Gladbeck. Ein unbekannter Künstler fertigte die hochwertige Holzschnitzkunst 1516. Seit 2012 ziert der wertvolle Altarschmuck die Propsteikirche St. Lamberti.
Zuletzt rückten es die Scheinwerfer beim ZDF-Pfingstgottesdienst ins rechte Licht und machten es bundesweit bekannt: das prachtvolle Retabel in der St.-Lamberti-Kirche. Sagenhafte 500 Jahre alt wird die gotische Holzschnitzkunst in diesem Jahr, die seit 2012 im Chorraum der Propsteikirche steht und immer wieder begeisterte Bewunderer findet.
Es ist ein Original von 1516 . Damals schuf ein unbekannter Künstler diesen aufklappbaren Holzschrein – ein herausragendes Beispiel jener gotischen Schnitzkunst, die im Mittelalter als Kirchenschmuck sehr gängig war. Mit der weihnachtlichen Geburtsszene ohne Krippe ist das Retabel sogar ein Kunstwerk, das es so kaum ein zweites Mal geben dürfte. Die Aufschrift der Jahreszahl „1516“ – im aufgeklappten Zustand auf den hinteren Seiten zu finden – gibt eine eindeutige Auskunft über das Alter des Altarretabels (aus dem Lateinischen „retro tabula altaris“ – Tafel hinter dem Altar). „Das Retabel ist eine kunsthistorische Bereicherung unserer Kirche“, so Propst André Müller.
Trotz einer Recherche bei den Kunstsachverständigen im Bistum konnte St.-Lamberti-Historikerin Dr. Elke Dißelbeck-Tewes aber nichts Näheres über den Künstler, seinen Auftraggeber und den ersten Standort des Flügelaltars herausfinden. Allerdings bestätigten die Kunstexperten des Bistums schon vor Jahren die Hochwertigkeit der Arbeit, von der wohl bekannt ist, dass sie einst eine Schlosskapelle am Niederrhein schmückte.
Über Umwege kam es Mitte der 60er Jahre ins Bistum Essen und fand in der Kapelle des ehemaligen Priesterseminars in Essen-Werden für lange Zeit einen Platz. Nach einer Neugestaltung der Kapelle war das Retabel „übrig“, wurde eingelagert und kam auf Initiative von Altpropst Karl-Heinz Berger und Propst André Müller schließlich nach Gladbeck. Es fand nach aufwändigen konservatorischen Maßnahmen durch die Restaurationsfirma Berchem aus Essen-Werden vor der hinteren Wand des Chorraums einen Platz – als Dauerleihgabe des Bistums.
Das aufklappbare 1,65 m hohe und 3,85 m breite Altar-Retabel besteht komplett aus Holz und steht auf einem 1,60 m hohen Sockel. Auf der Rückseite sind Ölgemälde zu finden. Vorn sind die biblischen Szenen (neben der Geburts- auch die Anbetungsszene der Heiligen drei Könige) sowie 14 Figuren (Zeugen des Glaubens wie Apostel, Heilige und Märtyrer) zu sehen. Alles mit reichlich Blattgold und plastischem Weinlaub verziert.
Der heilige Lambertus kam ganz neu ins Retabel
Eins in der Szenerie des Retabels stammt nicht von 1516: Die 1,30 Meter große, in der Mitte platzierte Skulptur des heiligen Lambertus: Sie kam nachträglich zu Weihnachten 2013 dazu und stammt aus der renommierten Werkstatt des Holzschnitzkünstlers Manfred Eich aus Oberammergau.
Die zweieinhalb Zentner schwere Figur, mit Blattgold und Farbe versehen, passt sich ausgesprochen gut in das gotische Gesamtbild der Figuren ein. „Ein Meisterwerk“, schwärmt Propst Müller. Vier Wochen reine Arbeitszeit – verteilt über mehrere Monate – waren nötig, um aus einem Block französischen Lindenholzes die Heiligenfigur zu schaffen: eine Figur mit Bischofshut, Lanze und betenden Händen.
Ursprünglich stand wohl auf dem Platz, von dem Lambertus nun über die Geburtsszene wacht, eine Marien-Statue mit dem Jesuskind auf dem Arm. Wie sie abhanden kam und wann – das bleibt das Geheimnis dieses Flügelaltars. Sie gilt als verschollen.