Gladbeck. . Für massive Schulverweigerer wurde bereits vor 15 Jahren in Gladbeck das Schulersatzprogramm als Sondermaßnahme für individuelle Bildung geschaffen.

Die Gründe, warum es mit der Schule nicht klappt, sind vielfältig, oft gibt es gravierende Probleme im Elternhaus. Extrem auffällige Jugendliche, die auch die Mitarbeit im Unterricht verweigern, können das gesamte Klassenklima nachhaltig stören. Eine wichtige Hilfsmaßnahme, ein Ausweg für verzweifelte Gladbecker Schüler und Eltern sowie eine Entlastung für die Regelschulen ist das Schulersatzprogramm (SEP), das im Mikado beheimatet ist. Ein Angebot in Kooperation zwischen dem Amt für Jugend und Familie, der Erich-Fried-Hauptschule, dem Schulamt des Kreises und dem AWO-Unterbezirk Münsterland-Recklinghausen als Träger der Maßnahme.

Zielgruppe sind massive Schulverweigerer ab 13 Jahren, die ihre Schulpflicht noch nicht erfüllt haben und Hilfe zur Erziehung (Allgemeiner Sozialer Dienst) erhalten. Im Jugendhilfeausschuss stellte sich jetzt die Einrichtung vor. Was die Lokalpolitik besonders beeindruckte: Auch SEP-Schüler hatten den Mut, im Ratsaal öffentlich über ihre Lebenssituation zu berichten (Text unten).

Erzieher Michael Holtmann, der das SEP leitet, schilderte vorab den Tagesablauf in der ,Ersatzschule’, die bis zu zehn Schülerinnen und Schüler aufnehmen kann. „Der Tag startet immer um 8 Uhr mit einem gemeinsamen Frühstück“, denn ein Teil der Schüler habe daheim dazu kein Angebot. Dieser Runde Tisch sei ganz wichtige Beziehungsarbeit, „um Vertrauen zu schaffen, um auch im Gespräch zu erfahren, wie die aktuelle Verfassung der Schüler ist – was am Vortag für sie gut gelaufen ist, oder was sie belastet.“ Die Eltern werden zudem in Beratungsgesprächen in die Maßnahme eingebunden.

Ein Ziel sei schon erreicht, wenn es gelinge, dass die Schüler wieder eine Tagesstruktur annehmen und regelmäßig zum Unterricht erscheinen. „Wir fahren, wenn nötig, dazu auch mal daheim vorbei, um sie abzuholen, bis es läuft.“ Ziel sei die Wiedereingliederung in den Regelunterricht oder der Einstieg in eine Anschlussmaßnahme wie das Werkstattjahr. Zudem werden Berufspraktika bei unterschiedlichen Partnern etwa im Einzelhandel, Handwerk oder beim Zentralen Betriebshof ermöglicht.

Wichtig sei es, ohne Druck die individuelle Förderung anzugehen, so dass es auch keine Noten, sondern ein Gutachten zum Leistungsstand gebe, erklärt Lehrer Sebastian Jähn. Der Hauptfokus liegt so auch nicht nur auf dem Schul-, sondern auch auf dem Werkunterricht. „Um durch Konzentration und Ausdauer wieder Erfolgserlebnisse zu erfahren“, so Werkpädagoge und Malermeister Detlef Kreul.

In den letzten fünf Jahren besuchten 67 Jugendliche das SEP. Zwei konnten wieder in die Regelschule zurückkehren und 43 in weiterführende Qualifizierungsmaßnahme vermittelt werden. Über die Hilfen zur Erziehung unterstützt die Stadt das Angebot mit rund 48 000 Euro jährlich. „Sehr sinnvoll investiertes Geld“, so Sozialdezernent Weichelt, „damit der Sprung ins Leben gelingt.“

Jetzt habe ich den Mut, zur Schule zu gehen 

„Jetzt habe ich den Mut, zur Schule zu gehen und den Abschluss zu schaffen“, erzählt Chantal (19) im Jugendhilfeausschuss. An der Regelschule habe sie große Probleme mit Lehrern und Mitschülern gehabt, „dort hat mich niemand verstanden“. Erst im Schulersatzprogramm habe man endlich ein „offenes Ohr“ für ihre Nöte gehabt.

Ähnliches berichtet Schulkollege Dominik, „das SEP hat mir mehr als gut gefallen, besonders das Zusammensein dort“, so der 19-Jährige, der nach dem Hauptschulabschluss jetzt wie Chantal das dritte Realschul-Semester der Volkshochschule besucht „um zu versuchen, die Fachoberschulreife zu schaffen“.

Das ist für Jan-Luca noch Zukunftsmusik. Er habe an der Hauptschule massive Probleme gehabt, „dann ein Internat besucht, das pleite gegangen ist“, so der 14-Jährige. Das Jugendamt habe eine andere Lösung gesucht, das SEP vermittelt, und hier fühle er sich wohl. Hier könne er zwischendurch beim Kickern auch mal „die Wut, die nicht rauskommt, auspowern“. Und jetzt absolviere er ein dreimonatiges Praktikum in der Grünflächenabteilung vom ZBG, „eine gute Sache, die Spaß macht“, zieht Jan-Luca zufrieden Bilanz. Erfolgserlebnisse im Praktikum können offenbar bei ihm der Schlüssel sein, um sich Lernziele für die Zukunft zu setzen