Gladbeck. Ballonfahrer aus aller Welt werden zum Gordon Bennet-Race erwartet. Schirmherrin ist Bundeskanzlerin Merkel. Vorbereitungen laufen schon.

Die Vorbereitungen laufen längst an der Ellinghorster Straße 135. Hier auf dem Verbandsplatz des Deutschen Aero Club startet Mitte September 2016 das härteste Ballonrennen der Welt – das Gordon Bennett Race.

Teilnehmer aus aller Welt füllen dann hier ihre Ballonhüllen mit Wasserstoff, den der Platz aus einer Fernleitung des Chemieparks Marl bezieht. Wilhelm Eimers holte das Rennen nach Deutschland und damit nach Gladbeck, denn der 65-Jährige wurde im vergangenen Jahr mit seinem Co-Piloten Matthias Zenge Weltmeister.

Gasballonfahrer, die Schiffer der Lüfte

Im spitzen Winkel von Ellinghorster Straße und Ringallee, der beleuchteten Marathon-Bahn, steht ein unscheinbares, anderthalb Geschosse hohes Gebäude. Es ist rot angestrichen, ein Teilbereich des Gartens von einem Sicherheitszaun umfasst.

Die Sandsäcke, die Wilhelm Eimers hier füllt, sind für die Fahrt enorm wichtig.
Die Sandsäcke, die Wilhelm Eimers hier füllt, sind für die Fahrt enorm wichtig. © Unbekannt | Unbekannt

Dahinter verbirgt sich der Zugang zu einer Ferngasleitung, die den kostbaren „Saft“ bereit hält, den die Nutzer des Hauses und des angrenzenden Wiesengeländes für ihre Passion unbedingt benötigen: Wasserstoff für die Gasballonfahrer, die Schiffer der Lüfte.

Das Haus steht auf dem Gelände des Verbandsstartplatzes des deutschen Aero Club NRW, der vom Niederrheinischen Verein für Luftschifffahrt 1902 e.V. mit seinen rund 50 Mitgliedern betrieben wird. Gemütlich ist es drinnen, eine Mischung aus Vereinsheim und Hobbyraum samt Kommandozentrale.

Den Ballast richtig austarieren

Die Wände hängen voll mit Fotos von Ballonen. Grandios: die Gestaltung der kleinen Theke in der Erfrischungsecke. Sie ist aus einem Ballonkorb samt Seilen und Gestänge gefertigt. Ballonfahrers Welt pur – auch am Boden. Wilhelm Eimers ist hier zu Hause. Er ist Mann der ersten Stunde des Gladbecker Verbandsplatzes. Der Elektrotechniker und Hauptbrandmeister im Ruhestand ist ein Macher, ein sehr agiler Mensch, gefühlt immer in Bewegung und auf dem Sprung. Aber kein Luftikus. Im Gegenteil, er ist hochverantwortlicher Gasballon-Pilot mit langjähriger Erfahrung als Leistungsfahrer.

Der Platz hat die gleichen rechtlichen Grundlagen wie ein Flugplatz

Seit 1996 gibt es den Platz in Ellinghorst, auf dem heute Gas- und Heißluftballone starten und landen dürfen. Es war nicht leicht, den Platz zu pachten, denn der Bauer, dem der Acker gehört, wollte zunächst nicht so richtig. Doch das war erst der Anfang, noch fehlte der Gasanschluss. Der kam erst 2006 hinzu. Eimers hatte den Platz bewusst ausgewählt, denn hier verläuft die Fernleitung vom Chemiepark Hüls nach Köln. Ein Anzapfen war also technisch möglich. „Allein zehn Jahre hat es gedauert, um alle Genehmigungen zu erhalten“, erinnert sich der 65-Jährige.

Wilhelm Eimers hat das Rennen bereits einmal gewonnen.
Wilhelm Eimers hat das Rennen bereits einmal gewonnen. © Unbekannt | Unbekannt

Kein Wunder, denn „der Platz hat die gleichen rechtlichen Grundlagen wie ein Flugplatz“. Polen, Amerikaner kommen regelmäßig vorbei und natürlich Deutsche. Das sind nicht viele, gerade einmal 200 deutsche Gasballone gibt es. „Man kennt sich. Mit Piloten, Helfern und Verfolgern, das sind die, die uns nach der Landung wieder abholen, kommen wir auf vielleicht 300.“

Die Ballonfahrer nehmen auch Gäste mit

Schon am Samstag wird wieder gestartet, das Wetter soll ja schön werden. Bis in 1000 Meter Höhe ist es genehmigungstechnisch kein Problem, geht’s weiter hinauf, muss die Fahrt beim Tower Düsseldorf angemeldet werden. Auch Gäste nehmen die Ballonfahrer mit, die vier bis fünf Stunden dauernde Fahrt kostet dann 250 Euro im Gasballon und 300 Euro im Heißluftballon. Grundsätzlich gilt: Ein Gasballon ist nicht ganz so schwierig zu fahren wie ein Heißluftballon. Mit Korb und Hülle kommt so ein Ballon auf rund 300 Kilogramm.

Allein die Sandsäcke, die für den Ballast sorgen und deren Inhalt schüppchenweise abgeworfen wird, sind zehn bis 15 Kilogramm schwer. Eimers: „Die Kunst des Ballonfahrens ist das Austarieren des Ballasts.“ Eimers setzt dabei auf den Gasballon. „Er ist der Rolls Royce der Ballone, ganz still und ganz ruhig.“ Und er ist nicht billig. Die Anschaffungskosten liegen bei 70 bis 80 000 Euro. „Da ist man schon auf einen Sponsoren angewiesen.“ Eine Füllung Wasserstoff mit rund 1000 Kubikmetern kostet 300 bis 350 Euro, mit Versicherung entstehen so Kosten pro Fahrt von bis zu 700 Euro.

Balloninfiziert wurde Eimers als 14-Jähriger. „Der Ballon landete an der Ruhr, wir rannten hin und durften im Korb auf vier Meter Höhe steigen.“ An seine Ballontaufe 1975 erinnert er sich gerne. Sein Name: Wilhelm Graf von Seppenrade. 1979 folgte der Pilotenschein, 1981 dann der erste eigene Ballon. Das Ballonfieber sollte ihn nicht mehr loslassen.

Angela Merkel ist Schirmherrin

Die Wiese hinterm Vereinshaus in Ellinghorst wird für die Teilnehmer des Gordon Bennett Rennens zum Starten nicht ausreichen. Wilhelm Eimers: „Wir stehen mit dem Bauern in Verhandlungen, benötigen den angrenzenden Acker – aber als Rasenfläche.“ Denn der Untergrund muss wegen der Schwere der Gasballons fest sein.

Erwartet werden für die Starterwoche im September 2016 immerhin 25 Teilnehmer aus zehn Ländern. Zugelassen sind dabei maximal drei Ballons aus einem Land. Eimers: „Ich hoffe, dass auch die Japaner mit ihrem einen Ballon kommen werden.“ Die Unterbringung der Gäste erfolgt im benachbarten Van der Falk Hotel. Schirmherrin des härtesten Ballonrennens der Welt ist Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Auf die Zugkraft ihres Namens setzt Eimers. „Ich hoffe, dass das Türen öffnet, denn wir suchen noch Sponsoren.“ Die Hauptstarts sind für Samstag, 17. September, vorgesehen. Aber schon die ganze Woche über wird vom Platz aus gestartet. Dank der vorhandenen Pipeline mit Wasserstoff sind die Ballonfahrer unabhängig. Sie können spontan auf das Wetter reagieren und jederzeit die Ballons füllen, ohne die Mühen des logistischen Aufwands durch anzufordernde Gase-Transporter. Auch der Sand für die Ballastsäcke ist bereits geliefert. „Wir nehmen nur Rheinsand 02. Der rieselt nämlich, während der Halterner Sand schmiert.“

Das Gordon Bennett Rennen ist eine Weit- und Dauerfahrt. Entfernungen bis zu 2000 Kilometern sind da drin. Es ist die älteste jährlich stattfindende internationale Ballonsportveranstaltung für Gasballone. Initiator war der Amerikaner James Gordon Bennett junior, der Verleger des New York Herald.

Gewitter sind das Schlimmste für Ballonfahrer

Startplatz im südfranzösischen Vichy.
Startplatz im südfranzösischen Vichy. © Eimers | Unbekannt

Er hat jahrzehntelange Erfahrung als „Balloner“ und Vorsitzender der Freiballonkommission des Deutschen Aero Club Landesverband NRW: Wilhelm Eimers (65). Das Ballonfahren ist für den vierfachen Bennett-Gewinner mehr als ein Hobby, es ist ein Lebenselexir.

Was war Ihre heftigste Fahrt?

Wilhelm Eimers: Sie werden es nicht glauben, es war die letzte Fahrt im September. Wir sind in Pau gestartet, einem wunderschönen Ort am Fuße der französischen Pyrenäen. Nach 62 Stunden landeten wir in Polen. Doch zuvor erlebten wir in der zweiten Nacht heftigste Gewitter. Das ist das Schlimmste, was einem als Ballonfahrer passieren kann. Ich habe kein Auge zugemacht und inständig gehofft, dass wir endlich landen können. Dabei wünschen wir uns als Ballonfahrer eigentlich, immer oben zu bleiben.

Hatten Sie dort oben schon Angst?

Mir war schon mal mulmig, aber da oben gibt es keine Angst. Schließlich sind die Vorbereitungen sehr umfangreich und wir starten nur bei gutem Wetter. Auf eine Fahrt kommen zwei abgesagte.

Was ist besonders am Ballonfahren?

Das völlig geräuschlose Dahingleiten, das Gucken in alle vier Himmelsrichtungen, die unglaubliche Perspektive und die grenzenlose Aussicht.

Warum heißt es „Glück ab“?

Das Wichtigste beim Ballonfahren ist die glückliche Landung. Start und Fahrt sind kein Problem. Aber das Landen hat es in sich. Das ist wie Autofahren ohne Bremse. Deshalb: „Glück ab“.

Bei langen Touren schlafen Sie im Korb. Wie geht das?

Im Korb sitzen wir auf einer Bank, fürs Schlafen gibt es ein Brett auf dem Boden, die Füße können wir dank Klappe im Korb herausstrecken. Schlafzeit: im Schnitt vier Stunden.

Warum heißt es fahren und nicht fliegen?

Die Ballonfahrt war die erste Luftfahrt. Wir nennen uns auch Luftschiffer, denn der Ballon schwimmt im Luftmeer, der Wind treibt ihn voran. Alles ohne Antrieb, deshalb heißt es fahren.

Was muss ich als Ballonfahrer mitbringen?

Man muss als Pilot entscheidungsbereit sein, Durchsetzungsvermögen zeigen. Denn was der Pilot sagt, das gilt. Technisches Verständnis hilft bei Ausfällen, und Gesundheit ist wichtig. Natürlich gehört auch der Pilotenschein dazu sowie Teamgeist. Man sollte auch naturverbunden und ein kleiner Romantiker sein. Denn es gibt so viel Tolles zu sehen von da oben.