Meisterhaftes Illusionstheater zeigte die Toneelgroep Amsterdam in der Maschinenhalle in der Inszenierung „Die Dinge, die vorübergehen“ von Ivo van Hove
- Toneelgroep Amsterdam zeigte meisterhaftes Illusionstheater
- Die Industriehalle in Zweckel war restlos ausverkauft
- Im Familiendrama „Die Dinge, die vorübergehen“ sind Personen schicksalhaft miteinander verbunden
Die Ruhrtriennale ist wieder in Gladbeck – und wieder ist die Maschinenhalle Zweckel Bühne einer bemerkenswerten Aufführung: „Die Dinge, die vorübergehen“, inszeniert von dem Belgier Ivo van Hove. Freitag war Premiere in der ausverkauften Halle.
Menschliche Existenz als Fegefeuer
Der Raum ist rechteckig mit einem hellen Boden, optisch verdoppelt durch einen Spiegel, an der den steilaufragenden Rängen gegenüberliegenden Seite. Je eine Stuhlreihe an den Längsseiten begrenzt die ansonsten offene Bühne, dahinter durchsichtige Stellwände, auf die Fratzen gemalt sind, ein großer Warteraum. Einziger fester Punkt ist ein Tisch mit Pendeluhren, und einem Schlagwerk, an dem der niederländische Musiker Harry de Wit das Verstreichen der Zeit als Toncollage deutlich macht. In dem Stück – das auf niederländisch mit deutschen und englischen Übertiteln aufgeführt wird – wird die menschliche Existenz als ein Fegefeuer gezeigt. Das auf einem Roman des niederländischen Autors Louis Couperus beruhende Familiendrama erweist sich als vielstimmiger Chor, der in ihren Beziehungen und Leidenschaften schicksalshaft verstrickten Personen.
Psychologisches Sittengemälde
Ausgangspunkt des psychologischen Sittengemäldes ist ein fern von Holland geschehener Mord. Die gemeinschaftlich von dem nunmehr uralten Mijnheer Emile Takma und der ebenfalls hochbetagten Ottilie Dercksz an ihrem Ehemann einst in den Kolonien begangene Tat beeinflusst die Menschen: Täter, Augenzeugen, Nachkommen. Sie alle sind gefangen in ihren Sehnsüchten, Verdrängungen und Ängsten. Wie ein unsichtbarer Dirigent steht die Bluttat einem Orchester aus Habgier, Neid, erstarrten Traditionen, ungezügelter Sexualität, Frustration, Erpressung und religiösem Wahn vor.
In der dritten Generation fokussiert sich die 1906 spielende Erzählung auf Lot, einem melancholischen Journalisten und Autor, und auf Elly, die ihn zu ehrgeizigen Werken antreiben will. Das Paar, Cousin und Cousine, sucht der Enge der holländischen Heimatstadt Den Haag zu entfliehen und in den lichten Süden nach Nizza zu flüchten, wo Lots Schwester ein freies Leben führt. Sie ist die einzige Lichtgestalt, schon optisch durch ein farbiges Kleid von den anderen unterschieden, die in ihren schwarzen Garderoben wie eine Trauergesellschaft wirken. Aber auch Lot und Elly scheitern und es bleibt zum Schluss die Erkenntnis, dass jeder sterben muss und mancher, ohne gelebt zu haben.
Unterschiedliche Charaktere
Das Ensemble der Toneelgroep Amsterdam schafft es, jedem der unterschiedlichen Charaktere eine ganz individuelle, anrührende Stimme zu geben, die die Aufführung zu einem Meisterwerk des Illusionstheaters macht.