des höheren Refinanzierungsrisikos vor 18 Jahren aber dagegen entschieden, „da den Krankenkassen anders als bei der GbR vorbehalten ist, ob sie die Rechnung von einer GmbH zahlen oder nicht.“

Kontakt zum Verein

Kontakt zum Verein zur Förderung der Geburtshäuser: Vorstand Elke Dickmann-Löffler 0171-80 80 236 oder via Internet und E-Mail: info@netzwerk-geburtshaeuser.de