Gladbeck. Pfarrei-Chef André Müller setzt sich für Umstrukturierungen in der katholischen Stadtkirche ein, damit sie weiter eine bedeutende Rolle spielt.
- Propst André Müller: Wir haben in der katholischen Pfarrei eine Menge Druck unterm Kessel
- Umstrukturierungen sollen Stärken bieten und Chancen bilden
- Müller fordert kritischen Dialog von Muslimen ein
Vor einem Jahr wühlten die Umstrukturierungspläne der Pfarrei – harmlos „Pfarreientwicklungsplan“ genannt – die Gläubigen zwischen Zweckel und Brauck auf, die vor allem die möglichen Kirchenschließungen erreg(t)en. Eine Welle der Kritik mussten Propst André Müller und sein Planungsteam über sich ergehen lassen. Inzwischen steht auch die Zukunft der Caritas und des katholischen St.-Barbara-Hospitals im Blickpunkt der kirchlichen Diskussionen. Die WAZ sprach mit Propst Müller darüber.
Propst Müller, da mussten die Gladbecker zuletzt einiges verkraften, was kommt als nächstes?
Propst André Müller: Wir haben wahrlich genug Druck auf dem Kessel, noch mehr Veränderungen sind nicht auf dem Schirm. Wir verändern auch nicht, weil es uns Spaß macht, sondern weil es nötig ist, um sich als Kirche für die Zukunft neu aufzustellen. Letztlich ist das der Preis für die gesellschaftlichen Veränderungen, die wir alle spüren. Wir müssen die Situation so annehmen, wie sie ist, und darauf reagieren, wenn wir als Katholiken auch in Zukunft in Gladbeck eine bedeutende Rolle mit einem klaren Profil spielen wollen. Und das wollen wir.
Was zwingt Sie zu Veränderungen im St.-Barbara-Hospital, das von der KKEL geführt wird, wo Sie Mitgesellschafter sind?
Die Rahmenbedingungen haben sich kolossal geändert. Der Gesetzgeber zwingt uns, umzustrukturieren. Er verlangt, größere Abteilungen zu bilden, die für die ganze Region zuständig sind, kleine dagegen aufzugeben. Ziel aller Veränderungen, die wir jetzt einleiten, ist es, den Standort zu stärken. Wir haben da als katholische Kirche, die seit 110 Jahren die stationäre Gesundheitsfürsorge in dieser Stadt stellt, auch in Zukunft großes Interesse dran.
Gehört zum Stärken auch, dass man den langjährigen Manager entlässt, der das Haus aus dem Eff-eff kennt?
Wir haben uns einvernehmlich getrennt, denn es kann nur einen an der Spitze einer Klinik-Verwaltung geben, die seit August durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag vom Marienhospital Bottrop miterledigt wird, mit dem wir eine Kooperation eingegangen sind. In den nächsten zwei Jahren prüfen wir eine Fusion mit den Bottropern, weil wir uns auch hier größer und breiter aufstellen müssen. Im übrigen gibt es ja noch die komplette KKEL-Verwaltung, die sich ebenso gut auskennt.
Wo liegt der Sinn, die Caritasverbände Gladbeck,Gel- senkirchen und Bottrop zusammenschließen zu wollen?
Das passiert ohne wirtschaftlichen Druck und ohne Druck auf die Mitarbeiter. Wir wollen Vorteile nutzen, etwa Geld durch Synergien sparen und fachliche Qualitäten schöpfen, weil wir durch mehr Mitarbeiter – zusammen 2500 – breiter aufgestellt sind und über mehr Fachwissen verfügen. Außerdem könnten wir dann Mitarbeitern mehr Perspektiven bei der beruflichen Entwicklung, also Aufstiegschancen, bieten. Schließlich wird es immer schwieriger, im Revier qualifiziertes Personal zu finden und zu binden, das wir aber brauchen, um ein starker Partner vor Ort zu sein. Wir dürfen nur nicht den Fehler machen und alles zentralisieren. Es muss auch künftig ein Caritas-Gesicht vor Ort geben, und es dürfen keine Betriebsstrukturen aufgeben werden. Die Caritas muss mit allen Angeboten die Caritas am Ort bleiben.
Ist die Kritik an den Umwälzungen in der Pfarrei inzwischen verstummt?
Nein, wir müssen immer noch Überzeugungsarbeit leisten und stellen uns den Fragen. Es gibt nach wie vor Gruppen, wo das nötig ist. Aber wo Dialog stattfindet, da ist Leben. Ein stiller Auszug wäre schlimmer. Wir haben mit Kritik gerechnet und nehmen sie auch ernst. Übrigens ging die Kritik nie so weit, dass es deshalb zu Kirchenaustritten kam. Eins ist wichtig: Wir haben nicht zentralisiert, sondern entschieden, in der Fläche zu bleiben – nicht immer pastoral, sondern so, wie Menschen Kirche brauchen und nutzen wollen.
Müller fordert kritischen Dialog von Muslimen ein
Wie sieht es mit dem Projekt Sozialkirche in Brauck aus?
Wir wollen das als Leuchtturmprojekt im Süden der Stadt, wo die Zahl der Katholiken sinkt. Die Planungen laufen, etwa das künftige Nutzungskonzept der Marienkirche, die für Gottesdienste, aber auch offene Beratungen, als Treffpunkt oder als Ort des Feierns genutzt werden soll. So, wie es die Menschen brauchen. Wenn wir das Jugendheim und andere Immobilien, darunter das Wohnhaus an der Horster Straße, vermarktet haben, geht schnell der Umbau der Marienkirche los. Aber nur dann. Zusätzliches Geld aus der Pfarrei gibt es nicht.
Wie ist das Verhältnis der katholischen Stadtkirche zu den Moscheegemeinden und muslimischen Verbänden in Gladbeck?
Das Verhältnis ist gut. Unser interreligiöser Arbeitskreis unterhält viele enge Kontakte, Pastor Lamm pflegt einen Austausch mit der Ditib-Gemeinde. Und ich persönlich bin sehr intensiv mit der muslimischen Gemeinde an der Breukerstraße verbunden. Nach den politischen Veränderungen in der Türkei darf es auf keinen Fall passieren, dass wir die Moscheegemeinden aus dem Blick verlieren. Wir erwarten das aber auch andersherum. Die Muslime sind eingeladen, mit uns eine Gesellschaft zu bilden.
Das ist aber in jüngster Zeit nicht einfacher geworden, wie nehmen Sie das wahr?
Ich bin der Meinung, man sollte viel, auch kritisch mit den Muslimen dieser Stadt reden und seine Meinung sagen. Auch in kritischer Zeit sollte es möglich sein, sich auf Basis des Grundgesetzes auszutauschen. Man sollte die muslimischen Gemeinden in die Pflicht nehmen, im Dialog mit anderen Teilen der Stadtgesellschaft zu bleiben. Mit Sorge beobachte ich aber, wer hier Hodscha wird – wir wissen nicht, wer da aus der Türkei kommt. Übrigens sehe ich auch, dass sich viele Moslems nicht an die Gemeinden gebunden fühlen und nicht wenige katholische Einrichtungen besuchen, etwa unsere Kindergärten.