Gladbeck. Die Schließung der Kirchen sei notwenig, um nicht in die Schuldenfalle zu geraten. Ein Interview mit Propst André Müller.

Propst Müller, das ist schon starker Tobak, was die Pfarrgremien da beschlossen haben. Wie überzeugen Sie die Gemeindemitglieder von dem eingeschlagenen Weg?

Propst André Müller: Mit Sachargumenten. Wir haben gar keine andere Wahl, um handlungsfähig zu bleiben. Wir müssen aufpassen, dass wir angesichts hoher Gebäudeerhaltungskosten nicht in die Schuldenfalle geraten. Wenn wir nichts tun, ist unser Etat ab 2020 defizitär. Wir brauchen aber finanzielle Spielräume, um grundsätzlich aktiv bleiben zu können und Handlungsspielräume zu haben.

Ist der Eindruck richtig, dass mit dem Votum die traditionellen Gemeinden ausgedient haben?

Das alte Gemeindeleben, die pulsierende Pfarrfamilie – das ist tatsächlich vorbei. Es ist das Ende der Gemeindetheologie. Künftig wird Kirche Projektarbeit sein, eine Kirche nah bei den Menschen, die sich um soziale Problemstellungen kümmert.

Es fällt auf, dass St. Marien erhalten bleibt. Damit war nicht unbedingt zu rechnen?

Aber genau dieser Stadtteil mit einem hohen Unterschichtenmilieu muss von uns diakonisches und karitatives Handeln erwarten können. Deshalb wollen wir dort eine Sozialkirche errichten, um in Kooperation mit der Caritas Menschen in prekären Lebenssituationen helfen zu können. Aber wir wollen auch in einem Stadtteil, in dem zunehmend Menschen leben, die keinen Glauben haben, und der gleichzeitig stark muslimisch geprägt ist, als Christen, als Katholiken die Fahne hochhalten.

Was machen Sie mit den Kirchen, die bald nicht mehr nötig sind?

Zunächst einmal: Zum Erhalt des letzten Ziegels können wir nicht den Haushalt leer ziehen. Wir müssen die Gebäude-Ressourcen mit den Notwendigkeiten in Einklang bringen. Das tut weh, aber es ist nötig. Was die Sakralgebäude, allen voran Heilig Kreuz und Herz Jesu, anbelangt, müssen wir nach neuen Nutzungsmöglichkeiten suchen. Da ist die ganze Stadtgesellschaft gefordert. Im übrigen ist es keine Lösung, dass – wie in Schultendorf – ein Förderverein eine Kirche übernimmt. Das wollen wir bewusst nicht, weil es die finanzielle Last nur auf andere und die Probleme in die Zukunft übertragen würde.

Wie schnell läuft der Prozess nun?

Das ist alles auf Langfristigkeit ausgelegt bis 2030. Nirgendwo wird schon morgen etwas geschlossen. Aber es ist einfach nötig, frühzeitig eine neue Entwicklung anzustoßen.