Gladbeck. . Diskussion mit dem stellv. Chefredakteur Dr. Alexander Marinos über die Medienberichterstattung und Informationswünsche der Leser.

Über Flüchtlinge reden zurzeit alle: Am Stammtisch, an der Kaffeebude, im Büro, in der Familie, mit Freunden. Auch die Medien berichten tagtäglich, manchmal stündlich. Das Thema polarisiert, brennt unter den Nägeln und wirft viele Fragen auf, auch vor Ort. Wie sehr es die Gladbecker bewegt, das zeigte eine Diskussion mit dem Leserbeirat der Gladbecker WAZ, zu der auch der stellvertretende Chefredakteur Dr. Alexander Marinos nach Gladbeck kam.

„Egal, wie wir berichten, für einige ist es immer falsch“, schildert er aus journalistischer Sicht eine Gratwanderung zwischen notwendiger, seriöser Information und der Gefahr, Beifall von der falschen Seite zu bekommen. Die Situation stelle sich mehr und mehr „total polarisierend“ dar. Es sei für Journalisten eine enorme Herausforderung, wahrhaft zu berichten, alle Probleme zu schildern, aber auch Chancen zu benennen.

Die Leserbeiräte nutzten intensiv die Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge zu schildern. Manfred Bayer forderte, objektiv zu berichten, „aber reflektiert“, also Fakten darzustellen und Dinge einzuordnen. Die Menschen seien zunehmend verunsichert, vermissen einen Plan bei den Verantwortlichen. Klaus Bondzio meinte, Journalisten sollten ruhig „etwas schärfer“ mit dem Thema Flüchtlinge umgehen, „Deutschland kann nicht die ganze Welt retten“. Gladbeck habe aber auch noch andere Probleme, warnte Hans Karwig davor, sich nur auf die Flüchtlingsproblematik zu beschränken. Überall werde gespart, „jetzt wieder bei Jugendeinrichtungen“, aber für die Bewältigung der Flüchtlingsproblematik sei Geld da. „Da kommt Missmut auf.“

Cuma Cetin kritisierte,insgesamt fehle der Politik ein Konzept, man hole Menschen ins Land, ohne eine Zukunftsvision zu haben. „Das ist zum Scheitern verurteilt.“ Er habe ein Grundvertrauen in die Medien. Aber er erwarte von seiner Zeitung mehr Informationen zur Situation der Flüchtlinge in der Stadt, mehr Details, wie es weitergeht, „auch die Stadtverwaltung muss mehr liefern“.

Berichte über das Schicksal einzelner Flüchtlinge würden helfen, so der Leserbeirat, die Akzeptanz in der Bürgerschaft zu erhöhen. Heike Makowka: „Man muss die einzelnen Mentalitäten erklären.“ Michael Schneider fürchtet, dass man, sobald es kritisch werde, in „die rechte Ecke“ gestellt werde. Alexander Marinos: „Wir müssen und wollen so umfassend wie möglich die Dinge darstellen, auch das, was die stille Mehrheit denkt.“

Flut von Schmähbriefen 

Dr. Alexander Marinos berichtete beim Treffen mit den Leserbeiräten der WAZ Gladbeck auch von vielen Schmähbriefen und einer Flut von Beleidigungen, die die Redaktionen derzeit in Sachen Flüchtlingsproblematik erreichten. „Was da reinkommt, geht auf keine Kuhhaut.“ Berichterstatter wie die WAZ-Redakteure würden, so sein Eindruck, verwechselt mit den Verursachern der Flüchtlingswelle und den Politikern, die versuchten, damit umzugehen.

Für Journalisten sei es ein „ganz schwieriges Handwerk“, derzeit die „richtigen“ Informationen zu bekommen. „Wir kennen ja nicht die genaue Wahrheiten, und es werden viele Unwahrheiten, Behauptungen und viel Propaganda verbreitet.“

Leserbeirat Hans Karwig bedauert, dass sich viele Leser auch nur allzu gern fehl leiten ließen. Manfred Bayer befürchtet, dass „die Demokratie zur Zeit auf den Kopf gestellt wird“.

Heike Makowka und Margarethe Niewerth berichten, dass Ältere angesichts der Informationsflut von Verlustängsten befallen werden oder Angst vor Einquartierungen haben. Marinos dazu: „Wir müssen die Dinge noch mehr einordnen.“