Gladbeck. . Aus einer Beschäftigungsmaßnahme entwickelte sich eine Begegnungsstätte in Gladbeck. Auch der Förderverein wandelte sich entscheidend.

Der Anfang war ein ziemlich verfallenes altes Bauernhaus. Und eine Idee von Emil Schmidtobreick: das Relikt aus Gladbecks Vergangenheit zu retten. „Er hat den Kotten Nie zu seiner Herzensangelegenheit gemacht“, sagt Bodo Dehmel, Vorsitzender des Fördervereins, über den ehemaligen Leiter des städtischen Jugendamtes. Der heute 78-Jährige war es, der den Stein ins Rollen brachte und einen Pfeiler für das setzte, was das Areal in Gladbeck-Ost heutzutage darstellt: ein beliebter Kulturtreff für (junge) Familien, Kinder und Senioren. Und ohne Schmidtobreicks Engagement gäbe es auch den Förderverein Kotten Nie nicht, der in diesem Jahr seinen 30. Geburtstag feiern kann – Gelegenheit, einmal zurück zu blicken.

Restaurieren und erhalten

„Er hat seinerzeit wohl niemals geglaubt, dass hier eine Begegnungsstätte entsteht“, meint Dehmel, „Emil Schmidtobreick wollte eigentlich das Haus restaurieren und erhalten.“ Denn: „Das Gebäude, das der Stadt gehört, stand viele Jahre leer. Nachdem es einmal fast abgebrannt ist, sollte es abgerissen werden.“ Unbestätigt blieb die Kunde, die durch Gladbeck ging, dass sich Kaufinteressenten für den Baugrund gemeldet hätten.

Mit Fachleuten

Aber nicht mit Emil Schmidtobreick. Als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) wurden zwölf Arbeitsplätze geschaffen, um dem historischen Fachwerk-Gemäuer zu neuem Glanz zu verhelfen. „Ohne den Schreiner Bernhard Nattkämper und den Polier Franz Körbel wäre das Projekt nicht realisierbar gewesen“, betont Dehmel. Am 4. Juli 1985 konnte das Richtfest gefeiert werden.

Eine weitere tragende Säule neben den erfahrenen Handwerkern Nattkämper und Körbel: der Förderverein. Agnes Allkemper, Dehmels Stellvertreterin, sagt: „Er wurde gegründet, um alle Möglichkeiten, auch die finanziellen, auszuschöpfen und flexibel zu bleiben.“ Verein zur Förderung von Jugend und Kultur hieß er. Sein Ziel: arbeitslose Jugendliche unterstützen. Es wurden weitere Gebäude neu errichtet: Remise, Pferdestall, Backhaus. „Sie komplettieren das Ensemble um die Tenne, die unter Denkmalschutz steht“, so Dehmel.

Öffnungszeiten und ausführliche Auskünfte

Das Büro des Fördervereins am Kotten Nie an der Bülser Straße 157 ist täglich – von Montag bis Freitag – zwischen 11 und 14.30 Uhr geöffnet.

Wer sich für die Aktivitäten des Fördervereins interessiert, kann sich während der Bürozeiten unter 6 63 65 informieren. Ein Kontakt per E-Mail ist möglich über „info@kotten-nie.de“.

Allkemper erzählt: „Am Scheideweg stand der Verein Anfang 2000, denn ABM gab’s eigentlich nicht mehr.“ Der Zeitpunkt zu überlegen, ob und wie es weitergehen soll, war gekommen. Dehmel: „Es ging nicht mehr in erster Linie um Beschäftigung.“ Der Förderverein schrieb sich auf die Fahne, sich für die Kultur, den Erhalt des Anwesens und das Zusammenleben der Bewohner in Ost zu engagieren. „2004 wurde ein komplett neuer Vorstand gewählt, die Satzung wurde geändert“, berichtet Dehmel, „der Verein musste sich verselbstständigen.“ Bis zum Jahr 2010 war das Jugendamt Betreiber des „Kotten Nie“: „Dann fiel der Entschluss, ab 1. Januar 2011 die Einrichtung komplett von der Stadt zu übernehmen.“ Eine fünfstellige Summe gibt’s als festen Zuschuss aus der Stadtkasse.

Eine rasante Entwicklung habe der Treff in den vergangenen Jahren genommen. Dehmel: „Etwa 60 Mitglieder hatte der Verein im Jahr 2003. Es gab keine 20 Veranstaltungen.“ Allkemper: „Jetzt haben wir 70 Veranstaltung.“ Christmas Rock, Kindersonntag, diverse Feste, St. Martinszug und vieles mehr stehen auf dem Programm des Vereins mit fast 300 Mitgliedern.

Gerettetes Relikt aus der Stadtgeschichte 

Das hätten sich die einstigen Kotten-Bewohner auf dem Areal an der heutigen Bülser Straße nicht träumen lassen: Wo sie schufteten, verbringen die Menschen ihre Freizeit: Musik, Tanz, Feste, Kinderspaß – für all dies ist das historische Gebäude ein Treffpunkt, der sich auch über Gladbecks Stadtgrenzen hin­aus einen Namen gemacht hat.

Schon anno 1574 genannt

Auf einem Balken über dem Eingang zur Tenne ist zu lesen: Hermann und Gertrud Niehe 1802. Bodo Dehmel, Vorsitzender des Fördervereins, erläutert: „Sie haben früher den Kotten bewirtschaftet.“

Das Gebäude mit dem bildschönen Fachwerk ist ein Relikt aus einer Zeit, in der Gladbeck noch landwirtschaftlich geprägt war – mit den Höfen Kruse, Dume und Hegemann zählte dieser Grund und Boden zum Oberhof Allinghof. Darauf nimmt die heutige Allinghofstraße Bezug. Es existieren Zeugnisse, die Hinweise auf die Vergangenheit des Nie-Hofes geben. So wurde er bereits anno 1574 in einer Steuerliste, dem Vestischen Schatzzettel, geführt. Vier Reichstaler hatten die „Gladbeckerschen von den Nygen“ zu berappen. Und auch später taucht der Hof wiederholt in offiziellen Aufzeichnungen auf, so im Jahre 1660 im Kurfürstlichen Lagerbuch und am 20. April 1698 im Taufregister Lambert.

Stadt ist Eigentümerin

Und da sind sie auch zu finden: Hermann und Gertrud, die sich im besagten Holzbalken verewigt hatten. Die Hochzeit der Erbtochter im Jahre 1801 mit Hermann Kleine-Lohmann aus Bottrop ist vermerkt. Der Kotten Nie wurde ein gutes Jahrhundert später verpachtet an den Bauern Anton Löns. Die Stadt Gladbeck ist seit den 1930-er Jahren Eigentümerin des vor dem Verfall geretteten Gebäudes, das seit 1985 unter Denkmalschutz steht.