Gladbeck. . Seit zehn Jahren arbeitet Sprachtherapeutin Deborah Rink mit ihren Golden Retrievern zusammen. Wie die Hunde Kindern beim Sprechen helfen können.
Milosz spricht nicht gerne. Es fällt ihm schwer, die richtigen Worte zu finden. Und weil das so ist, schweigt der Siebenjährige oft einfach. Allein: Wie sollen Nelly und Mathilda wissen, was er von ihnen will, wenn er es nicht sagt? Also holt Milosz tief Luft und sagt: „Nelly, komm.“
Nelly kommt. Nelly sitzt, wenn das Kind sie darum bittet. Und das Tollste: Nelly fragt nicht nach und verbessert auch nicht, wenn Milosz sich mal vertut. Das ist wohl das Erfolgsrezept der beiden Golden Retriever, die ihre Besitzerin Deborah Rink (41) bei deren Arbeit als Sprachtherapeutin unterstützen.
Hunde kritisieren die Patienten nicht
Anders als die Menschen kümmern sich die Hunde nicht um Richtig oder Falsch. Für sie ist nur wichtig, dass die Patienten gut zu ihnen sind. „Das motiviert die Kinder“, sagt Deborah Rink.
Vor zehn Jahren kam Nelly als Welpe zu ihr, von Anfang an war klar, dass sie in der Therapie mithelfen sollte. Weil es damals noch keine richtige Ausbildung für Therapiehunde gab, suchte sie sich die Erziehungsbausteine zusammen, unterstützt von ihrer damaligen Kollegin Annika Spiegel. Ein Jahr später kam Mathilda ins Team, das seither aus den zwei Golden Retrievern und der Diplom-Pädagogin besteht.
Auch Menschen mit Demenz schätzen die Hunde
Zusammen therapieren sie Kinder, die nicht richtig sprechen können, in der Praxis Watanabe an der Friedrichstraße. Außerdem besuchen sie auch Menschen, die den Kontakt zum Leben verlieren, arbeiten zum Beispiel bei der Awo in Gelsenkirchen mit Patienten, die an Demenz leiden. Den Erkrankten helfe es oft schon, einfach nur über das Fell der Hunde zu streicheln.
Irgendwie schaffen es die freundlichen Tiere mit dem blonden Fell, Vertrauen zu schaffen und Menschen zum Sprechen zu bringen. Sogar beim Lesenlernen helfen sie. Ihnen vorzulesen gefällt sogar Kindern, die sonst niemals freiwillig laut lesen würden.
Vierbeiner stärken das Selbstwertgefühl
Dass jemand einfach zuhört, ohne sofort zu verbessern, ist für sie neu. „Weil alles, was die Kinder bisher gemacht haben, irgendwie doof war“, erklärt Deborah Rink, sei die Anwesenheit der Hunde besonders heilsam. „Der Hund würde nie sagen, du hast was falsch gemacht.“ Das hilft, das Selbstvertrauen zu stärken, das bei vielen Patienten so gelitten hat.
Dass Nelly und Mathilda aber nicht einfach nur herumsitzen oder -liegen, zeigt sich in Miloszs Therapiestunde. Klar, die Hauptarbeit muss der Junge machen. Er soll Spielzeugtiere und Lebensmittel sortieren.
Zuerst muss er sagen, was er sieht. „Salat“ geht ihm leicht von der Zunge, auch „eine Wurst“ benennt er sofort. Beim Wort „eine Tasche“ muss die Therapeutin kurz aushelfen.
„Die Tiere kommen auf die Wiese, und das Essen in den Korb“, lautet die Anweisung. Die Wiese, das ist ein grüner Pappkreis. Löwe, Elefant, Pinguin und die anderen Tiere klaubt Milosz aus Taschen, die an Nellys Rücken befestigt sind. Die Hündin bleibt geduldig sitzen, fängt Miloszs Blick auf, wenn er den Faden verliert. Fast wirkt es, als flüstere sie dem Jungen etwas zu, wenn er nicht weiter weiß.
Nach 15 Minuten brauchen die Hunde eine Pause
Höchstens 15 Minuten am Stück sind die Therapiehunde im Einsatz. Wenn Nelly genug hat, fängt sie an zu sabbern. Dann weiß Deborah Rink, dass es Zeit für eine Pause ist. Im nächsten Spiel muss Mathilda ran. Es geht um Konzentration. Der Junge verteilt bunte Tücher auf ihrem Körper und muss sich dann merken, welche Farbe auf welchem Körperteil lag. Liegt das Tuch auf oder unter der Pfote? Mit Mathildas Unterstützung findet er die Worte.
Die Hunde reagieren sensibel auf ihre Patienten, locken sie aus sich heraus oder bringen sie zur Ruhe. Autistischen Menschen treten sie viel vorsichtiger gegenüber als beispielsweise Menschen mit Down Syndrom. Bei denen seien sie besonders ausgelassen, sagt Deborah Rink.
Und Mathilda hat ein besonderes Talent: „Sie reagiert ganz doll auf gehörlose Kinder, da fängt sie an zu bellen.“ Das sei Mathildas Art, „Hallo“ zu sagen. Hörende Menschen werden nur mit einem Schwanzwedeln begrüßt. Woran der Hund erkennt, ob jemand hören kann oder nicht, das bleibt sein Geheimnis.