Gladbeck. . Für die WAZ auf Ballontour ging Gerhard Römhild. Er wurde mit imposanten Ausblicken über das Ruhrgebiet belohnt und lobt die entspannende Ruhe „da oben“.

  • Eine faszinierende Heißluftballonfahrt in den Gladbecker Abendhimmel
  • Berufspilotin Elise Kloss lässt die Brenner fauchen und sorgt so für mächtig Auftrieb
  • Nach 40 Minuten atemberaubender Ausblicke landet der Ballon sanft am Rand eines Kartoffelackers

„Du brauchst Vertrauen ins Gerät und den Piloten“, Sebastian Eimers, Organisator des Gordon Bennett Rennens auf der Wittringer Ballonwiese klopft mir auf die Schultern – und schickt mich zum Briefing der Heißlüfter. Heißlüfter? Nun, die Ballönersprache ist gerne etwas blumig und Heißlüfter sind die Heißluftballone, deren Crews sich gerade zum Start fertig machen. Meine erste Fahrt steht an, und, nun ja, ein bisschen mulmig ist mir schon.

Da kommen die coolen Sprüche hoch: Ein Ballon macht keinen Fehler, starten kann jeder, fahren kann jeder, aber landen muss man lernen, sonst setzt man hart auf... Nun, die letzte Einweisung von Chefmeteorologe Michael Noll beruhigt die Nerven. Laut Radar bewegt sich auf uns zwar ein kleines Regengebiet „aus 240 Grad mit zehn bis 15 Knoten Wind zu“. Doch Noll beschwichtigt: „Das gibt vielleicht ein bisschen Mückenpipi.“

Zugewiesen werde ich dem Aeronauticteam aus dem Bergischen Land. Ein Familienunternehmen der Luftfahrtbranche, das seit 18 Jahren Fahrgäste in die Luft bringt und vor allem im Großraum Köln/Bonn/Rheinland aktiv ist. Sponsor Covestro, ein Anbieter von Polymeren, macht die Fahrt unter der bunten Hülle möglich. Klar, dass ein Firmenvertreter mit an Bord ist und sofort eine Antwort auf die Farbzusammensetzungen weiß. „Dieser Sport passt zu unserem Unternehmen, wir sind auch farbig, neugierig und mutig“, sagt Diplom-Kaufmann Wolfgang Mühlen.

Aha, da kann ja wohl nichts mehr schiefgehen, zumal sich ein weiterer Passagier als Stefan Klett vorstellt. Der Mann ist begeisterter Segelflieger und Präsident des Aeroclub NRW mit 13 000 Mitgliedern in 210 Vereinen. Wenn das kein gutes Omen ist. Und dann ist da natürlich Elise Kloss, 27-jährige Tochter des Aeronautic-Chefs Michael Kloss. Die Berufspilotin wird heute den Ballon fahren, bereitet mit der Crew gerade das sogenannte „Anblasen“ vor.

Schlank liegt die riesige Hülle am Boden, noch, denn nun beginnt ein Höllenlärm. Zwei riesige Ventilatoren drücken Luft in die Hüllenkammer, die sich langsam bläht und einen imposanten Einblick in ihr Inneres bietet. Langsam richtet sie sich auf, wird mit Seilen und Drähten am umgedrehten Korb befestigt. Die Ballonhülle erhält volles Volumen, als die Pilotin die Brenner anschaltet und irre laute Feuerstöße in die Form schießt. Die ohrenbetäubende Szenerie wirkt dramatisch und ist doch Routine. Nur Minuten Später steht die Hülle über dem Korb, der längst wieder aufgerichtet ist. Nun geht’s ganz schnell.

Atemberaubende 360-Grad-Sicht

Wir elf Fahrgäste inklusive Pilotin und Papa Michael krabbeln über kleine Einstiegslöcher ins Körbchen, bekommen unsere Plätze für die Fahrt zugewiesen. Während bei uns noch das brennende Propangas in die Hülle schießt, heben neben an schon andere Ballone ab. Der Marler Ballonclub ist schon oben, daneben verlässt das Sparkassenschwein Rhein/Nahe den Wittringer Schlosspark, eine lustige blaue Riesentonne schwebt davon und plötzlich geht’s auch für uns nach oben. Ganz seicht, ganz sanft, fast unmerklich und vor allem stetig.

Unaufhörlich schießen die Gasdüsen Flammenstrahl auf Flammenstrahl in die Hülle über uns, die sich zu einer Kathedrale bläht. Ringsum stehen Zuschauer, klatschen, zücken Handys. Selbst Gasballonweltmeister Wilhelm Eimers drückt drauf und wünscht uns „eine schöne Fahrt und Glück ab“, der Ballönerspruch für eine gute Landung. Derweil geht es zügig senkrecht hinauf. Die Menschen werden kleiner und kleiner, dahinter öffnet sich die Welt. Atemberaubend die 360-Grad-Sicht. Wohin gucken nur, das scheint schon fast zuviel für zwei Augen. Da, Essens Hochhäuser, hier die Schlange A 2 als Wimmelbild mit vielen, vielen Autos. Ach und da die Windräder, ne, was seid ihr klein. Gladbeck unter uns wirkt wie der Blick auf die Faller-Häuser einer Modelleisenbahn.

Faszinierend ist vor allem die Ruhe hier oben, kein Wackeln, kein Windbrausen, nichts. Auch die Passagiere sind still genießen den einmaligen Ausblick: Es herrscht meditative Ruhe im Korb. Ist das immer so? „Kommt auf die Truppe an“, meint Michael Kloss und lacht. „Wir hatten schon mal einen Kölner Karnevalsverein an Bord, da war Leben in der Hütte.“

Fauchende Brenner blasen heiße Luft in die Ballonhülle

Dann ist plötzlich Schluss mit Ruhe. Elise Kloss reißt die Ventile auf und lässt die enorm lauten Flammenwerfer glühen. Vier Brenner hängen über unseren Köpfen, jeweils zwei werden wechselnd von der Pilotin bedient, um die Vorratsgasflaschen gleichmäßig zu entleeren. Die Scholvener Schornsteine befinden sich nun direkt vor uns. Da müssen wir rüber. Wir steigen auf.

Weiter und weiter. Bis auf 1100 Meter. Hier wird die Sicht etwas diesiger, es gibt kleine Wolkenschliere. Und es wird kühler. Doch der Ballon fährt stur und ruhig weiter mit zwölf Stundenkilometern. Der Chemiepark Marl kommt in Sicht, Zeit zum Landen, denn dahinter liegen große Waldflächen. Die Suche nach einem geeigneten Acker beginnt. Die Häuser werden wieder größer, Menschen winken uns zu, Pferde galoppieren aufgeregt über eine Weide.

Und dann setzen wir auch schon ganz sanft auf, spüren nur einen kleinen Ruck. Perfekt, auch wenn die Unterseite unseres Korbes knappe sechs Quadratmeter Kartoffeln aus dem Polsumer Ackerboden holt. Als wir aus dem Korb steigen, um die 260 Kilogramm schwere Hülle sorgfältig zusammenzulegen – das Mitanpacken gehört zur Ballonfahrerpflicht – bewahrheitet sich auch die Vorhersage von Meteorologe Noll: Ein bisschen Mückenpippi macht uns nass, kann aber nicht das Grinsen aus den Gesichtern vertreiben.

Also, ganz ehrlich, ich könnte schon wieder. Ballonfahren macht wohl süchtig.