Gladbeck. . Sehr grün und sehr ruhig ist der Friedhof Mitte-Ost. Hier findet der Großstädter Entspannung und Besinnung.
Durchatmen, anhalten, Pause machen. Das geht hervorragend auf dem Sofa, im Urlaub, aber auch im Stadtteil Mitte-Ost. Dort liegt ein Fleckchen Erde, das mit viel Ruhe aufwartet. Mit Ruhe für die Lebenden und für die Toten: der Friedhof Gladbeck Mitte.
Hier, am Rande des quirligen Stadtzentrums, liegt der Gottesacker, umgeben von Konrad-Adenauer-Allee, Feldhauser Straße, Kastanienstraße und Lindenstraße. Wer durch die Tore den Friedhof betritt, erreicht eine andere Welt. Es ist ein Ort der Stille, in seinen Randbereichen nur vom steten Rauschen und Brummen des Straßenlärms begleitet. Eine Art Hintergrundmelodie, die eher einlullt, denn stört.
Heike Jansen hört da schon gar nicht mehr hin. Die Zweckelerin verteilt Wasser aus der Gießkanne mit leichtem Schwall aufs Grab. Die Eltern liegen hier, die Tante auch. Pflegen und trauern gehen für Jansen eine Symbiose ein. Sie macht eine Gießpause und sagt: „Das mache ich, weil ich sie vermisse. Sie fehlen mir.“ Regelmäßig schaut sie vorbei, ist einmal die Woche hier.
Der Gang ist für sie kein Muss, er ist ein Wollen. „Wenn es eine Last wäre, dann hätte ich meine Verwandten doch anonym beerdigt.“ Sie genießt die großzügigen Grünflächen, mag das frische Grün der Mammutbaum- und Lindenallee. Ein Spaziergang durch den Park und Ausruhen auf den zahlreichen Bänken ist allerdings nicht so ihr Ding. „Vielleicht kommt das ja noch in 20 Jahren.“ Mit charmantem Lächeln hebt sie dennoch den Daumen. „Ich finde diesen Friedhof wunderschön, er ist besser als die in Brauck und Rentfort. Ach was, er ist der schönste in Gladbeck.“
Weiter geht’s, vorbei an ordentlich in Reih und Glied angelegten Gräbern von Zivil- und Bombenopfern, Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiten. Es sind über 1000. Prächtig ausgelegt und eindrucksvoll repräsentativ ist dazwischen die Säulenbuchenallee, die zu den Hochkreuzen des Ehrenfriedhofs führt.
Durch den Allee-Schatten schiebt Heinz Schulte-Rentrop sein Rad. Der Spross aus Urgladbecker Familie kommt jeden Tag hierher. Der Friedhof gehört zu seinem Leben. Er nennt ihn einen Raum der Besinnung, des Gedenkens, der Erholung und der Gespräche. Eine Stunde verbringt er, tankt bei so gut wie jedem Wetter Sauerstoff. „Das ist für mich eine grüne Oase.“ Sein Weg ist kurz, er wohnt gegenüber in der Kastanienstraße. Enkel, Schwager, Vater liegen auf dem Friedhof. Schulte-Rentrop pflegt die Gräber und lobt die „fantastische Ruhe“. Er setzt sich auch gerne auf eine der Bänke „und liest die Zeitung“. Mit Genuss, denn es wäre schon traurig, wenn es diesen Friedhof hier nicht gäbe, findet er. „Der Stadtteil kann froh sein, dass wir so etwas Grünes haben.“
Großes Lob für die Sauberkeit
Großes Lob kommt von Manfred Hohmann, der gerade Unkraut vom Grab seiner Mutter zupft. Lob für die Sauberkeit. Das sieht in anderen Städten ganz anders aus, so seine Erfahrung. „Hier ist es freundlich und ruhig.“ Und die stark befahrene Hauptstraße nebenan? „Ach, wer hier liegt, den interessiert das doch nicht.“ Jeden Sonntag spaziert er mit einer Bekannten über den Friedhof Mitte-Ost. „Wir schauen uns die Gräber an, finden unsere Ruhe dabei. Das ist eine richtige Idylle hier.“ Nur die Hasen, die frech zwischen den Grabstätten hoppeln, ärgern ihn ein bisschen. „Die sind überall. Manchmal erschrecke ich mich sogar richtig, wenn plötzlich einer neben mir auftaucht.“
Zu einem kleinen Familientreffen gerät heute die regelmäßige Grabpflege von Inge und Wilfried Engelen. Enkelin Michelle ist aus Frankfurt zu Besuch gekommen. Sie hat es sich mit Hund Charly auf einem Kissen neben dem Grab der Oma gemütlich gemacht. Inge entsorgt gerade die Eisbegonien, setzt frische Glockenblumen. Mit Harke und Besen werden Grab und Steinbegrenzung fein gemacht. Eine halbe Stunde Arbeit ist das, dann wird auf der Bank pausiert. „Wir genießen die Landschaft“, sagt Inge Engelen. Und: „Auch die Pflege ist Entspannung, da kann man herrlich seinen Gedanken nachhängen.“