Gladbeck. . Eva-Maria Reichhardt (59) stellt ehrenamtlich Kindern Bücher vor. Lustiges, Interessantes und Lehrrreiches sollen Entwicklung der Kinder fördern.
Vorlesen, aufmerksam zuhören, womöglich selbst die Nase in Schmöker stecken – für viele Kinder ist der ruhige Moment, in dem Erwachsene ihnen Geschichten vortragen, ein Buch mit sieben Siegeln. Eva-Maria Reichhardt findet das schade. Schließlich sei Vorlesen nicht nur ein Vergnügen, sondern auch wertvoll für die kindliche Entwicklung: „Es dient der Sprachförderung, schult das Zuhören und die Kreativität.“ Und weil die 59-Jährige den Einfluss von Lektüre schon im Kindesalter so hoch einschätzt, wurde sie Vorlesepatin.
Sie erzählt: „Vor elf Jahren habe ich ‘mal einen Artikel über diese Aufgabe gelesen.“ Doch zeitlich konnte sie das nicht mit ihrem Beruf als Arzthelferin verbinden. Ihre erste Stunde als Vorlesepatin schlug später, vor gut fünf Jahren. Ein Zeitungsartikel rief ihr das Ehrenamt wieder in Erinnerung. Eva-Maria Reichhardt meldete sich bei der Stadtbücherei – und „bekam direkt eine Stelle“: „Seitdem lese ich im Kindergarten Frochtwinkel 28“. Fünf- bis Sechsjährige hören zweimal in der Woche, jeweils für eine halbe Stunde, welche Abenteuer Kinder und Tiere erleben – schwarz auf weiß.
Märchen, Klassiker, Modernes
„Mir selbst wurde als Kind nicht vorgelesen“, sagt die zweifache Mutter. Anders war’s bei den beiden Töchtern, mittlerweile 30 und 35 Jahre alt. „Mit meinem Mann habe ich ihnen viel vorgelesen“, so Eva-Maria Reichhardt. Doch ihr Ehrenamt bedeutet nicht nur, Buchstabe für Buchstabe, Gedrucktes wieder zu geben. Sie verleiht den Texten ihre eigene Handschrift, liest mit verstellten Stimmen – beispielsweise ein lispelnder Löwe – und ausgeklügelter Betonung: Märchen, Klassiker, neue Schmöker. Und selbstverständlich ihre Lieblingsbücher. Die Vorlesepatin zieht flugs „Karlsson vom Dach“ von Astrid Lindgren aus ihrem Stoffbeutel. Und auch ein weiterer persönlicher Favorit, in den die vielbelesene 59-Jährige immer wieder gerne die Nase steckt, stammt von der schwedischen Autorin: „Die Kinder von Bullerbü“.
Die Kunst des Erzählens
Einer der aktuellen Favoriten bei den Kindergarten-Steppkes ist „Ab heute sind wir cool“ aus der Feder von Susann Opel-Götz. Und im Nu gibt Reichhardt eine Kostprobe. Die Kunst des Erzählens gelernt hat sie in Fortbildungen, beispielsweise in Kursen des Kulturbüros Boskop in Bochum. Doch sie macht auch daheim ihre Hausaufgaben, damit die Mädchen und Jungen so interessiert sind, dass sie aufmerksam auf ihren vier Buchstaben sitzen bleiben. „Wenn ein Kind nicht zuhören will oder kann, versuche ich, es einzubinden. Ich erfrage beim Vorlesen viel“, sagt die 59-Jährige, der man anmerkt, dass sie mit Herzblut bei der Sache ist.
Akribische Vorbereitung
Sie verbringe viel Zeit in der Stadtbücherei, um mögliche Lektüre auszuwählen: „Aber ich bringe auch viele eigene Bücher mit.“ Sie sortiert, übt, führt Buch darüber, was sie wann bereits vorgelesen hat – „viel Arbeit, aber es macht Spaß“. Reichhardt: „Ich lese gerne Bücher vor, die eine Botschaft vermitteln.“ Was nicht heißen solle, dass sie „predige“. Lustiges, Interessantes und Lehrrreiches sollen den Mädchen und Jungen Lust auf Lektüre machen. Die Vorlesepatin meint: „Wenn ich dazu einen kleinen Grundstein legen kann, freue ich mich.“ Denn sie glaubt, „das Vorlesen geht immer mehr zurück.“