Gladbeck. . Stadt hat Spezialfirma mit der Innenreinigung des Gebäudes beauftragt. Voraussetzungen für die Vermarktung werden damit geschaffen. Gefahrloser Zugang für Interessenten wäre ab Ende Juli möglich.
In den seit Jahren ruhenden Betonklotz am Markt ist seit einigen Tagen Leben eingekehrt. Männer in weißen Ganzkörperanzügen mit Schutzmasken reinigen den stark von Schimmel befallenen Hochbunker, der 1943 errichtet wurde. Ein Zeichen dafür, dass das imposante Bauwerk im Herzen der Stadt jetzt offensiver vermarktet
werden soll. Die WAZ hatte Gelegenheit, das sonst nicht öffentlich zugängliche Gebäude zu besichtigen.
Ein beklemmender Rückblick in die Zeit des Kalten Krieges, als der im II. Weltkrieg mit Platz für 949 schutzsuchende Menschen errichtete Zweckbau Anfang der 1970er Jahre reaktiviert und als öffentlicher Schutzraum ertüchtigt wurde. Hinter den zwei Meter dicken fensterlosen Wänden verbergen sich Keller, Erdgeschoss und fünf Oberetagen – letztere als karge Notbehausung für Schutzsuchende.
Bedrückende Enge
In den dortigen engen, kaum zwei Meter breiten Flurkorridor reihen sich dicht nebeneinander an den Wänden gegenüberliegend angebrachte orangefarbene Plastiksitze. Der lange triste Gang wird von Zugängen zu Räumen unterbrochen. Hinter den Türen sind weitere beengte Aufenthaltsbereiche zu finden. Sitzräume, vollgestopft mit zusätzlicher Bestuhlung für 60 Personen oder Liegeräume mit dicht an dicht in Dreieretagen übereinander gestapelten grauen Schlafpritschen für 30 Personen. Ulrich Steffek vom Amt für Immobilienwirtschaft nennt die in alten Lageplänen verzeichneten Kapazitäten: „Erstes Obergeschoss 83 Liegen, 165 Sitze; zweites OG 96 Liegen und 172 Sitze; drittes OG 96 Liegen und 170 Sitze.“ Das vierte und fünfte Staffelgeschoss sind etwas kleiner: „Platz für 58 Sitze und 20 Liegen bzw. 62 Sitze und 24 Liegen“.
Rund 2000 Schutzräume in Deutschland
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es derzeit nur noch rund 2000 öffentliche Schutzräume für die Bevölkerung.
D
ie nach dem Zweiten Weltkrieg ertüchtigten Bunker sowie die mit Bundesmitteln errichteten neuen Mehrzweckanlagen (z.B. in Tiefgaragen) hatten ursprünglich den Zweck, einen Grundschutz für die Bevölkerung zu gewährleisten. Sie boten etwa zwei Millionen. Menschen Platz.
In Gladbeck wurden bereits die Bunker an der Ufer- oder Korte-straße an Privatleute verkauft. Weitere alte öffentliche Luftschutzräume, z.B. in Schulen, werden heute als Lagerräume genutzt.
Kaum vorzustellen, wie hier der Bunkeralltag ausgesehen hätte; mit eng beieinander sitzenden, verzweifelten Menschen, schreienden Kindern mit kaum Platz für ihren Bewegungsdrang und sicher auch abgestandener Luft, trotz mächtiger Filter und Umluftanlagen im Kellergeschoss. Keine Privatsphäre, auch nicht im Hygienebereich der Toiletten bei vier offen nebeneinander angebrachten Kloschüsseln und Waschbecken an der Wand. Duschen sucht man vergeblich, das über Brunnen aufbereitete Wasser war knapp. Die Stromversorgung für Licht und Lüftung konnte über einen Dieselgenerator autark aufrecht erhalten werden – so lange, bis der Treibstoff zur Neige ging.
Verwaltet wurde der Schutzbunker im Erdgeschoss vom Schleusenwärter (Eingang) und Bunkerwart. Hier sind auch Ausgabetheken für Nahrung und Hygieneartikel zu finden, ebenso ein Sanitätsraum und eine Kommunikationszentrale. Sie offenbart antiquierte Technik der 70er Jahre mit dicken Schaltknöpfen, Drehscheibentelefonen, UKW-Radio und Mikrofon für Funkverkehr wie Nachrichtenempfang.
„Auch für uns ist das ein ungewöhnlicher und interessanter Auftrag“, sagt Thorsten Nüsgen. Chef des Bottroper Unternehmens Proclean, das mit der Reinigung der insgesamt 1100 Quadratmeter Grundfläche beauftragt wurde. Palettenweise mussten eingelagerte Hygieneartikel, etwa Babywindeln, entsorgt werden. Die Kartons dicht von Schimmel befallen, ebenso wie weitere organische Flächen in den Räumen. „Die reinigen wir jetzt mit einer rückstandsfreien Kombilösung “, erklärt Nüsgen. Dann werden die Innenluft gefiltert und Trocknungsanlagen eingesetzt, „so dass das Gebäude Ende Juli wieder gefahrlos betreten werden kann“.
Keine absoluten Schnäppchen
Ein ungewöhnliches Wohnhaus, ein Museum oder eine auffällige Firmenzentrale – die möglichen Folgenutzungen für alte Bunkeranlagen sind vielfältig. Welche Zukunft der markante Bau im Herzen der Gladbecker Innenstadt hat, ist noch ungewiss. „Mit der Reinigung wurden jetzt aber die Voraussetzungen für die weitere Vermarktung geschaffen“, sagt Christiane Schmidt vom Presseamt der Stadt.
Die Stadt verwaltet den imposanten Schutzraum für den Bund. Mit der sich verändernden Weltlage hatte die Bundesregierung im Einvernehmen mit den Ländern im Jahre 2007 entschieden, den öffentlichen Schutzraumbau flächendeckend aufzugeben. Bis Ende 2009 wurden zu diesem Zweck rund 200 bundeseigene Hoch- und Tiefbunker entwidmet und vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) übergeben.
Nach und nach wurden seitdem im Rahmen der Rückabwicklung öffentliche Schutzräume repräsentabel hergerichtet und Verkaufsexposés von der BImA erstellt, die für die Verwertung der Bundesimmobilien zuständig ist. Aktuell werden auf deren Homepage in NRW der Hochbunker am Autobahnkreuz Kaiserberg in Duisburg und der Hochbunker in Krefelds Stadtmitte angeboten. Das nötige Kleingeld sollte aber vorhanden sein, denn die Betonklötze sind nicht als absolute Schnäppchen zu haben und mit einem Kaufpreis von 170 000 bzw. 220 000 Euro veranschlagt.
Ansprechpartner für den Ankauf von Bunkergrundstücken, auch bei Interesse für den Gladbecker Hochbunker am Markt, sind auf der Homepage der BImA unter www.bundesimmobilien.de zu finden.