Gladbeck. Am 10. August 1816 gründete sich der Landkreis Recklinghausen, zu dem auch Gladbeck gehörte. Heute ist er Deutschlands bevölkerungsreichster Kreis.
Er hat einen Jahrhunderte alten Vorgänger und zählt zu den größten seiner Art bundesweit: der Kreis Recklinghausen, der aus dem historischen Vest Recklinghausen hervorgegangen ist. In dieser Woche vor 200 Jahren wurde er gegründet. Die meisten dieser Jahre gehörte auch Gladbeck zum Kreis.
Die Landkreisbildung war eine direkte Folge der gesamteuropäischen Polit-Neuordnung nach der Niederlage Napoleons und der damit verbundenen Auflösung der zunächst erzbischöflichen und danach großherzoglichen Hoheitsverwaltungen. Mit der Neuordnung kam Westfalen, damit das Vest und Gladbeck, zu Preußen. Der „kurkölsche Klüngel“ wurde, wie die Menschen es damals formulierten, von der „preußischen Knute“ abgelöst.
Offiziell gründete das Land Preußen in seinem Regierungsbezirk Münster am 10. August 1816 zehn Landkreise, darunter der 782 Quadratkilometer große Landkreis Recklinghausen, zu dem vor allem das ehemalige Vest zählte. Insgesamt gehörten zum Kreis die Städte Dorsten und Recklinghausen sowie 28 Landgemeinden und Kirchspiele.
Darunter Gladbeck, das aber in der namentlichen Auflistung fehlte – was für die damals wahrscheinliche Bedeutungslosigkeit Gladbecks spricht. Allerdings war das Kirchspiel Gladbeck bereits 1811 verwaltungstechnisch geteilt worden: Das Dorf und die Bauernschaften Brauck und Butendorf wurden von der neu gegründeten Mariie (Bürgermeisterei) Buer mitverwaltet, Ellinghorst, Rentfort und Zweckel gehörten zur Mariie Kirchhellen.
Eine Einwohnerzählung aus dem Jahr 1818 ergab kreisweit eine Einwohnerzahl von rund 38 400 Menschen. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts und darüber hinaus waren die meisten von ihnen in der Landwirtschaft tätig. In Gladbeck lebten in jenem Jahr etwa 2300 Menschen.
Der Graf von Westerholt war der erste Landrat
Erster Landrat des Kreises wurde Wilhelm Ludwig Josef Graf von Westerholt. Der Graf von Westerholt wie auch sein Nachfolger Friedrich Karl Devens aus Horst, der im Jahr 1830 das Landratsamt übernahm, verstanden sich als Landräte noch ganz als ausführendes Organ des Königreichs Preußen und hatten nur drei Mitarbeiter. Von der kommunalen Selbstverwaltungsfreiheit war das Landratsamt noch einige Jahrzehnte entfernt. Der Landrat trat als Kommissar auf, als Einzelbeamter mit persönlichen Spezialvollmachten, der nur im Auftrag und an Stelle der Provinzialverwaltung sein Amt ausübte.
Erst als ab 1871/72 die Kompetenzen und Leistungen der Kreisverwaltung wuchsen und Verwaltungsreformen durchgeführt wurden, erhielt das Landratsamt eine echte Behördenstruktur. Mit dem Aufschwung der Kohleindustrie im Ruhrgebiet ab Mitte des 19. Jahrhunderts stieg die Bevölkerungszahl im Kreis rapide an. Etwa 100 Jahre später, 1928, zählte der Landkreis schon rund 166 000 Einwohner. Da hatte Gladbeck den Kreis längst verlassen, nachdem der aufstrebenden Bergbaugemeinde 1919 die Stadtrechte verliehen worden waren und sie selbstständig wurde.
So wie Gladbeck schieden im Laufe der 200 Jahre immer wieder Städte aus dem Kreisgebiet aus, neue kamen hinzu – Gebietsreformen veränderten die Fläche. Nach der letzten Gebietsreform 1975/76 gehört Gladbeck wieder zum Kreis Recklinghausen mit insgesamt zehn Städten. Der Kreis Recklinghausen ist mit rund 610 000 Einwohnern nach wie vor der bevölkerungsreichste Kreis Deutschlands.
Katastrophenjahr 1816: Das „Jahr ohne Sommer“
Eine der ersten Verordnungen unter preußischer Verwaltung war eine ganz entscheidende für Gladbeck: Nach zehn Jahren wurden 1821 die Grenzen der Bürgermeistereien neu eingeteilt und die Zersplitterung des Kirchspiels Gladbeck rückgängig gemacht. Gladbeck blieb aber in der Bürgermeisterei Buer, wo Wilhelm Tosse als Bürgermeister und später Amtmann wirkte.
Eine weitere ganz wichtige Arbeit unter preußischer Verwaltungsherrschaft war auch die genaue Erfassung und Vermessung des Kirchspiels: 1823 entstand so das Urkataster Gladbecks.
Von all dem bekamen normale Gladbecker nicht viel mit, sie hatten andere Sorgen: 1816 war ein dramatisches Jahr – es ging als „Jahr ohne Sommer“ in die Geschichte ein. Das Wetter war total nass und kalt in jenem Jahr. Bereits im viel zu kühlen Mai hatte es angefangen zu regnen – den ganzen Sommer gab es Dauerregen, Monate war die Sonne nicht zu sehen. Und es war außergewöhnlich kalt, nachts zum Teil nur 3 Grad Celsius. Straßen und Wege versanken im Morast, große Gebiete standen unter Wasser, die Infrastruktur brach zusammen. Getreide, Gemüse und Kartoffeln verfaulten auf den Feldern, die Ernte deckte nicht mal die Hälfte des Bedarfs. Folge: Hungersnot und zunehmend Armut.
Überall in Europa gab es diese Katastrophen. Heute weiß man, dass ein Vulkanausbruch größten Ausmaßes auf der indonesischen Insel Sumbawi (die schwerste Eruption seit 25 000 Jahren) die Ursache war. 150 Mrd Tonnen Staub verdunkelten weltweit den Himmel und sorgten über Monate für Wetterkatastrophen.