Gladbeck. . Am 1. Januar 1975 wurde aus Gladbeck „Bottrop 2“. Gegen diese Eingemeindung wehrten sich die Bürger. Ein Gespräch mit Glabotki-Gegner Manfred Braun.

Vor 40 Jahren, am 1. Januar 1975, wurde aus Gladbeck „Bottrop 2“ – am Neujahrstag begann die knapp einjährige ungeliebte Glabotki-Zeit, bis zum berühmten Nikolausurteil im Dezember 1975. „Beim Jahresübergang ‘74/’75, da war die Stimmung schon ganz schön gereizt“, erinnert sich Manfred Braun, damals ein entschiedener Glabotki-Gegner und überzeugter Kämpfer für die Selbstständigkeit der Stadt. „Die bange Frage war: Wie geht es weiter? Die meisten Bürger waren ja gegen Glabotki.“

Bottrop wollte übernehmen

Nach jahrelangem Kampf war aber der faktische Zusammenschluss mit Bottrop und Kirchhellen zum 1. Januar 1975 nicht mehr zu verhindern gewesen, erinnert sich der inzwischen 86-jährige ehemalige SPD-Politiker. „Wir hatten keine andere Chance, als das hinzunehmen“, so Braun im WAZ-Gespräch. Die neue Stadt habe jedoch auf „schwachen Füßen“ gestanden. Tatsächlich sei das Zusammengehen nämlich nicht eines auf Augenhöhe gewesen, so Braun. „Die Bottroper traten teils arrogant auf, ließen wenig Bereitschaft erkennen, die neue Stadt in Partnerschaft anzugehen.“ Das Ansinnen, Gladbeck „zu übernehmen“, sei in Bottrop „sehr groß“ gewesen.

Zahlen und Fakten

Die Diskussion um die kommunale Neugliederung, auch Gebietsreform genannt, dauerte fünf Jahre. Erste Überlegungen gab es auf Landesebene bereits Ende der 60er Jahre. 1973 kristallisierte sich die Glabotki-Idee heraus. Gladbeck, Bottrop und Kirchhellen sollten eine neue Stadt bilden.

Das entsprach dem Ziel der Neugliederungspolitiker, dass kreisfrei nur Städte ab 200 000 Einwohnern in einem Ballungsraum wie dem Ruhrgebiet effektiv verwaltet werden könnten.

Anfang 1974 scheiterte ein Volksbegehren gegen die Neugliederung, die am 8. Mai 1974 vom Landtag beschlossen wurde. Am 1. Januar 1975 sollte der Zusammenschluss von Gladbeck, Bottrop und Kirchhellen erfolgen.

Der Rat der Stadt Gladbeck beschloss seinerseits am 12. Juli 1974 einstimmig, beim Landesverfassungsgerichtshof in Münster Verfassungsbeschwerde einzulegen. Mit dem Nikolausurteil vom 6. Dezember 1975 wurde Glabotki für ungültig erklärt.

Ende 1974 bereitete sich Gladbeck also auf die neue Stadt vor, politisch war so etwas wie Stillstand eingetreten. Und je näher der Zeitpunkt rückte, desto unübersichtlicher wurde die Gemengelage in Gladbeck, erinnert sich der Glabotki-Gegner. „Es gab nicht nur Widersacher, sondern auch Kräfte, die sich durch das Zusammengehen große Hoffnungen auf eine berufliche oder politische Karriere machten.“ Aber: Die Gladbecker Klage gegen das NRW-Neugliederungsgesetz beim Verfassungsgerichtshof in Münster lief noch – und ließ weiter hoffen. Die Klage hatte noch der alte Gladbecker Rat im Juli 1974 einstimmig beschlossen. Die Verfassungsrichter ließen sich allerdings mit ihrem Urteil Zeit. Sodass Glabotki zunächst kam. . .

Die neue Stadt sollte Bottrop heißen

Noch am Silvestertag reiste Verwaltungs-Kommissar Werner Gareiß (bis dahin Bottrops Oberstadtdirektor, nun kommissarischer Verwaltungschef Groß-Bottrops) ins Gladbecker Rathaus, brachte neue Siegel und neue Kopfbriefbögen mit. Längst hatte festgestanden, dass die neue Stadt „Bottrop“ heißen würde, nicht „Wittringen“, wie mal kurz diskutiert. Das Gladbecker Stadtwappen wurde entsprechend eingestampft – eine Version mit Elementen aus den drei Gemeinden als neues offizielles Stadtzeichen vorgestellt. Mit dem Neujahrstag übernahmen schließlich die Spitzen der Groß-Bottroper Verwaltung die Schlüsselgewalt im Rathaus. Am ersten Arbeitstag, am 2. Januar, standen Bottroper Möbelwagen vor dem Gladbecker Rathaus. Braun: „Das hatte nicht nur Symbolcharakter, tatsächlich wurden Möbel abtransportiert und sogar, viel wichtiger, Akten rausgeholt.“

Die Bürger sagten es damals deutlicher: „Die rauben unser Rathaus aus.“ Viele Dienststellen wechselten nach Bottrop. Die, die blieben, mussten ihre ausgehende Post über die Zentrale in der Stadtverwaltung Bottrop an die Gladbecker Bürger verschicken.

Gladbecker Handschrift nicht erkennbar

Die „fehlende Augenhöhe“ zeigte sich auch bei der Besetzung der neuen Verwaltungsposten: 21 der insgesamt 32 Amtsleiterstellen gingen an Bottroper Stadtbedienstete. Gladbecker und Kirchhellener mussten sich elf Leiterstellen teilen. „Bottrop hatte getrickst und kurz vor Jahresende noch etliche Leute höher gestuft, die dann den Vorrang vor Gladbeckern bekamen.“ Die Dezernate gingen voll in Bottroper Hände, der bisherige Gladbecker Oberstadtdirektor Otto Rump sollte das wenig einflussreiche Dezernat für Wahlen, Statistik und Liegenschaften erhalten – er verzichtete. Stadtbaurat Hahn erhielt gleich den Laufpass. Eine Gladbecker Handschrift sei da nicht einmal ansatzweise erkennbar gewesen, so Braun.

Augenfällig wurde der „Anschluss“ durch die neuen BOT-Autokennzeichen, die ab 2. Januar ausgegeben wurden und „möglichst schnell“ die GLA-Schilder ablösen sollten. Schon in den ersten Wochen wurden die gelben Ortseingangsschilder ausgetauscht: „Gladbeck – Stadt Bottrop“ stand da nun. Oft nicht lange, weil aufmüpfige Gladbecker den Namen Bottrops übermalten oder überklebten: „Glabotki is nich“ oder „Gladbeck bleibt Gladbeck“ stand dann da.

Heftige Attacken gegen Glabotki-Kritiker 

Die Gladbecker Politik war in dieser Zeit in einem Schwebezustand, erinnert sich Braun, da erst im Mai kommunale Neuwahlen anstanden. Das „eigene“ Rathaus war tabu für die Gladbecker Politiker und Parteien.

„Selbst Strom für Veranstaltungen draußen wurde uns verwehrt“, weiß Manni Braun noch genau, der als Glabotki-Gegner heftigsten Attacken ausgesetzt war. Bis hin zur Boshaftigkeit: Im Bottroper Karneval ‘75, so weiß er noch genau, wurde eine Braun-Puppe verbrannt, ebenso eine, die dem bis Silvester ‘74 tätigen Oberstadtdirektor Rump ähnelte. „Wir fühlten uns kaltgestellt, waren missmutig“, so Braun.

Bei der Aufstellung zur Kommunalwahl wurden schließlich Glabotki-Gegner in allen Parteien benachteiligt. „Die Bottroper versuchten, auf allen Ebenen Fakten zu schaffen“, so Braun, der im Mai 1975 erstmals in den nordrhein-westfälischen Landtag gewählt wurde und dort sofort für die Selbstständigkeit Gladbecks warb.

Am Ende gab das Nikolausurteil den Glabotki-Kritikern Recht: Der Zusammenschluss wurde für nichtig erklärt.