Dirigent A. Talmon und Violinist S. Krylov begeisterten als Gäste beim Sinfoniekonzert

Die Neue Philharmonie Westfalen neigt mittlerweile zu Mammut-Programmen. Beim 4. Sinfoniekonzert im Musiktheater kam NPW-Intendant Stephan Popp zu Beginn auf die Bühne und bat um Verständnis dafür, dass mit Mili Balakirews "Islamey" ein angekündigtes Werk aus dem Programm genommen würde - "wir wollen Sie deutlich vor Mitternacht nach Hause entlassen." Eine kluge Entscheidung, denn nach Dmitri Schostakowitschs Sinfonie Nr. 1 f-Moll in der formidablen Interpretation des israelischen Gastdirigenten Amos Talmon hätte nichts mehr kommen dürfen. Aber der Reihe nach.

Beim Auftakt mit den berühmten Polowetzer Tänzen aus Alexander Borodins Oper "Fürst Igor" stechen die bestens aufgelegten Holzbläser mit ihren Soli heraus, die durch fremdartig wirkende Tonleitern für orientalisches Flair sorgen. Talmon treibt das Orchester von vornherein zu Höchstleistungen an.

Peter I. Tschaikowskys Violinkonzert stieß bei der Uraufführung 1881 auf heftige Ablehnung bei den Kritikern. Der berühmt-berüchtigte Eduard Hanslick verstieg sich dazu, von Musik zu schreiben, "die man stinken hört". Wenn überhaupt, duftet diese Partitur nach schwerem Parfüm. Sie bietet reinste Emotionalität zwischen Extremen von inniger Zärtlichkeit bis zum vehementen Ausbruch. Der Solist Sergej Krylov verschließt sich diesem Ansatz nicht, sondern ergibt sich ganz den musikalischen Gefühlen: Mit hoher Konzentration und fulminanter Technik spielt er die früher als unspielbar erachteten virtuosen Stellen der Partitur, um im nächsten Moment die schönsten Kantilenen mit (stets geschmackvollem) Sentiment aufzuladen, Krylovs Ton blüht: Er lässt die Violine singen, flüstern, schreien - eine Meisterleistung, die stehende Ovationen bereits zur Pause provoziert.

Dann Schostakowitschs 1926 uraufgeführte erste Sinfonie, eine musikalische Tour de Force des erst 20-jährigen Komponisten. Schostakowitsch schrieb eine Musik von großer Reife und Tiefe, die sich auf sinfonische Traditionen beruft, gleichzeitig aber kunstvoll und ideenreich mit diesen spielt und der Gattung dank kühner Klangsprache den Weg in die Zukunft weist. Amos Talmon gestaltet diese Partitur mit Höhen und Tiefen als differenziertes Seelengemälde, wobei ihm die Neue Philharmonie engagiert folgt. Diesem Dirigenten möchte man hier gerne öfter im Konzert begegnen. Sto