Gladbeck. . Junge Bürger gehen ohne Berührungsängste mit den Butzer-Schanzen um. Viertklässler der Lambertischule lassen sich von Kunst inspirieren.
Die Wogen schlugen hoch wie nie in der Bürgerschaft, als die Neue Galerie zur Ausstellungseröffnung der Arbeiten von André Butzer lud. Die Bandbreite der Kommentare zur umstrittenen Schau reichte von „Ein Besinnungsort für Gladbecker“ über „mutig“ bis zur Frage: „Ist das noch Kunst?“. Doch was die Erwachsenen Kunstfreunde so schrecklich erregte, ließ den Nachwuchs ziemlich cool: Gleich drei vierte Klassen der Lambertischule stürmten gestern die Galerie – von Berührungsängsten keine Spur. Auch kleine Bürger mischen sich ein, nur eben ganz anders.
„Das ist auch so gewollt“, sagte Jens Dornheim, technischer Leiter der Galerie, denn die Schüler sind beim Projekt Kulturstrolche dabei, was als besonders niederschwelliges Angebot gilt, um Einrichtungen in der Stadt kennen zu lernen, die diese Kinder und ihre Eltern sonst nicht so auf dem Schirm haben. Als die 23 Schüler der 4c zusammen mit Lehrer Boris Hudournik voller Erwartung zunächst auf dem Fenstersims Platz nahmen, um Grundsätzliches über die Galerie zu erfahren, da hatte Dornheim schon zwei Kulturforschertrupps der vierten Klassen gebändigt. Lustig war’s, auch, weil eine Klasse die vorangegangene Nacht wegen eines gemeinsamen Übernachtungstreffs zum Tage machte. Dornheim: „Die schliefen mir im Sitzkreis ein, haben ihre praktische Arbeit aber doch noch geschafft.“
Die 4 c jedenfalls zeigte sich putzmunter und völlig ohne Scheu vor den Riesenformaten, die bekanntlich in heftigem Schwarz gehalten sind. Die kleinen Kunstforscher stürmten unbefangen voran und machten erst kurz vor den Wandbildern stopp, bevor sie ihrer Fantasie freien Lauf lassen konnten. Dornheims einzige Regel hielten sie dabei respektvoll ein: „Bitte nicht anfassen!“ Warum auch, hingucken reichte doch völlig aus. Alles schwarz? Nur eine weiße Rampe? Daneben eine einsame Linie? Alles gleich? Ach was. „Da links, die Linie ist viel dicker.“ „Und die Rampe dort, die ist viel steiler.“
Viel Weltraum hinterm Schwarz
Überhaupt der Raum. Kerem (10) war begeistert: „Das müsste mein Kinderzimmer sein, so schön groß ist das hier.“ Allein die Bilder hätte er gerne „etwas bunter“. Aber Pior (9) hält tapfer dagegen. „Die Bilder sind doch schön.“ Und ihr staunender Blick schien noch mehr zu sagen: „Ich möchte selber Künstlerin werden.“
Und dann schoss es aus den Schülermündern förmlich hervor. Suad (10) sah hinterm Schwarz das Weltall mit einem Raumschiff. Delvion (9) versuchte gar seine Blickachsen zu beeinflussen und formte die Finger seiner Hände zu einem Fernglas: „Da, das ist doch eine Torte.“ Die Fantasie schien keine Grenzen zu kennen. Hinterm Schwarz versteckten sich nach Schülermeinung Autos, Monstertrucks, Vögel, Schiffe, U-Boote. Dornheim zeigte sich höchst erstaunt: „Super, ihr seht ja Dinge, die ich noch nicht gesehen habe.“
Klar, dass die dermaßen angeregten Betrachter die Praxisphase genauso engagiert angingen. Mit Schere, Kleber, schwarzem, weißem und farbigem Tonpapier ging’s zur Sache, verwandelten sich die Schüler kurzerhand in Künstler und fertigten Collagen. Mit durchaus erstaunlichen Ergebnissen: Roboterwesen, Weltraumbilder mit Planeten, Unterwassermotive, Pflanzen, Wellen, Explosionen. Unglaublich, was die heftig kritisierten Butzer-Bilder im kreativen Nachgang so alles bewirken können.