Gladbeck. . Verwaltungsgericht wies die Klage der Gemeinde St. Lamberti ab. Eine Begründung: Das ist ein prägendes Beispiel für Nachkriegsarchitektur
- Eigentümerin Propstei-Gemeinde St. Lamberti unterliegt vor Gericht.
- Historiker sehen in dem Bau ein bedeutendes Beispiel für Nachkriegsarchitektur
- Eine Berufung ist zugelassen. Gemeinde hat darüber noch keine Entscheidung getroffen
Die Mitglieder der Gemeinde St. Lamberti werden sich weiterhin an den Anblick der leeren Elisabeth-Kirche in Ellinghorst gewöhnen müssen. Gestern wies das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen die Klage der Gemeinde gegen die Stadt auf Aufhebung des Denkmalschutzes für das Gebäude ab. Auf Anweisung des Landrates hatte die Stadtverwaltung die Kirche, Baujahr 1961, in die Denkmalliste aufnehmen müssen.
Berufung zugelassen
Dort wird sie sicherlich noch einige Jahre auftauchen. Das Gericht ließ zwar eine Berufung zu, doch werden mindestens zwei Jahre vergehen, ehe der Fall vor dem Oberverwaltungsgericht in nächster Instanz erneut verhandelt wird. Das Gericht war mit seiner Entscheidung den Argumenten der Denkmalschützer gefolgt. Der Chor-Umgang an der Kirche, der gedrungene Chorturm mit Atrium verliehen dem Gebäude eine Einzigartigkeit, meinte das Gericht. Es sah darin auch ein prägendes Beispiel der Nachkriegsarchitektur.
Ein Kriterium für ein Denkmal ist unter anderem die Bedeutung für die Geschichte des Menschen. Auch in diesem Punkt folgte die Kammer den Ausführungen der Denkmalschützer vom Landschaftsverband Westfalen Lippe (LWL).
Historikerin: Gebäude ist auch prägend für den Stadtteil
Dr. Marion Niemeyer, wissenschaftliche Referentin im LWL, hält die Elisabeth-Kirche für ein signifikantes Beispiel traditionalistischer Bauweise, die anschaulich die Spannbreite des Nachkriegskirchenbaus dokumentiere. Religionsgeschichtlich misst sie dem Turm in Hinsicht auf den 2. Weltkrieg einen schützenden Charakter zu. Der Bau sei auch bedeutend für den Stadtteil. 900 Kirchen hat sich die Wissenschaftlerin bereits angesehen und die Erkenntnisse ausgewertet. Sie kündigte weitere Unterschutzstellungen an.
Diözesanbaumeister sieht in der Kirche ein Allerweltsgebäude
Diözesanbaumeister Thomas Tebruck dagegen stellt dem Architekten der Kirche, Otto Spengler, ein durchschnittlich kreatives Zeugnis aus. Er habe ein Sammelsurium von Einzelideen verwirklicht, die weder architektonisch noch historisch ein denkmalwürdiges Zeichen setzten. Er verwies auf die große Anzahl von Chorturmkirchen, die es im Ruhrgebiet gebe, und sieht keinen Grund für eine Erhaltung und Nutzung der Kirche aus wissenschaftlichem architekturgeschichtlichen Interesse.
In Richtung Denkmalschützer ging sein Vorwurf, dass das Argument „Bedeutung für die Menschen“ bei Entscheidungen über Unterschutzstellungen zur Worthülse verkomme. Er sieht die Elisabeth-Kirche als Allerweltsgebäude, wie viele der 63 Kirchen, die zwischen 1950 und 1960 errichtet worden seien. Das Atrium, eines der Denkmalschutzkriterien, ist für Tebruck nichts anderes als ein Schallschutz für die benachbarten Bahngleise.
Auch Dr. Jost Hüttenbrink, Rechtsvertreter der Gemeinde, konnte keine besonderen gestalterischen Qualitäten im Vergleich zu anderen Neubauten im Bistum Essen erkennen. Mit einem nachgeahmten Baustil könne keine eigenständige Bedeutung für Stadt und Stadtteil begründet werden.
Kosten von 20 000 Euro pro Jahr für die Gemeinde
Werner Philipps, Mitglied des Kirchenvorstands, verließ enttäuscht den Gerichtssaal. Er befürchtet einen langen Prozess: „Die leere Kirche verschlingt jährlich 20 000 Euro an Kosten für Grundbesitzabgaben, Verkehrssicherung oder Pflege der Außenanlagen.“ Die Pläne des Investors werden wohl weiter in der Schublade vergilben. Er wollte nach dem Abriss der Kirche zehn Doppelhaushälften und zwei Einfamilienhäuser errichten. Die Bauvoranfrage wurde von der Stadt positiv beschieden.
Gemeinde hat noch nicht über Wahrnehmung der Berufung entschieden
Der Gerichtssaal war gut gefüllt in Gelsenkirchen. Nicht nur die Initiatoren für den Denkmalschutz – Gregor Collet, Dr. Wolfgang Schneider und Alfred Luggenhölscher – verfolgten die Verhandlung gespannt. Auch Hans-Peter Kock, Vorsitzender des Vereins Luftschacht e.V.,, der sich erfolgreich um das Miteinander im Stadtteil kümmert, war gekommen. Seine Meinung nach dem Urteil: „Das Gericht hat richtig entschieden. Die Argumente der LWL-Historikerin haben auch mich überzeugt. Es wäre anders, wenn auf dem Grundstück Altenwohnungen für die älteren Ellinghorster gebaut würden, die nicht mehr in ihren Zechenhäuschen wohnen können. Aber reine Wohnbebauung, wie die Kirche sie vorhat, halte ich für unnütz.“
Kirche steht weiter zum Verkauf im Internet
Eine Berufung gegen das Urteil des Gelsenkirchener Gerichts wurde zugelassen, ob die Kirchengemeinde sie nutzen wird, ist zurzeit noch nicht entschieden. „Wir warten das schriftliche Urteil ab und werden erst dann weitere Überlegungen anstellen“, sagt Pressesprecherin Antonia Gemein auf WAZ-Nachfrage.
Nach wie vor steht die Elisabeth-Kirche übrigens zum Verkauf im Internet. Für 568760 Euro wäre sie zu haben. Einen Käufer gibt es bislang nicht, auch „keine konkreten Verhandlungen“, sagt die Pressesprecherin. Der Denkmalschutz mache es natürlich nicht leichter, Investoren zu finden. Aber sie betont: „Wir sind weiterhin offen für Nutzungskonzepte und Ideen, die umsetzbar sind.“.