Gestern Abend: Historiker Dr. Frank Bajohr in der Städtischen Galerie zu Gast

Der Historiker Frank Bajohr zum Thema "Der Holocaust als offenes Geheimnis - die Deutschen, die NS-Führung und die Alliierten" - die Vortragsveranstaltung gestern abend in der Städtischen Galerie war etwas Besonderes.

Denn Frank Bajohr ist gebürtiger Gladbecker; in den 80-er Jahren sorgte sein Buch "Verdrängte Jahre - Gladbeck unterm Hakenkreuz" für viel Aufsehen und manche erregte Diskussion in der Stadt.

Über zwei Jahrzehnte sind seitdem vergangen. Heute ist Dr. Frank Bajohr wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle für Zeitgeschichte (Hamburg), die der dortigen Universität angegliedert ist.

"Der Holocaust als offenes Geheimnis" - Frank Bajohr gab gestern abend einen äußerst kenntnisreichen Vortrag zu diesem Thema; eine zentrale These des Wissenschaftlers: in den 30-er Jahren kam es in Deutschland zu einem sich stetig ausbildenden, "anti-jüdischen Konsens" in der Gesellschaft; es gab aber keineswegs einen "Mord-Konsens", eine breite Übereinstimmung in der Bevölkerung mit der Deportation und mit den Massenmorden an Juden in den Konzentrationslagern.

Und: Wer in der Zeit des Nazi-Regimes etwas über Holocaust und Judenvernichtung wissen wollte, konnte auch etwas wissen. Dr. Frank Bajohr: "Zwar wussten nur wenige Menschen in der Bevölkerung alles, aber alle wußten ein wenig." Der Historiker gab dazu ein eindrucksvolles Beispiel - er schilderte die persönliche Recherche eines Zeitzeugen, der sich aus Angaben von Freunden, Bekannten und Fremden, aus Zeitungsmitteilungen und weiteren Quellen ein wirklichkeitsgetreues Bild des Holocaust erarbeitete, ohne dabei je einem KZ oder einem Vernichtungslager nahe zu kommen. Doch viele, viele Deutsche wollten eben nichts wissen, obwohl sich die Juden-Deportation unter den Augen der Bevölkerung vollzogen hatte und obwohl sich die Tatsache der Judenvernichtung "herumgesprochen hatte", so Dr. Bajohr.

Vor 25 Jahren hielt der Historiker seinen ersten Vortrag in Gladbeck - damals als junger Student, als junger Autor von "Verdrängte Jahre". Vor allem die traditionelle Gladbecker Heimatgeschichtsschreibung kritisierte er in seinem 1983 erschienenen Buch heftig. Sein Jugendwerk wurde - trotz mancher Gegenwehr - zum lokalen Standardwerk in Sachen Nazi-Diktatur.