Gladbeck. Caritas-Heimstatt baute 1954 am Hartmannhof eigens ein Heim für Jugendliche aus Bayern. Viele blieben dem Revier und Gladbeck treu.


Sie sind nicht nur einer wie der andere 74 Jahre alt, sondern haben alle eine gemeinsame Herkunft, stammen aus Bayern: Ehemalige Zechenlehrlinge, die einst im Berglehrlingsheim am Hartmannshof im Braucker Süden untergebracht waren. Die WAZ-Zechenserie weckte bei ihnen zahlreiche Erinnerungen.

„Damals kamen viele Jungen aus Bayern ins Ruhrgebiet“, weiß Hans Boltendahl, der das Berglehrlingsheim aufbaute und zehn Jahre lang leitete. Der Ausbildungsleiter der Stinnes-Zechen, Olbrisch, warb Anfang der 50-er Jahre intensiv beim Arbeitsamt in Passau um ausbildungswillige junge Leute für den Bergbau, erinnert sich Siegfried Frosch, der selbst als 14-Jähriger weit weg von daheim zunächst auf der Zeche Rosenblumendelle in Mülheim-Heisen angelegt wurde.

Erst einige Monate später kam er wie Andreas Meinzinger und Hermann Rimböck ins fremde Gladbeck, von dem sie noch nie etwas gehört hatten. Über 1000 Lehrlinge hatten allein die Stinnes-Zechen 1954; es gab für Jungen, die ohne Familie zur Lehre auf der Zeche nach Gladbeck gekommen waren, eine ganze Reihe von Berglehrlingsheimen in der Stadt. „Das am Hartmannshof baute die Caritas-Heimstatt eigens für die Lehrlinge, die aus Bayern kamen“, so Boltendahl. Im Oktober 1954 wurde es fertig. 76 ganz junge Berglehrlinge zogen dort ein, fanden Platz in Drei- und Vierbettzimmern. Boltendahl, damals auch noch ein junger, studierter Sozialarbeiter, trat seine erste Stelle an, wurde offiziell Heimleiter, war aber für die Jungen auch Freund, Tröster, Vater und Mutter und ordnende Hand zugleich.

Im Caritasheim am Hartmannshof war in den 50er Jahren immer viel los.
Im Caritasheim am Hartmannshof war in den 50er Jahren immer viel los. © Funke Foto Services | Funke Foto Services






Die Jungen hatten es nicht weit zu Stinnes 3/4, wo sie zunächst in den verschiedenen Werkstätten ausgebildet wurden. „Als wir 16 wurden, kamen wir ins Lehrrevier auf Zeche Welheim im nahen Bottrop, dort, wo heute Ostermann ist“, blickt Hermann Rimböck zurück.

Trotz allen Heimwehs – „im Heim war das ganz toll“, so Andreas Meinzinger, der sich an Fußball und Bogenschießen sowie gemeinsame Tanzkurse in der Freizeit erinnern kann. Auch außerhalb Gladbecks wurde viel unternommen: Zelten am Strand vonZandvoort, Reise zur Weltausstellung in Brüssel. „Wir haben alle die Kameradschaft geschätzt.“ In Anbindung an die Braucker Marien-Gemeinde fanden viele den Zugang zur Pfadfinderschaft. „Das förderte den Zusammenhalt“, so Siegfried Frosch. Einmal im Jahr ging es per Bus nach Hause, sonst wurden Briefe geschrieben.

Geblieben sind sie nach der Lehre zwar im Revier, aber nicht lange im Bergbau. Frosch machte nur die Lehre, Rimböck arbeitete sechs, Meinzinger neun Jahre als Kumpel. Ins Heim am Hartmannshof zogen ab 1960 die ersten italienischen, ab 1963 türkische Gastarbeiter. Im Jahr 1964 verkaufte die Zeche das Heim, das in Wohnungen umgewandelt wurde.