Gladbeck.. Fard aus Gladbeck: Ein Internetvideo beförderte ihn mitten in die Asyldebatte. Mit seinem neuen Album „Ego“ zeigt er sich als Heimatvertriebener.
„Kinder an die Macht“ forderte Herbert Grönemeyer einst, denn sie wissen: „Es gibt kein Schwarz, es gibt kein Weiß“. Für den Gladbecker Rapper Fard (30) ist Grönemeyer nicht nur ein musikalisches Vorbild, der gebürtige Iraner hat auch schon einem Vierjährigen zu mächtiger Wirkung verholfen: Mitte August lief während eines Interviews mit dem Rapper zufällig der kleine Niklas ins Bild – und Fard fragte ihn, ob auch Ausländer seinen Kindergarten besuchen. Die Antwort: „Nein, da sind Kinder!“ Das Video wurde im Netz zum Hit. Und zur Waffe gegen rechte Hasskommentatoren.
So viel Aufmerksamkeit wie durch das Video ist Fard bis dato nicht zuteil geworden. Dabei hatte er es doch mit seinem letzten Solo-Album „Bellum et Pax“ schon auf Platz zwei der Albumcharts gebracht. Aber erst das Video mit Niklas machte ihn in einer breiten Öffentlichkeit zum Fürsprecher einer bunten Republik. Fard nahm seine neue Rolle an. „Ich war damit in der Position, zu dem Flüchtlingsthema etwas Positives beizutragen, das viele Leute erreicht“, sagt er. „Und das ist ein Urgedanke von Hip-Hop: die Leute durch eine positive Botschaft zu verbinden.“
Rapper Fard wurde als Kind ausgelacht
Seitdem fordert Fard seine 800 000 Facebook-Fans dazu auf, Menschlichkeit im Umgang mit Flüchtlingen zu zeigen. Dazu veröffentlichte er noch im August den Song „Mittellos im Mittelmeer“, in dem er die Sehnsüchte, Ängste und Erwartungen von Flüchtlingen bündelte. Vor allem Mitgefühl auslösen wollte er damit. „Denn man muss die Kritiker da abholen, wo es von der menschlichen Sicht am einfachsten ist – und das sind Emotionen.“
Eine Rezeptur, die er auf seinem im Oktober erscheinenden Album „Ego“ wieder anwendet. Es ist gegliedert in fünf Kapitel, fünf Phasen, die unterschiedliche Facetten von Fards Persönlichkeit vertiefen. Eine davon: die „Fluchtphase“. Fard bezeichnet sich als „Rap-Superstar aus dem Flüchtlingslager“. 1991 floh er mit seinen Eltern aus dem Iran, die liberal eingestellte Familie floh vor der Bedrohung durch das Mullah-Regime. Das Leben im Flüchtlingsheim kennt Fard genau, also nimmt es viel Platz ein auf einer Platte, die so sein soll wie sie heißt: „,Ego‘ – das bin ganz ich“, sagt Fard.
In der „Fluchtphase“ rappt er erst darüber, wie er Deutschland selbst als Neuankömmling erlebt hat: „Die Wohnung ist klein und die Nachbarn sind laut, wir sprechen kein Deutsch und sie lachen mich aus“. Und versetzt sich dann in die Lage eines Kindes, das seinen Vater und alle Hoffnungen im Gaza-Krieg verloren hat.
"Ein Porträt von der Straße malen"
Neben derart gefühlsgeladenen Liedern ist ein großer Teil von „Ego“ auch unter dem Credo „Rap ist aggressiv, ich töte den Beat“ entstanden. Die „Huckleberry-Finn-Phase“ etwa soll das Leben in der Gladbecker Hochhaussiedlung so detailgetreu abbilden wie es Mark Twains Roman mit der US-amerikanischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts tat – und dabei wird kein Blatt vor dem Mund genommen. Hat Fard keine Sorge, Menschen damit zu verschrecken?
„Ist mir egal“, sagt Fard, „ich will ein Porträt von der Straße malen ohne zu verschönern oder zu glorifizieren.“ Fard hat kein Talent, sich zu verstellen. Er hält das für Ruhrpott-typisch: „Wir sind bodenständig und immer ganz nah am richtigen Leben.“
Genau wie: Herbert Grönemeyer. Ein Vorbild von Fard, weil er schwierige Themen immer mit guten Ideen umgesetzt habe: „Viele andere Rapper sind mir oft zu plump“, sagt Fard. Konzeptalben wie „Ego“ sind denn auch selten im deutschen Rap. Und statt nur bedrohlich zu klingen, hält Fard auch einen Grundgedanken des Hip-Hop am Leben: die gute Botschaft.