Gladbeck. . Der 52-jährige Gladbecker Dirk Juschkat liebt das Gedichteschreiben. Seit Jahren ist er in der heimischen Literaturszene unterwegs. Am 1. Dezember liest er um 16 Uhr im Cafe Zeitlos.

Auf der rot-weißen Visitenkarte stehen drei Wörter. Sie drücken in knapper Form aus, was ihm sehr viel, ja alles bedeutet: „Leben schreibt Lyrik“. Dirk Juschkat gießt in Reimform was ihm im Alltag begegnet – und er arbeitet sich an sich selber ab, an seinem Inneren, seinem Zustand, seiner Krankheit.

„Mit meinen Depressionen und Angstzuständen gehe ich bewusst öffentlich um, schreibe darüber. Denn ich will den anderen Menschen zeigen: Ihr seid nicht allein.“ Aber es gilt auch: Das Schreiben ist für ihn ein Stück weit Hilfe zur Selbsthilfe. „Da kann man etwas ‘rauslassen.“ Mit dem Verfassen von Texten hat der heute 53-Jährige als Schüler begonnen. Schon damals waren es „zu 98 Prozent Gedichte“ die er verfasste. „Lyrik fand ich schon immer toll.“

Bis 2002 war der Ratsgymnasium-Absolvent bei der Stadt Bottrop beschäftigt. Das Aus kam krankheitsbedingt, die folgende Umstellung war schwer, dauerte ein paar Jahre. „Ich hab’s gepackt, fing 2008 mit dem Schreiben endlich wieder an.“ Natürlich mit Lyrik. „Denn damit kann ich Ereignisse konkretisieren, sie in Zeilen packen die sich reimen. Und zwar möglichst in gleicher Silbenzahl, in der sich betonte und unbetonte Silben abwechseln.“

Vier Strophen zu je vier Zeilen

Um seine Gedanken auf den Punkt zu bringen, hat Juschkat viele seiner Gedichte standardisiert: Vier Strophen zu je vier Zeilen. Beim Verfassen ist äußerste Konzentration angesagt. „Da gehen schon mal ein paar Stunden drauf.“ Fernsehen oder Musikhören sind dabei tabu, – „zum Verseschmieden benötige ich Ruhe“ – und doch ist die Musik für ihn wichtig. „Musik und Lyrik sind artverwandte Themen, auch Lyrik hat eine Melodie.“ Und er sagt: „Ein gutes Lied und ein gutes Gesicht haben immer eines gemeinsam, sie lassen innere Bilder entstehen und berühren die Seele.“ Themen findet er überall, wortwörtlich auch auf der Straße. „Was ich höre und sehe muss ich sofort umsetzen.“ Das können dann Begegnungen im Café sein, aber auch der Besuch des Vertreters, der plötzlich an der Haustür klingelt und penetrant die Unterschrift für einen Vertrag einfordert.

Die Umsetzung erfolgt dann in den eigenen vier Wänden mal humorvoll, mal scharfsinnig oder auch zeitkritisch, dabei sieht er seine Gedichte durchaus in der Tradition von Erich Kästner angesiedelt. Aber auch über die Mühsal des Formulierens schreibt er, macht Gedichte übers Gedichteschreiben. Ein Gräuel ist ihm eher die moderne Lyrik. „Das sieht oft so aus, als wenn einer eine Kurzgeschichte schreibt und irgendwann auf die Returntaste drückt.“ Absolut nicht sein Ding. Juschkat: „Ich bin der klassische Reimer.“

Notizen macht sich Juschkat regelmäßig – auf dem Smartphone. Der alte Notizblock hat bei ihm längst ausgedient. Doch die Stichworte müssen sein. „Es ist eine Begleiterscheinung meiner Erkrankung, dass ich mir nicht mehr soviel merken kann.“ Ein Leben ohne das Reimen möchte er sich nicht vorstellen wollen. „Ich habe Spaß beim Schreiben, es macht mich zufrieden. Es ist Verarbeitung und Ablenkung zugleich.“ Ja, er sagt auch im Hinblick auf seine Krankheit: „Ohne das Schreiben müsste ich mir eine andere Ablenkung suchen.“ Es ist ihm ein Anliegen, die Menschen mit seiner Lyrik zum Nachdenken anzuregen. „Aber sie sollen sich auch drin wiederfinden, sollen sagen: damit identifiziere ich mich.“