Freitagnachmittag, kurz nach zwei Uhr. Ich sitze mit acht weiteren Bandmitgliedern in einem kleinen Unterrichtsraum direkt unter dem Dach in der Musikschule. Im Selbstversuch nehme ich als WAZ-Berichterstatterin am Jazzworkshop teil, mit geringen Jazz-Vorkenntnissen und nur mäßiger Begeisterung für diesen Musikstil – aber mit großer Neugier.
Alle Teilnehmer des Jazzworkshops werden zu Beginn in Bands aufgeteilt, in denen sie dreieinhalb Tage lang Jazzmusik proben, um sie am Sonntag aufzuführen. Bandleiter Marc Picker (43) hat mich zum Schnuppern in seine Band mitgenommen. Ich packe meine Querflöte aus und fühle mich in der kleinen Gruppe direkt wohl. „Wer bist du, und was machst du hier?“, werde ich gefragt. Hier duzt man sich, die Atmosphäre ist familiär und entspannt. Das erlebe ich die ganze Zeit. Ich stelle mich als Zeitungsjournalistin vor – und werde direkt willkommen geheißen.
Wir proben zunächst „Slow Sixteen“, einen langsamen Blues. Dann das mehr von der Melodie als vom Namen bekannte „Fragile“ von Sting. Ich lerne, dass viele Jazzstücke einen Hauptteil besitzen, in dem alle Instrumente spielen, und dann einen Soloteil, der beliebig wiederholt werden kann, bevor der Hauptteil wiederholt wird und das Stück endet. Im Soloteil begleitet die Rhythmusgruppe, in dieser Band bestehend aus Schlagzeug, Klavier und Bass, ein weiteres Bandmitglied, das ein Solo improvisiert. Ich traue mich nicht, höre aber den anderen Solisten begeistert zu. Dozent Marc Picker erklärt: „Jazzmusik fängt dann an, Spaß zu machen, wenn alle Teile ineinander greifen.“
Nach zwei Stunden lösen sich die Bandproben auf und alle ähnlichen Instrumente finden sich zum Unterricht zusammen. Mit einem Dozenten üben sie noch einmal instrumentenspezifisch und besprechen die jeweiligen Musikstücke.
Masterclass mit Wiederholungstätern
Samstagmorgen probiere ich mich in der Masterclass aus. Hier proben die fortgeschrittensten Musiker des Workshops. Geleitet wird die Masterclass von gleich zwei Dozenten: Christian Kappe (45) aus Münster und Heribert Kohlich (58), der eigens aus Wien angereist ist. Auch hier werde ich gut aufgenommen und darf, soweit ich kann, mitspielen. Ich lerne Gereon Stein kennen. Der 50-Jährige kommt aus Bottrop und ist selbst ernannter „Wiederholungstäter“. Er nimmt mit seinem Tenorsaxophon schon zum fünften oder sechsten Mal am Jazzworkshop teil. „Jedes Mal lerne ich etwas Neues“, erzählt er begeistert.
Wir üben „Don’t get around much anymore“, einen Swing-Klassiker, und anschließend „The Jody Grind“. Die Stimmung ist die ganze Zeit angenehm entspannt und freundlich. Ich habe den Eindruck, dass hier jeder von jedem lernen kann – und auch möchte. Alle zehn Musiker der Masterclass probieren Soli, ich verzichte wieder dankend.
Mit der Mittagspause am Samstag endet mein Selbstversuch. Ich habe es genossen, in der Gruppe Musik zu machen und darüber ins Gespräch zu kommen. Der Workshop hat mir gefallen. Ich kann ihn jedem empfehlen, der Spaß an Jazz hat und sich darin ausprobieren will.