Montagmorgen, kurz vor sechs. Müde Gestalten schleichen über die Hegestraße und verschwinden in der Josef-Kirche. Das sind keine heimlichen Verschwörungstreffen, sondern in der Fastenzeit feiern einige Gemeindemitglieder „Frühschicht“. KAB, Kirchenchor, Pfadfinder und andere Gruppierungen der Gemeinde bereiten im wöchentlichen Wechsel eine kurze Andacht vor. Danach gibt es Frühstück im Gemeindeheim.

Beten bei Kerzenschein

In der Kirche brennen Kerzen im Altarraum, alle künstlichen Lichter sind ausgeschaltet. Die Besucher der Frühschicht kennen sich aus, denn die meisten kommen schon seit Jahren her. Sie stellen sich im großen Kreis um den Altar herum auf.

„Frauen gehören an den Herd und können nicht einparken“, sagt da jemand in die Stille hinein. „Dicke stinken“, ruft ein zweiter. Es folgen weitere Vorurteile, die in der Gesellschaft weit verbreitet sind.

An diesem Montag sind die Pfadfinder die Ausrichter der Frühschicht. Es geht um „Schubladendenken“: oft ist es einfacher, Menschen in Schubladen zu sortieren, aber so bemerken wir gar nicht mehr, dass Menschen ganz anders sein können als wir denken. Die Pfadfinder appellieren: „Öffnet eure Schubladen, eine nach der anderen und traut euch, Menschen ,umzusortieren’!“ Gesungen wird auch in jeder Frühschicht, was, hängt von der Planung der jeweiligen Gruppe ab.

Frühschicht hat Tradition

Die Frühschichten gibt es in St. Josef schon seit über 20 Jahren. Gemeindemitglied Thomas Sommer (54) erinnert sich: „Pastor Hoffmann hat die Frühschichten damals initiiert. Zuerst nur für Jugendliche in der Schwesternkapelle. Das ist dann irgendwann gewachsen“. Vom Schwesternheim zog man in die Kirche um und inzwischen treffen sich wöchentlich 60 bis 70 Kinder und Erwachsene zur Frühschicht.

Frühstück mit Tiefgang

Anschließend wird zum Frühstück ins Gemeindeheim eingeladen. Etwa die Hälfte der Frühschichtler nimmt daran teil. Die Leute genießen, bei einer Tasse Kaffee und einem belegten Brötchen miteinander ins Gespräch zu kommen. KAB-Vorstand Theo Holländer ist begeistert von der Schubladen-Frühschicht. Er findet: „Man fühlt sich schon ertappt, wenn Vorurteile angesprochen werden. Wir sortieren doch leider viel zu häufig Menschen in Schubladen ein. Aber das ist einfach bequemer.“