Gelsenkirchen. Gutachter errechnen für 2014 einen Gesamtumsatz von 265,6 Millionen Euro für die Gelsenkirchener City. Textilien machen dabei den Löwenanteil aus – in dieser handelssparte sehen die Experten die besondere Stärke des Altstadt-Hndels. Nachbesserungsbedarf sehen sie im Exklusiv-Segment und bei Qualitäts-Marken.

Die Bahnhofstraße war einmal eine der stärksten deutschen Einzelhandelslagen. Die ganz große Zeit ist lange vorbei – aber die Gelsenkirchener Fußgängerzone und ihre Nebenachsen haben sich – vergleichsweise – gut gehalten. Das bekam die Stadt jetzt von der CIMA Beratung und Management GmbH attestiert, die einen gutachterlichen Blick auf Handel und Wandel in der Stadt geworfen hat. Erste Ergebnisse wurden von Projektleiter Michael Karutz im Stadtentwicklungs- und Planungsausschuss vorgestellt.

Die Ausgangslage

Der Anteil des Einzelhandelsumsatzes am privaten Konsum ist in Deutschland von 2000 bis 2012 deutlich gesunken – von 34,5 auf 28,1 Prozent. Gleichzeitig legte der Online-Handel enorm zu – von 2,5 Prozent 2000 auf 33,1 Prozent 2013. Der klassische Handel hat entsprechend auch in Gelsenkirchen stark verloren. 1992, rechnet der Gutachter, wurden noch 322 Millionen Euro umgesetzt (135 Millionen Euro für Bekleidung und Wäsche), 2012 waren es lediglich noch 270 Millionen Euro. Allerdings scheint sich die Situation seither stabilisiert zu haben. Bis 2014 sank der Umsatz „nur“ um weitere 1,6 Prozent auf 265,6 Millionen Euro. Kleidung und Wäsche machten immerhin noch 105, 7 Millionen Euro aus..

Die Handelsflächen

Als klare A-Lage im „zentralen Versorgungsbereich“ wertet das Gutachten die Bahnhofstraße mit dem Bahnhofcenter, B-Lagen sind die Hauptstraße in der Verlängerung bis zum Marktplatz und zum Neumarkt sowie die Arminstraße, als C-Lagen wertet das Gutachten die Bereiche Ahstraße mit Heinrich-König-Platz und die Klosterstraße, aber auch die Weberstraße. Bei der Verkaufsflächenverteilung weit vorn ist die Bahnhofstraße mit 45 635 Quadratmetern. Haupt- und Hansemannstraße kommen auf 4610 Quadratmeter (siehe Grafik).

Der Qualitäts-Check

Das Warensegment „Exklusiv, hochwertig, qualitätsorientiert“ wird gerade einmal auf 1,1 Prozent der Gelsenkirchener Flächen angeboten, die „gehobene Mitte“ immerhin auf 34,4 Prozent und ein standardisiertes Angebot auf 43,3 Prozent der Ladenflächen. Discountorientiert sind dagegen 11,1 Prozent. Eine sehr hohe Marktabschöpfung stellt der Gutachter besonders bei Bekleidung und Wäsche, aber auch bei Schuhen, Lederwaren. Uhren, Schmuck und auch medizinisch-orthopädischem Bedarf fest. Stark unterrepräsentiert sind Lebensmittel und Reformwaren, Hobbybedarf, Sport- und Zooartikel, Möbel, Heimtextilien, Baumarktartikel sowie Gartenbedarf. 18,3 Prozent der Betriebe erreichen auf 41,1 Prozent der gesamten Verkaufsfläche fast 40 Prozent des City-Gesamtumsatzes mit Bekleidung.

Die Beliebtheitsskala

Bei der Marktabschöpfung insgesamt ist Luft nach oben: Gelsenkirchen City kommt auf die Kennziffer 20, mit Buer zusammen auf sogar auf 29. Zum Vergleich: Recklinghausen erreicht 33, Gladbeck 31, Datteln 41, Bocholt 61, Essen beispielsweise aber nur 24. Hier gilt wohl: Je geringer die Konkurrenz der Nachbarstädte, desto höher die Werte.

Die Warenhausdichte

Beim Waren- und Bekleidungshäuser-Besatz schlägt die Gelsenkirchener Innenstadt vereint mit Buer Städte wie Bochum oder Recklinghausen: Galeria Kaufhof, Primark, C & A Vollsortiment und Kids, zweimal H & M, TK Maxx, Sinn-Leffers und Woolworth – eine solche Angebotsfülle erreichen im Revier sonst nur Essen, Dortmund und Duisburg.

Das fehlt im Angebot

Klare Akquiseempfehlungen gibt es vom Gutachter für die städtische Wirtschaftsförderung: Nischen und Markt-Chancen sehen die Experten für Herrenausstatter (fehlt in der Altstadt) und junge Mode, Spiel, Sport, Hobby, gehobene Unterhaltungselektronik, aber auch ergänzende Angebote im Segment Haushaltswaren, Porzellan, Keramik. Konkret empfehlen sie, Firmen wie Butlers und Depot, WMF (Haushalt, Deko, Accessoires), Ecco (Schuhe), Intersport, Engbers, Ulla Popken, G-Star (Mode) und Apple (Premium Reseller) anzusprechen.

Chancen für Tradition mit Charme und Konsum-Vielfalt

Handlungsoptionen nennt das CIMA-Gutachten für Wirtschaftsförderung, Verwaltung, Politik und Handel, um die Innenstadt besser zu positionieren. Die Kernpunkte: – Die „Restrukturierung des Bahnhofscenters“ ist für Gutachter Michael Karutz „mittelfristig eine Option. Der umfassende Neustart ist nötig, wenn man dort Handelsflächen erschließen will.“ Gleiches gilt für die Bereiche Woolworth- und Weka-Gebäude.
– Bei der Entwicklung darf der Bereich Hauptstraße und Markt nicht außen vor bleiben. „Da gibt es noch einige standhafte Einzelhändler“. Hauptstraße/Rundhöfchen/Neumarkt, empfiehlt der Experte, könnten als „Traditionslage mit Charme“ entwickelt werden – als Angebots-Nische für den „täglichen Einkauf und vielleicht auch, um das Besondere zu finden“.
– Die Arminstraße mit ihrer Gastronomie sieht der Gutachter unter dem Motto „Genüsse und Sinne pur – Wo auch Europas Fußballfans feiern“.
– Für die Bahnhofstraße gelte es, die Marke „Konsumige Vielfalt und Qualitäten erleben“ zu entwickeln. „Ich denke, dass die Cityinitiative da Zeichen gesetzt hat und zur Aufwertung beigetragen hat.“

Generell gilt für Karutz: „Wir reden viel zu schlecht über unsere Standorte. Aber wir müssen von uns aus auch mehr tun, damit sich das Bild verändert.“ Schnelle Erolge wird es aus seiner Sicht nicht geben. „Flächenmanagement ist Kärrnerarbeit. Man muss ständig am Ball bleiben. Das erfordert auch Kontinuität in der Verwaltung.“