„Hermann, bringst du mal den Müll raus?” So – vielleicht in einer Neubausiedlung in Butendorf oder in einem Mehrfamilienhaus in Rentfort – könnte eine Geschichte beginnen, die ein wenig später und einige Kilometer die B 224 hinunter Richtung Essen in einem mächtigen und mächtig heißen Ofen endet.
Oder doch nicht ganz endet, denn die von der RWE Power AG betriebene Anlage in Essen-Karnap, wohin der Hausmüll aus Gladbeck und vier weiteren Revierstädten gebracht wird, ist keine reine Müllverbrennungsanlage, sondern ein Müllheizkraftwerk.
Und so sorgt zum guten Schluss der Müll aus Rentfort oder Butendorf mit dafür, dass in 20 000 Haushalten des Reviers die Bewohner im Winter warme Füße haben, dass in 70 000 Haushalten das Licht brennt, dass mit den Resten aus der Verbrennung Straßen gebaut oder Salzbergwerke verfüllt werden.
Aber der Reihe nach: Den Müllbeutel, den Hermann auftragsgemäß in die graue Tonne geworfen hat, holt der Zentrale Betriebshof Gladbeck zusammen mit vielen weiteren aus der Nachbarschaft ab, bis der Müllwagen mit etwa sieben bis acht Tonnen Ladung randvoll ist. Dann geht's ab nach Karnap. Im Müllheizkraftwerk angekommen, ist der Gladbecker Wagen dann einer in einer Reihe von täglich rund 450 Mülltransportern, die die Reste aus den Haushalten (auch Sperrmüll und hausmüllähnliche Gewerbeabfälle) in einen riesigen Bunker kippen.
Auch zu Silvester gab es hier keine Pause. . .
Der fasst 10 000 Tonnen, den Müll von vier Werktagen, genug, um den Dauerbetrieb der vier Verbrennungslinien zu garantieren – auch über Wochenenden und Feiertage wie gerade jetzt über Weihnachten oder Silvester und Neujahr. Wie es von hier aus weitergeht, erklärt Dr. Manfred Schäfer, Leiter Regionale Dienste bei RWE-Power und nicht von ungefähr Profi im Erklären. „Jedes Jahr kommen etwa 130 Besuchergruppen hierher, um zu erfahren, was mit dem Müll passiert. Das interessiert Schulklassen und Vorstände ebenso wie Kegelvereine oder Familien, die wissen wollen, wo ihr Müll bleibt”, weiß er.
Wie aller Abfall wird auch Hermanns Müllbeutel im Laufe des Prozesses von einem riesigen Greifer gepackt, der mit einem Mal fünf Tonnen aus dem Bunker in einen der vier Aufgabetrichter befördert, von wo aus er letztlich mit einem hydraulischen Schieber in den Feuerraum befördert wird. Zwei solcher Krananlagen, gesteuert aus stationären und klimatisierten Kabinen, gibt es hier. „Der Job der Kranführer ist sehr verantwortungsvoll”, sagt Dr. Schäfer. Denn die Männer – wie an diesem Tag Thomas Radeck – überwachen u.a. auch Infrarotkameras, um eventuell entstehende Brände frühzeitig zu erkennen. Und sie haben auch ein Auge dafür, wenn sich in diesem riesigen Müllberg Teile befinden, die nicht in die Öfen gehören. „Wir haben hier schon ganze Getriebe von Großraumbaggern herausgeholt”, erzählt Thomas Radeck.
Sechs Walzen transportieren den Müll durch den Verbrennungsraum
Ist der Müll endlich im Feuerraum gelandet, transportieren sechs hintereinander angeordnete Walzen das brennende Material langsam durch den Verbrennungsraum, bis er zu Asche ausgebrannt ist. „Das dauert etwa 45 Minuten”, erläutert Dr. Schäfer.
Übrig bleiben neben der Asche rund 1000 Grad heiße Rauchgase, die natürlich nicht einfach in die Luft geblasen werden. Vielmehr erhitzen und verdampfen sie Wasser, das sich hinter jedem Ofen in einem 80 Kilometer langen Rohrsystem befindet. Der Dampf treibt eine Turbine an, ein angekuppelter Generator wandelt die Bewegungsenergie der Turbine in elektrische Energie um, die ins Netz eingespeist wird. Ein Teil des Dampfes wird ausgekoppelt und erwärmt das Heizwasser für die Fernwärmeschiene Ruhr.
So weit zur Verbrennung und Gewinnung von Strom und Wärme. Ein großer Teil der Karnaper Anlage dient aber dazu, Schädliches von der Umwelt fern zu halten. Immerhin liegt der Komplex direkt neben Wohnbebauung und so gelten für die Anlage hohe Anforderungen an Lärmschutz, Schutz vor Gerüchen, Schutz vor der Emission von Schadstoffen. Das gelingt offenbar gut: „In den letzten 20 Jahren klappt das Miteinander mit der Karnaper Bevölkerung reibungslos”, versichert Dr. Manfred Schäfer. Nicht zuletzt werden alle Werte ständig behördlich überwacht. „Sie liegen weit unter den zulässigen Grenzwerten.”
Wesentlicher Bestandteil der Umweltschutz-Anstrengungen ist die Rauchgasreinigung. Ehe etwas aus dem 200 Meter hohen Kamin entweicht, der damit übrigens das höchste Bauwerk Essens ist, muss es durch einen Elektrofilter, der die Rauchgase von Staubpartikeln befreit. Anschließend werden Schwermetalle, Schwefeldioxid, Chlor- und Fluorwasserstoff ausgewaschen.
Ein Aktivkoksfilter hält danach restliche Schwermetalle, Dioxine und Furane zurück. Zuletzt reduziert ein Katalysator die Stickoxide aus den Rauchgasen.