Gelsenkirchen. . Im Gelsenkirchener V-Danceclub haben 90 DJs einen speziellen Führerschein gemacht. Der sorgt dafür, dass Musikgenuss keine Schäden verursacht. Inzwischen leidet jeder vierte Jugendliche zwischen 16 und 24 Jahren an einem akuten Hörschaden nach Angaben der Techniker Krankenkasse.

Was früher der dicke Ghettoblaster war, sind heute portable Audiogeräte wie MP3-Player, Smartphone und Co. Sie sorgen für mobilen Musikgenuss und sind aus dem Alltag kaum mehr wegzudenken, täglich begegnen wir Menschen mit Kopfhörern und Ohrstöpseln. Das Gefährliche daran ist, dass jede Musik zugleich auch Lärm ist, insbesondere in der Disco. Das Verbraucherschutzministerium NRW, die Techniker Krankenkasse (TK), der Bundesverband der Discotheken und Tanzbetriebe (BDT) sowie der DJ-Berufsverband setzen daher gemeinsam den Hebel bei denen an, die jährlich 80 bis 90 Millionen Gäste beschallen – den DJs. „Wir alle wollen“, sagt Ulrich Weber, der Präsident des BDT stellvertretend, „dass DJs verantwortungsvoll mit Musik und Lautstärke umgehen.“

DJ-Führerschein soll ein Ansatz sein

Dazu drücken die DJs in einem Seminar noch einmal die Schulbank und erwerben nach einem schriftlichen Test ein Zertifikat, den DJ-Führerschein. „Der Kursus beinhaltet akustisch-technische Aspekte, haftungsrechtliche Tatbestände und spezielle gesundheitliche Kenntnisse“, erklärt Prof. Dr. Brigitte Schulte-Fortkamp von der Technischen Universität (TU) Berlin. Die TU hat mit Experten der Schallwirkungsforschung das Programm entwickelt. Und am Montag hat ein eben solches Seminar im Gelsenkirchener V-Danceclub stattgefunden, gut 90 Mischpult-Akrobaten nahmen teil. Seit Beginn der Aktion wurden so 2700 Djs geschult, es war bundesweit die 29. Auflage des Seminars.

Vier Stunden Disco sind wie ein 40 Stunden-Arbeitsplatz bei 90 Dezibel Schalldruck

Das spezielle Schallpegelmessgerät misst jede Stunde eine halbe Stunde die Lautstärke auf der Tanzfläche, der Wert wird dem DJ auf einem Monitor angezeigt, so dass er zu hohen Pegeln gegensteuern kann.

Ein vierstündiger Discobesuch belastet das Gehör laut Umweltministerium wie eine Beschallung mit 90 Dezibel am Arbeitsplatz in einer 40-Stunden-Woche. Für solch’ einen Arbeitsplatz ist Gehörschutz vorgeschrieben.

Dass es einen Grund hat, Prävention an vorderster Front, also am DJ-Pult, zu betreiben, das zeigen die aktuellen Daten. „Inzwischen leidet jeder vierte Jugendliche zwischen 16 und 24 Jahren an einem akuten Hörschaden“, berichtet Ulrich Adler von der TK, also an einem reparablen Schaden. Das seien in Gelsenkirchen rund 7600 Betroffene. „Aber wenn wir es nicht schaffen, die Hörgewohnheiten zu ändern, so hat in einigen Jahren jeder zehnte Jugendliche einen bleibenden Hörschaden – irreparabel.“ Das sind Kosten in Millionenhöhe für Behandlung oder Hörgeräte.

Der BDT empfiehlt daher Disco- und Clubbetreibern, „künftig nur noch DJs zu beschäftigen, die ihre Qualifikation durch den DJ-Führerschein nachweisen können“ – zumal es eine gesetzliche Schallpegelbegrenzung nicht gibt. Auch zum Einsatz eines Schallpegelmessgerätes für die Discobranche wird geraten, damit der Schallpegel auf der Tanzfläche überwacht und aufgezeichnet wird – immerhin sind Betreiber und DJ im Falle eines Falles haftbar zu machen. Empfohlener Durchschnittswert: unter 100 Dezibel. Für V-Danceclub-Geschäftsführer Markus Liptow ist daher nur logisch, mitzumachen: „Es ist doch so. Nur ein gesunder Gast kommt auch wieder.“