Gladbeck. . Gladbecker Andreas Jelonnek marschierte 791 Kilometer zum Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela. Der 50-Jährige trotzte Wind und Wetter.

Welche Erwartungen hat jemand im Rucksack, der sich zu Fuß auf den Weg nach Santiago de Compostela macht? Da ist der Mann, der so dankbar für die Genesung seiner erkrankten Frau ist, dass er zum Grab des Apostels Jakobus in der spanischen Stadt pilgert. Da sind die gläubigen Christen, die auf spirituelle Erfahrungen hoffen. Viele Beweggründe führen seit Jahrtausenden unzählige Pilger auf den „Camino duro“, den harten Weg. Darunter Andreas Jelonnek aus Gladbeck.

Er hat die strapaziöse Strecke in 26 Tagen – eingeplant hatte er 34 – absolviert. „Als ich auf einem Berg stand, hatte ich die Antwort auf die Frage, warum ich das hier eigentlich mache: aus Dankbarkeit; das war vielleicht das Schlüsselerlebnis für mich“, sagt der Regional-Manager, der viel in der Welt herumkommt, nach seiner Rückkehr. Seine Erkenntnis: „Der Weg steht für das Leben, man bekommt mehr Respekt vor dem Leben.“

Doch zurück an den Start. Neue Einsichten über sich, Erleuchtung und all die Empfindungen, die manch einen auf dem Jakobsweg ergreifen – auf derartige Sternstunden wollte Jelonnek nicht hoffen. Außer einem sorgfältig ausgearbeiteten Etappen-Plan für die 791-Kilometer-Strecke hatte der durchtrainierte und gut vorbereitete Hüne vor allem eines im Gepäck: die Gewissheit, dass es kein leichter Weg werden würde. Und das sollte sich bewahrheiten. Jelonnek: „Der Jakobsweg ist eine Riesenstrapaze. Nichts, aber auch gar nichts kann einen darauf vorbereiten.“

Am Ausgangspunkt, in St-Jean-Pied-de-Port, seien so viele Menschen gewesen, dass er sich im Geiste schon zwischen Menschentrauben auf der Route gesehen habe. Aber: „Die ersten zwei, drei Tage war ich allein unterwegs.“ Bisweilen habe er gedacht, dass seine größte Angst – „Ich verlaufe mich!“ – Realität geworden sei. Doch er befand sich auf dem rechten Weg, wie gelbe „Hinweis-Jakobsmuscheln“ zeigten. „Meine erste Begegnung war mit einer jungen Russin“, erzählt der 50-Jährige. Weitere Menschen sollten immer mal wieder seine Pfade kreuzen: ein Pater aus Puerto Rico, eine Krankenschwester aus Polen, einige Spanier, zwei Kanadierinnen. Jelonnek traf auch Pilger, die aufgeben mussten, weil sie sich unterwegs verletzt hatten.

Da blieb auch Jelonnek nicht ungeschoren. Im Regen auf einem Waldweg ausgerutscht – schon war es passiert: das Knie verdreht. Aber er wollte seinen Weg nicht abbrechen. Fortan ging’s bandagiert weiter, an Korn- und Weinfeldern entlang, über Ebenen und durch waldige Gebiete. Mal schien die Sonne, mal öffnete Petrus die himmlischen Schleusen. Jelonnek trotzte Wind und Nebel, überstand Monotonie – schier endlose Felder – und Fliegenschwärme sowie Missgeschicke wie ein verlorenes Handy.

Messen mit anderen Pilgern gefeiert

„Die erste Etappe war mit Abstand die schwierigste, 14 Kilometer steil bergauf und wieder bergab“, berichtet Jelonnek. Ähnlich sei es ihm stimmungsmäßig immer mal wieder ergangen: ein Auf und Ab: „Ich habe mich motiviert, indem ich mir Teilziele gesteckt habe.“

Das Gros der Strecke sei er solo in seinem eigenen Tempo marschiert: in aller Herrgottsfrühe aus den Federn, um noch vor der Mittagshitze am Ziel zu sein. Klitschnass geschwitzt sei er gewesen. Hotelzimmer, auch ganz einfache, habe er stets gebucht, um nicht auf einen Schlafplatz in einer Herberge angewiesen zu sein. „Einer schnarcht und einer pupst, das brauche ich nicht“, findet Jelonnek. Abends feierte er mit anderen Pilgern eine Messe. Am Ziel in Santiago de Compostela betete der Katholik am Grab des Apostels. Und freute sich: „Gut, dass ich das gemacht habe.“

Kaum heimgekehrt, schon neue Pläne 

Als Andreas Jelonnek seinen Pilger-Pass mit 35 Stempeln in Händen hielt und in heimatliche Gefilde zurückkehrte, wollte er nur eins: die Beine hoch legen, sich entspannen. „Das brauche ich nie wieder“, habe er gedacht. Doch der Sinneswandel kam bald, mittlerweile juckt es den 50-Jährigen schon wieder in den Füßen. Jelonnek sagt: „Jetzt überlege ich mir, im kommenden Mai, wenn ich Zeit habe, den Jakobsweg noch einmal zu gehen.“ Dann würde er die Route mehr genießen.

Allerdings müsste er sich neue Wanderstiefel zulegen. Das Paar, das Spezialist Adi Raible eigens für den 2,07-Meter-Mann mit Schuhgröße 49 1/2 angefertigt hatte, hat zwar nicht den Geist aufgegeben, doch es habe am Ende der Tour einen strengen Geruch ausgeströmt. „Da habe ich die Schuhe im Hotel gelassen“, so Jelonnek. Einen neuen Wanderführer braucht er dann ebenfalls: „Ich habe die Seiten mit den Etappen, die ich hinter mir gelassen habe, herausgerissen.“ Beim nächsten Mal würde er auch andere Orte anlaufen.

Etwa zehn Kilo Gepäck schleppte er mit sich; Shampoo und Waschmittel blieben auf der Strecke: „Das kann man da überall kaufen. Nächstes Mal würde ich weniger einpacken.“ Wofür Andreas Jelonnek allerdings in Santiago de Compostela ein Plätzchen auf der Heimreise fand: drei Flaschen spanischen Rotwein als Souvenir