Gelsenkirchen. Von Allergien über Adipositas bis zu Diäten: Vier Experten des Marienhospitals Ückendorf informierten über gesunde Lebensführung und Krankheiten durch schlechte Ernährung. Übergewicht „ist die Seuche der westlichen Welt“, stellten sie fest – und zeigten auf, was man dagegen tuen kann..

„Der Mensch ist, was er isst“ – eine Weisheit, die so falsch nicht ist, erklärten die Ärzte beim WAZ Medizinforum zum Thema Ernährung im Marienhospital in Ückendorf am Mittwoch. Denn eine gute Ernährung beugt Krankheiten vor.

Was sich hinter einer solchen Lebensweise verbirgt, das erklärte eingangs Regina Knjisa, Diätassistentin. Dabei geht es vor allem um Ausgewogenheit. Rund die Hälfte der Speisen solle durch Kohlenhydrate ausgemacht werden, am besten aus Vollkornprodukten, 10 bis 15 Prozent durch Eiweiß und der Rest durch Fette, die besser sind als ihr Ruf. Sie nämlich sind Energiespeicher, Vitaminlieferant und liefern Omega-Fettsäuren. Pflanzliche Fette sollten jedoch den Vorzug erhalten. „Man kann sagen, dass ein Übermaß an tierischen Fetten uns krank macht.“

Dass falsche Ernährung krank macht, das konnte Dr. Jürgen Schirp, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Hämatologie, Onkologie und Pneumologie, mit beeindruckenden Zahlen belegen. „Etwa 30 Prozent der Krebserkrankungen sind auch durch Ernährung verursacht“ Eine schlechte Lebensweise mache eindeutig krank. „Übergewicht erhöht das Risiko, an Speiseröhrenkrebs zu erkranken, an Dickdarmkrebs, Brustkrebs, Gebärmutterkrebs, Prostatakrebs und Nierenzellkrebs.“ Ein regelmäßiger Konsum von Obst und Gemüse, und das nicht nur in gekochter Form, schütze vor bestimmten Krebsarten. Denn mit den Vitaminen nimmt man hier auch Ballaststoffe auf. „Die verkürzen zum einen die Transitzeit, die Gifte bleiben somit kürzere Zeit im Dünndarm, sie erhöhen das Stuhlvolumen und verdünnen toxische Substanzen, wie etwa die Gallensäure.“ Die Einnahme von entsprechenden Nahrungsergänzungsmitteln bringe gar nichts.

„Das hat man zusammen gefügt zum sogenannten tödlichen Quartett“

Ernährung könne durchaus krank machen, stieg Prof. Wilhelm Nolte, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Gastroenterologie, Endokrinologie und Diabetologie, in seinen Vortrag ein. Dabei gibt es drei Ursachen, von welcher die erste am meisten verbreitet ist: das Übergewicht als Folge von zuviel Nahrungsaufnahme. „Das ist die Seuche der westlichen Welt.“ Grund Zwei: Fehl- und Mangelernährung. Grund Drei: Nahrungsunverträglichkeiten.

Die krankhafte Übergewichtigkeit, medizinisch Adipositas, geht oft mit anderen Krankheiten wie Diabetes mellitus, Hochdruck und Hypercholesterinämie einher. „Das hat man zusammen gefügt zum sogenannten tödlichen Quartett.“ Daher gelte es dem Übergewicht unbedingt entgegen zu treten. Das sei über eine Diät möglich: „Friss die Hälfte, dabei bleibt es.“ Und über Bewegung. Der Mangelernährung zu begegnen sei schwieriger, sei sie nun seelischer Ursache oder körperlicher. „Jede schwere Krankheit schlägt auch auf den Appetit.“ Oftmals bleibe den Medizinern in solchen Fällen nur die Möglichkeit der Sondenkost.

Immer weiter verbreitet seien auch Nahrungsmittelallergien oder Intoleranzen. Eine bekannte Allergie ist die gegen Gluten, die Sprue. „Der Eiweißkörper aus dem Getreide kann nicht vertragen werden. Es kommt zu Entzündungen im Dünndarm, der seine Tätigkeit einstellt.“ Erfreulicherweise ist die Therapie einfach. Patienten müssen sich nur glutenfrei ernähren. Eine bekannte Intoleranz ist die gegen Laktose. „Das Enzym Laktase fehlt im Dünndarm. Die Laktose kann nicht mehr in Glukose und Galaktose gespalten werden. Im Darm kommt es zur bakteriellen Gärung und zur Bildung von Laktat, Methan und Wasserstoff.“ Doch auch dies sei recht einfach in den Griff zu bekommen, beruhigte der Mediziner.

Die Pille gegen die Kilos gibt es nicht

Über die Wege, der Adipositas den Kampf anzusagen, referierte Dr. Frank Dederichs, Leitender Oberarzt der Klinik für Innere Medizin. Ein Problem, das man gesellschaftlich wirklich angehen müsse: „Normalgewichtig sind in Deutschland nur 40 Prozent der Bevölkerung. Das ist besorgniserregend.“ Viele der in der Werbung angepriesenen Mittelchen helfen aber nicht oder nur minimal. Und auch wirksame Medikamente sind nicht erhältlich. „Da forscht die Industrie fleißig.“ Denn das sei ein Markt der Zukunft. Alle bisherigen Präparate hatten schlimme Nebenwirkungen, verursachten Krebs oder erhöhten das Selbstmordrisiko.

Eine neue Methode ist die Endobarriertherapie, die im Marienhospital in Einzelfällen (medizinisch statistisch ausgewertet wurden bislang neun Fälle) angewandt wird. Hier wird ein Schlauch endoskopisch am Darm angebracht, quasi eine Umleitung wie im Straßenverkehr. Die Nahrung passiert nicht mehr die Hauptstraße, den Darm, sondern eine Nebenstraße, den Schlauch. „Unverdaute Nahrung kommt im unteren Teil des Darms an. Das führt im Hirn zum Einstellen des Hungergefühls.“ Durch die verkürzte Passage können zudem weniger Nährstoffe aufgenommen werden. „Diese endoskopischen Verfahren scheinen das beste Potenzial zu haben“, so Dederich