Gladbeck. Integrationsratsmitglieder begründen, warum sie die Resolution auch ohne Migrantenvertreter beschlossen hätten. Alleinige Schuld wird ABI und Linken zugewiesen

  • Mitglieder begründen, warum sie die Resolution auch ohne Migrantenvertreter beschlossen hätten
  • Alleinige Schuld am Fernbleiben der vielen Mitglieder wird ABI- und Linken-Vorsitzenden zugewiesen
  • Sozialdemokraten äußern kein Wort der Selbstkritik zu fehlgelaufener Integrationspolitik

Nach dem Eklat im Integrationsrat, beziehen die SPD-Vertreter Jörg Baumeister und György Angel in einem Schreiben an die WAZ weiter Stellung zum Thema. Zur Erinnerung: Mit elf nicht besetzten Plätzen war nahezu der komplette Teil der Migrantenvertreter der jüngsten Sitzung fern geblieben. Außerdem war der geplante Beschluss einer Resolution „Für ein friedliches Miteinander“ gescheitert. Diese sollte im Besonderen wieder das friedliche Miteinander zwischen Gladbecker Anhängern des türkischen Präsidenten Erdogan und Gegnern von dessen Politik befördern.

„Die Sitzungsteilnahme war desolat“, schreiben Angel und Baumeister. „Lediglich drei Mitglieder fehlten entschuldigt (nach Informationen der WAZ waren es deutlich mehr), und der Rest, insbesondere alle über die ABI Liste Gewählten, sind ihrer mit der Wahl übernommenen Verantwortung nicht nachgekommen.“

Die SPD-Ratsherren wollen in dem Eklat im Integrationsrat eine bewusste Intrige der Ratsherren Süleyman Kosar (ABI) und Olaf Jung (Linke) sehen: Die Liste ABI, „einschließlich des Ratsherrn Kosar, der über eine windige Aktion der Partei Die Linke das Mandat für den Integrationsrat erhalten“ habe (Anm. d. Redaktion: zudem mit Stimmen von DKP und BIG), hätten „mit ihrem Fernbleiben die Zustimmung zur Resolution offensichtlich verweigern“ wollen.

Mögliche Abstimmung verhindert

Für sie sei die Angelegenheit zum Eklat geworden, so Baumeister/Angel, da „ausgerechnet der Vertreter der Partei der Linken, Ratsherr Jung, dessen Fraktion mit Herrn Kosar gemeinsame Fraktionssitzungen abhält und gemeinsame Anträge mit ABI stellt, zwar erklärt hat, die Resolution zu begrüßen, zugleich aber durch Beantragung der Feststellung der Beschlussfähigkeit wegen der Abwesenheit der anderen, insbesondere der ABI-Mitglieder, eine mögliche Abstimmung letztlich verhindert hat.“ Insoweit habe Jung „das Geschäft der demonstrativ nicht anwesenden ABI-Mitglieder und von Herrn Kosar betrieben“, so die SPD-Ratsherren.

Angel und Baumeister verweisen nun zum Diskussionverlauf im Integrationsrat auf engen Schulterschluss: Man sei sich einig gewesen, dass der Schaden größer wäre, wenn über die Resolution nicht abgestimmt und diese beschlossen würde. „Deshalb haben wir, zusammen mit den anwesenden Mitgliedern der anderen Listen und dem Vorsitzenden Bahtiyar Ünlütürk Herrn Jung gebeten, seinen Antrag zu überdenken und nicht an ihm festzuhalten.

Uns war der Zeitpunkt des Beschlusses deshalb wichtig, weil in der Gladbecker Stadtgesellschaft die Auseinandersetzungen, Beleidigungen, Anmaßungen anlässlich der Armenienresolution und Bedrohungen bis hin zu Gewaltanwendungen in der türkischstämmigen Bevölkerung deutlich wahrgenommen wurden und auch Entsetzen auslösten.“

Andere Erwartungen

Nach der intensiven Diskussion der zuvor in der Presse veröffentlichten Resolution habe es in weiten Teilen der Stadtgesellschaft die Erwartung gegeben, „dass der Gladbecker Integrationsrat die Resolution mit deutlicher Mehrheit überzeugend beschließt“, so beide weiter. „Sie jetzt nicht beschlossen zu haben ist mit dem Wunsch einer erfolgreichen Integrationspolitik und einem friedlichen Zusammenleben nicht vereinbar.“

Wobei das SPD-Duo die Alleinverantwortlichen, die Schuld am Eklat haben sollen, erneut benennt: „Die Vertreter der ABI–Liste und Herr Kosar, die fremdgesteuert, assistiert von dem Linken-Vertreter Jung, ihr Gremium missbraucht haben.“

Festzuhalten bleibe, so Baumeister/Angel abschließend, „dass der Integrationsrat ein bedauernswertes Bild abgegeben und Zweifel an seiner Funktionsfähigkeit und Nützlichkeit hervorgerufen hat“.

Kommentar: Schnelle Schuldzuweisung 

Die SPD-Ratsmitglieder im Integrationsrat machen es sich mit ihrer Stellungnahme ein bisschen sehr einfach. Da werden der ebenso missliebige ABI-Ratsherr Süleyman Kosar wie der Linke-Ratsherr Olaf Jung schnell als alleinverantwortliche Strippenzieher hinter den Kulissen des Eklats ausgemacht. Dass beide oft andere Ansichten als die SPD haben und Kosar sicherlich Einfluss auf die stärkste Liste im Integrationsrat hat, ist richtig. Das Fernbleiben des Großteils der Migrantenvertreter aber allein dem Erfolg des vermuteten politischen Ränkespiels zuzuschreiben, ist sicher falsch.

Alleinverantwortlich sind Kosar/Jung nämlich ohne Frage nicht für die seit Jahrzehnten in Gladbeck geleistete Integrationspolitik. Dass die Resolution nicht beschlossen wurde, ist ohne Frage „nicht mit dem Wunsch einer erfolgreichen Integrationspolitik und einem friedlichen Zusammenleben“ in Gladbeck – wie Angel/Baumeister schreiben – vereinbar. Die SPD, als jahrelang stärkste Fraktion in Gladbeck, trägt daran aber maßgeblichen Anteil. So darf man verwundert fragen, warum sich die SPD-Vertreter nicht mit einem bescheidenen Wort der Selbstkritik quasi an die eigene Nase fassen? Sie sollten nun schnellstens Strippen ziehen, damit es doch noch gelingt, die Resolution möglichst einstimmig mit Migrantenvertretern im nächsten Integrationsrat über die Bühne zu bringen! Marcus Esser