Gladbeck. . Im Pop-Up-Store geht’s bunt zur Sache. Graffiti-Künstler Maurizio Bet lässt sich beim Arbeiten über die Schulter blicken.
„Wer zuerst kommt, malt zuerst“ – unter diesem Motto lädt der Gladbecker Graffiti-Künstler Maurizio Bet bis zum 30. Juni in den Pop-Up-Store im City-Center ein. Damit wird die dritte Stufe des ungewöhnlichen Projekts „Einzelhandel auf Zeit“ gezündet, das in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung und der Agentur C4C entstand. Waren im Pop-Up-Store zuvor Gewerbetreibende mit ihren Produkten zeitlich befristet aktiv, boten dort Kreatives und Mode an, so kommt jetzt die Jugendkultur zum Zug. Und wie.
Bunt und zackig sieht’s im Pop-Up-Store neben der Apotheke im Erdgeschoss aus. Ein Video-Beamer zeigt Bild um Bild Sprüharbeiten von Bet, dazu läuft Hip-Hop- und Dub-Step-Musik im Hintergrund. In den Regalen liegen Skateboards, Mützen, allesamt besprüht mit zackigen Mustern und Bildern. Mittig ruht der große Tisch, eine Glasplatte auf Kisten, bedeckt über und über mit unzähligen Skizzen. Skizzen, die demnächst in großformatige Arbeiten im Außenbereich umgesetzt werden.
Sprühkunst für die Unterhose
Auf einem Stuhl davor hockt Bet. Cool, locker, ein Fels in der zackig-schrillen Welt. Die Szene kennt den gebürtigen Recklinghäuser, der seit 24 Jahren in Gladbeck lebt, als „Anteiichi“. Das ist sein sogenannter „Tag“, seine Unterschrift, die er unter jedes Bild setzt. Sie bedeutet natürlich etwas, entstammt der japanischen Sprache, die Bet seit mehreren Jahren mit Unterbrechungen lernt, und bedeutet so viel wie „Ausgleich“ und die Zahl „Eins“.
Der 30-Jährige ist ein ruhiger, besonnener und sehr freundlicher Mensch. Keiner von denen, die krawallig auf Teufel komm raus ihre wüsten Sprühattacken zum Ärger von Hausbesitzern und Ordnungsämtern auf fremdem Eigentum hinterlassen. Im Gegenteil. Die Jugendkunstschule hat ihn als Dozenten engagiert, er gibt Kurse, arbeitet mit Schulen zusammen, verpasst großen Bussen als Firmenauftragein unverkennbares Signet, erledigt Auftragsarbeiten. „Wer will, kann sich von mir die Unterwäsche besprühen lassen.“
In der Hip-Hop- und Skater-Szene groß geworden
Über das Malen von Manga-Comics und die Hip-Hop- und Skater-Szene – „da bin ich aufgewachsen“ – kam Bet zur Graffiti-Kunst. „Ich nenne diese Kunst einen Lebensstil. Ich lebe sie, bin jeden Tag aktiv.“ Ob kleine Skizze, Leinwand oder große Wand – „Hauptsache man macht etwas“. Seine bevorzugten Motive sind Schriften, aber auch Landschaften und die Kombination aus beidem. Das ganze sehr farbig. „Mit Pastelltönen arbeiten will ich nicht, es soll grell und auffällig sein.“ Von Rumschmiererei hält er nicht viel. „Ich setze auf legale Untergründe, dann muss man nicht so viel rennen“, sagt er schmunzelnd, meint aber vor allem die künstlerische Qualität. „Mehr Zeit bringt einfach bessere Ergebnisse.“
Sein Atelier hat er bis zum 30. Juni im City-Center aufgeschlagen. „Jeder kann vorbei kommen und mir über die Schulter schauen.“ Mitmachen ist zudem erwünscht, kaufen möglich, Auftragsarbeiten werden gerne angenommen. In Workshops, nur durch eine Glasscheibe von den City-Center-Kunden getrennt, gibt Bet Hilfestellung. Erste Gäste sind Joke Schüttenhelm (17) und Cassandra Brand (17). Sie fertigen Skizzen, schaffen die Grundlage für großformatige Umsetzung am Schürenkamptunnel, der „Wall of Fame“ Gladbecks, der legalen Ausstellungsfläche. Hier sind neue Graffiti gern gesehen. Schüttenhelm: „Graffiti sind interessant, das macht nicht jeder.“ Und Brand, die von Schmierereien nichts hält: „Unsere sollen schön aussehen, deshalb geben wir uns viel Mühe.“