Gladbeck. Regisseur Jens Dornheim lud Samstag zum Casting für seine neue Inszenierung. 27 Bewerber kamen, um sich für das neue Kammerspiel zu bewerben.
„Wer bist du? Stell` dich nicht dümmer als du bist Ha-Nozri!“, zischt Dominik Hetrich alias Pontius Pilatus seinem Gegenüber zu. Puh. Es gibt bestimmt entspanntere erste Dates. „Man hat mir gesagt, mein Vater sei Syrer gewesen“, antwortet Jesus, der in der Passionsgeschichte nach Michail Bulgakow den hebräischen Namen Jeschua Ha-Nozri trägt.
12.20 Uhr. Das Casting hat begonnen. Der Anklageraum befindet sich links vor der Caféteria im Martin Luther Forum. Pilatus` Gegenüber wechselt heute im Viertelstunden-Rhythmus oder schneller. Im Prinzip könnte man von einem Speed-Dating sprechen. Doch statt (schneller) Liebe geht es heute um (langes) Leid: die letzten Tage im Leben Jesu Christi. Und es geht um Schuld. Und für die Bewerber, die heute aus Gladbeck, Gelsenkirchen, Bochum oder Duisburg angereist sind, geht es darum, sich bei diesem Speed-Date zu behaupten – und eine Rolle, möglicherweise sogar die zweite Hauptrolle Jesus, zu ergattern.
Nach einer kurzen Einführung geht’s gleich los
Der erste Bewerber ist der 28-jährige Alexander Kupsch aus Duisburg. Regisseur Jens Dornheim begrüßt ihn, stellt ihn Dramaturgin Tanja Brügger, „glassbooth“-Mitbegründer Gordon Stephan und Dominik Hetrich vor. Er erhält noch eine kurze Einführung zur Einordnung, darf über die Text-Passage fliegen. Action. Hetrich taucht schnell in seine Rolle und geht ans Eingemachte: „Hör` auf dich dumm zu stellen, Ha-Nozri“, zischt er. Alex Kupsch verwandelt sich in Jeschua und antwortet: „Ich habe niemanden. Ich bin allein auf der Welt.“
Kupsch, dessen Gesicht an das von Kurt Cobain erinnert, ist heute einer von 27 Bewerbern. Neun Darsteller sucht Dornheim mit seinem Team heute. Einige, so merkt man, kennt der Regisseur schon von der „Luther“- oder der „Totenschiff“-Inszenierung; so wie den 27-jährigen Finn Brand aus Bochum, den 24-jährigen Gelsenkirchener Alexander Welp oder den 71-jährigen Christian Becher, der u.a. den Vater von Luther gespielt hat.
Für einige Rollen braucht der Regisseur noch Zeit
Die Dramaturgin bittet den einen oder anderen Bewerber, eine Passage noch einmal mit einer anderen Intonation vorzulesen. Oder sie schlägt gleich eine andere Rolle vor: etwa die von Levi Matthäus, der mit Gott hadert, weil er Jesus so lange leiden lässt. Auch Kupsch soll kurz in diese Rolle schlüpfen: „Oh Gott!“, schreit er zwischen leisem Hadern. Schneller Rollentausch: Speed-Dating in der Schauspiel-Welt eben.
Am späten Nachmittag ist die Wahl für die zweite Hauptrolle – Jesus – getroffen: Alexander Kupsch überzeugte das Team. Sein Können hat er unter anderem schon als Kurt Cobain in dem Stück „4.48 Psychosis“ unter Beweis gestellt.
Über die Verteilung der anderen Rollen und den von Dornheim eingebauten Erzähler etwa als Episoden-Verbindung – vor, während und nach der Kreuzigung – will Dornheim noch schlafen. Er ist froh, dass sich beim Casting unter anderem auch jemand für die Musikkomposition beworben und gefunden hat. Lediglich für das Bühnenbild sucht er nun noch einen Bewerber.