Gladbeck. Die Einrichtung an der Mühlenstraße meisterte ein schwieriges Jahr. 250 Menschen mit Behinderungen stellen Produkte her, die konkurrenzfähig sind.
In den Caritaswerkstätten an der Mühlenstraße ist zur Zeit Weihnachtspause. Aber auch schon vor den Feiertagen war es beim Besuch der WAZ in den einzelnen Werkstattbereichen ruhiger als sonst – viele der Mitarbeiter nutzten die Gelegenheit, letzte Urlaubstage vor die Werkstattferien zu legen. „Für uns geht ein schwieriges Jahr mit etlichen Herausforderungen zu Ende, das wir letztlich aber doch ganz gut gemeistert haben“, bilanziert Andreas Trümper, Leiter der Caritaswerkstätten für Menschen mit Behinderungen.
Unterm Strich erwirtschafteten die 250 Beschäftigten in den verschiedenen Bereichen der Werkstätten – von der Schlosserei über Industrie- und Elektromontage, Schreinerei, Großküche, Gärtnerei oder Näherei -- ein Arbeitsergebnis von rd. 540 000 Euro, das in etwa auf Vorjahresniveau liegt, so Trümper. Der Leiter betont, dass die Caritaswerkstätten Dienstleister auf hohem Niveau seien, ausschließlich Auftragsfertigungen für die regionale Wirtschaft erledige.
„Wir fertigen keine Eigenprodukte und sind schon gar keine Bastelstuben“, so Trümper, der beispielhaft auf Schlosserei-Produkte wie Stellringe zur Fixierung von Antriebswellen verweist, die mit einer CNC-gesteuerten Drehbank für einen namhaften Pumpenhersteller produziert werden. Die Qualität der Arbeit sei entscheidend, „und da sind wir top.“ Jeder Mitarbeiter werde seinen Fähigkeiten entsprechend eingesetzt. Trümper: „Wir müssen uns durchweg mit normalen Betrieben messen und an Marktpreisen orientieren.“ Einen Bonus, weil in den Werkstätten Menschen mit Behinderungen tätig seien, gebe es von Auftraggebern nicht, auch wenn langjährige Kontakte mitunter mal den Ausschlag geben können.
Um konkurrenzfähig zu bleiben, müsse man auch investieren: Noch im Frühjahr habe man eine rund 60 000 Euro teure CNC-Drehbank angeschafft, „die rechnet sich nur, wenn es entsprechende Aufträge gibt“, sagt Gruppenleiter Wolfgang Jockenhöfer, der auf kontinuierliche Auftragsarbeiten für kleine bis mittelständische Firmen der metallverarbeitenden Branche verweist.
In der Schreinerei fertigen sie, u.a. an der Kappsäge, Transportpaletten und Holzverschläge. „Die sind von der Qualität bestens und können weltweit zur Verpackung eingesetzt werden“, erläutert Gruppenleiter Theo Heisterkamp, der sogar meint, „dass wir besser sind als Konkurrenten – weil unsere Mitarbeiter gewissenhaft sind und selbst kleinste Fehler ausbügeln, die andernorts durchgehen“, lobt Heisterkamp.
In der Großküche, berichtet Trümper, bereiten 13 Mitarbeiter am Tag 500 Mahlzeiten zu – für die Kollegen in der Kantine, aber auch für Schulen und Kindergärten. Die Gärtnerei erledige Aufträge für die Stadt, aber auch für Firmen und private Auftraggeber. In der Industriemontage werden gerade Einsätze für Luftfilter-Anlagen hergestellt. Die Elektromontage habe im Vergleich noch viele einfache Montagearbeiten, „hier stehen wir aber in Konkurrenz zu anderen Anbietern wie etwa Justizvollzugsanstalten“, berichtet der Einrichtungsleiter.
Insgesamt sei es Auftrag der Caritaswerkstätten, Menschen mit Behinderungen zu qualifizieren „und ihnen dauerhaft Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen“. Neben dem breiten Angebot in den verschiedenen Werkstattbereichen stelle die Caritas zunehmend auch ausgelagerte Arbeitsplätze in Betrieben und Einrichtungen am ersten Arbeitsmarkt zur Verfügung.
Caritas baut Förderbereich für Schwerstbehinderte komplett um
Der Caritasverband wird im neuen Jahr kräftig in den Förderbereich der Werkstätten investieren: Für rund 300 000 Euro wird der gesamte, 600 Quadratmeter große Erdgeschossbereich komplett umgebaut.
Laut Werkstättenleiter Andreas Trümper sei die Sanierung und Umgestaltung des Förderbereiches, in dem Schwerst- und Mehrfachbehinderte arbeiten, mehr als nötig – „es ist alles zu klein, zu verwinkelt und entspricht nicht mehr dem heutigen Standard“. Die Pläne seien fertig, die Umbaugenehmigung liege vor, bald nach der Jahreswende gehe es mit der Modernisierung los. „Das liegt uns wirklich sehr am Herzen.“
Der Arbeitsbereich, der bei diesem Personenkreis gleichzeitig auch Aufenthaltsbereich sei, werde komplett entkernt und umgestaltet. U.a. wird es auch neue Pflegebäder und einen separaten Speiseraum geben, erläutert Trümper. Eine besondere Herausforderung werde es sein, dass die Umbauarbeiten während des laufenden Betriebes durchgeführt werden. „Aber das werden wir schon meistern“, ist er sicher.
Die Caritaswerkstätten gibt es schon seit über 40 Jahren. Sie starteten 1972 in Feldhausen, Ende der 70er Jahre bezog man die Räumlichkeiten an der Mühlenstraße. In den Werkstätten finden ausschließlich Menschen Aufnahme, die dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund ihrer Einschränkungen nicht zur Verfügung stehen. Finanziert werden die Werkstätten in NRW durch die Landschaftsverbände, jedoch müssen die Löhne der behinderten Beschäftigten durch die Werkstätten erwirtschaftet werden.
Seit November ein neues System zur Entlohnung
Ende dieses Jahres stellte die Caritas die Entlohnung der 250 Beschäftigten in den Werkstätten um. Es ging darum, so Werkstättenleiter Andreas Trümper und Caritas-Geschäftsführer Rainer Knubben, die Entlohnung gerechter und leistungsorientierter zu gestalten.
Die Berechnung orientiere sich nun individuell nach fünf Bewertungskriterien: Schwierigkeitsgrad der Arbeit, Arbeitsmenge und -güte, Qualifikationen und Motivation. Jeder Beschäftigte erhalte mindestens 75 € im Monat plus 26 € Arbeitsförderungsgeld, zusammen 101 €. Das Maximum liege bei 325 €, gesteigert differenziert nach Leistung und Einsatz. 120 Beschäftigte erhalten durch die Umstellung seit November mehr, 70 gleich viel und 60 weniger Lohn. Durch Deckelung bei langjährig Beschäftigten (über 25 Jahre) schrumpfte diese Zahl auf 45. Nur 16 haben Abzüge von mehr als 10 € (höchstens 60 €). Alle Beschäftigten seien durch die Entlohnung kranken- und rentenversichert.
Kritik, dass die Umstellung zu wenig und zu spät bekannt gemacht wurde, weisen Knubben und Trümper zurück. Schon im Herbst 2014 sei über die geplante Umstellung informiert worden. Kurz vorher gab es Einzelgespräche mit den Betreuern derjenigen, deren Differenz größer als 10 € ist. Im November dann (mit der ersten neuen Abrechnung als Hintergrund) folgte eine Infoveranstaltung mit Gesprächsangeboten bei Problemen. „Das lief alles transparent und mit Augenmaß.“