Gelsenkirchen. Im Umland sind Temperaturen häufig bis zu zehn Grad niedriger als in städtischen Ballungsräumen. Dies führt dazu, dass Großstadtregionen wie das Ruhrgebiet im Sommer noch stärker von Unwettern getroffen werden. In Gelsenkirchen hat Umweltplaner Ulrich Axt-Kittner ein Klimaszenario für die Dekade 2051 bis 2060 ermittelt.
Alle reden über das Wetter. Über das Pfingstunwetter „Ela“, dem in Gelsenkirchen über 3000 Bäume zum Opfer fielen. Oder den Starkregen, der für überflutete Keller, eingeknickte Bäume und Behinderungen im Zugverkehr sorgte. Oder über die ständigen Regen, die die Sommerernte beim Getreide um ein Viertel vernichteten.
Alle reden vom Wetter, nur vom Klima und von dessen Wandel mag niemand sprechen. Aber was Gelsenkirchen bei ungebremsten Klimawandel in den nächsten 50 bis 100 Jahren bevorsteht, hat Ulrich Axt-Kittner, Umweltplaner bei der Stadt Gelsenkirchen, projiziert.
Zeitraum 2051 bis 2060
Die Durchschnittstemperatur werde bis 2060 mindestens um zwei Grad Celsius, die durchschnittliche Niederschlagsmenge um 18 Prozent (= 149 mm) steigen. Zwei Grad mehr, das klingt nach wenig, aber „dann“, so Axt-Kittner, „wird in Gelsenkirchen eine Durchschnittstemperatur herrschen, die vergleichbar ist mit der in Bordeaux und Verona.“
Der städtische Mitarbeiter beschäftigt sich seit 2009 mit der Frage: Wie wirkt sich der Klimawandel auf Gelsenkirchen aus? Zu diesem Thema arbeitet er eng mit der Universität Duisburg/Essen zusammen und hat unter anderem Klimaprojektionen für die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts entwickelt.
Der Faktor Hitzestress
Aktuell sind 820 Hektar, das sind acht Prozent des Stadtgebietes, von „Hitzestress“ betroffen, im Jahr 2060 werden es 5000 Hektar (= 48 Prozent des Stadtgebietes) sein. Die Zahl der Sommertage (Tageshöchsttemperatur 25 °C und mehr) wird sich verdoppeln. Die Zahl der heißen Tage (über 30 Grad °C ) erhöht sich von 5,7 auf 13,3 Tage im Jahr. Ebenso verdoppeln sich die Tropennächte (Lufttemperatur fällt nicht unter 20 °C) und die Tage mit Hitzestress (hohe Luftfeuchtigkeit, behindert das Schwitzen). Rückläufig sind hingegen die Eis- und die Frosttage mit unter 0 °C.
Die Untersuchungen von Axt-Kittner beziehen sich vornehmlich auf den Faktor Hitzestress für die Dekade 2051 bis 2060. Für diesen Zeitraum hat er die städtischen Problembereiche ermittelt. „Wir haben für Gelsenkirchen die Hauptbelastungszonen anhand des Überwärmungsgrades, der Einwohnerdichte und dem Seniorenanteil der Bewohner identifiziert.“ Buer, Erle, Altstadt und Bulmke-Hüllen seien Quartiere mit dem höchsten Anpassungs- und Schutzbedarf.
"Mittlere Wahrscheinlichkeit des Eintreffens"
Wenn die Temperaturen selbst nachts über längere Zeiträume nicht unter 20 oder sogar 25 Grad Celsius sinken, ist eine Erholung nicht mehr möglich. Bei Kindern und empfindlichen Menschen kann dieser Hitzestress bis zum Tod führen.
Die Niederschläge werden um 18 Prozent steigen. Vor allem die Wintermonate Januar und Dezember werden bedeutend mehr Niederschläge haben. Und: Die Niederschläge werden sich noch mehr auf wenige Starkregen verteilen. „Der berühmte Jahrhundertregen fällt dann unter Umständen einmal im Jahr“, so Axt-Kittner. Wie gesagt: alles Prognosen, aber es gibt eine „mittlere Wahrscheinlichkeit des Eintreffens“, ist er überzeugt. „Eine langfristige Anpassung ist erforderlich.“ Kommt er sich mit seinen Projektionen und Prognosen manchmal vor wie der Rufer in der Wüste, der nicht erhört wird? „Ja“, sagt er, „aber ich verstumme nicht.“